Landesparteitagsbeschluss: Für eine menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik in der EU

Der SPD-Landesparteitag am 20. Mai 2017 hat einen Antrag zur Flüchtlingspolitik beschlossen, der auf eine Initiative der Fachausschüsse „Internationales“ und „Europa“ zurück ging.

Der Beschluss des Landesparteiags:

Für eine menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik in der EU

 Die SPD-Mitglieder der Bundesregierung, die SPD-Bundestagsfraktion und der Bundesvorstand der SPD sowie die Mitglieder der S&D-Fraktion im Europäischen Parlament werden aufgefordert, sich für ein gemeinsames Vorgehen der europäischen Sozialdemokratie in der EU-Flüchtlingspolitik einzusetzen, das sich an folgenden Grundsätzen und Einzelforderungen orientiert:

Sichere und legale Zugangswege in die EU schaffen

Wir fordern sichere und legale Einreisewege in die EU zu schaffen, etwa durch humanitäre Visa sowie geregelte, zügige und transparente Einreiseverfahren für alle Formen und Stationen der unfreiwilligen Migrationsbewegung. Anträge zu einem Asylverfahren sollen einem jeden flüchtenden Menschen entlang seiner Fluchtroute ermöglicht werden, unabhängig davon, ob er bzw. sie sich innerhalb oder außerhalb des EU-Raumes befindet. Dabei sollte auch die Möglichkeit eingerichtet werden, beispielsweise in Botschaften oder in den Zentren des UNHCR Asylanträge zu stellen.

Die Situation in den Hot Spots verbessern

  • Wir wenden uns im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention (Non-Refoulement-Gebot) gegen Forderungen nach einer Rückschiebung der im Mittelmeer aufgegriffenen Geflüchteten in Auffanglager außerhalb der EU.
  • Wir fordern eine Verbesserung der humanitären Situation in den bestehenden Hot-Spots im Sinne einer menschenwürdigen Unterbringung und medizinischen Versorgung und die Erfüllung der menschlichen Grundbedürfnisse. Gleichzeitig fordern wir die Einhaltung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze bei der Bearbeitung von Asylanträgen.
  • In der Bearbeitung der Asylanträge sind kompetente Fachkräfte vor Ort einzubeziehen. Für die Ausbildung und Einstellung  örtlicher Fachkräfte hat die EU mit entsprechenden Ressourcen zu sorgen.

Keine Einschränkung des Familiennachzugs für Geflüchtete mit anerkanntem Status

Wir fordern, allen Geflüchteten mit einem anerkannten Schutzstatus (anerkannte Asylberechtigte, Geflüchtete mit Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention sowie Geflüchtete mit subsidiärem Schutz) das Recht auf Familiennachzug zu gewähren.

Für eine faire Verantwortungsverteilung in Europa

  • Wir fordern, den von der EU beschlossenen Umverteilungsmechanismus zwischen den EU-Staaten faktisch umzusetzen.
  • Wir fordern zudem die Einrichtung eines EU-Fonds bei der EU, bei dem sich EU-Staaten bewerben können, die zusätzlich Menschen mit anerkanntem Flüchtlingsstatus aus Griechenland und Italien aufnehmen wollen. Auf diese Weise können diese Staaten auch der Erfüllung der Zusage von 2015 zur Aufnahme von 160.000 Flüchtigen aus Griechenland und Italien näherkommen.
  • Dieser Fonds sollte aber auch für Kommunen innerhalb der gesamten EU geöffnet werden, die bereit sind, in Eigeninitiative und oft auch im Widerspruch zur jeweiligen nationalen Flüchtlingspolitik, geflüchteten Menschen in ihren Mauern Zuflucht zu bieten. Gemeinden, die bereit sind, freiwillig Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren, sollen nicht nur die entstehenden Kosten erstattet bekommen, sondern darüber hinaus auch Mittel erhalten, die sie für die Verbesserung der kommunalen Infrastruktur vor Ort (Schulen, Verwaltung, Gewerbeförderung) verwenden können. Schließlich übernehmen die Kommunen ohnehin die Hauptaufgabe der Integration. Durch ein positives Anreizsystem werden ihnen damit zugleich neue Handlungsspielräume eröffnet.
    • Hierfür sollte eine europäische Finanzierungsbasis geschaffen werden. Die Gelder aus diesem Fonds können auch aus nicht abgerufenen Geldern in EU-Etats gespeist werden, ggf. auch aus Anleihen.
    • Die Formalien und Abläufe zu Beantragung und zum Abrufen sollten idealerweise unkomplizierter sein, als es die Modalitäten bei bisher bestehenden Programmen vorsehen. Es sollte den Kommunen zudem ermöglicht werden, eigene integrierte Vorschläge für die Aufnahme und Integration von Geflüchteten zu machen, um nicht gezwungen zu sein, Anträge aufsplitten zu müssen. Die Evaluation dieser Maßnahmen soll über einen Governance-Trialog-Ansatz erfolgen, in dem neben den Kommunen auch Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter sowie Organisationen der Zivilgesellschaft (NGOs, Kirchen etc.) vor Ort eingebunden sind.
    • Diese Methode der Einbindung der Kommunen und der unmittelbaren Mittelabrufung für beides, Unterbringungen von Geflüchteten und weitere Investitionen vor Ort, kann im Effekt sowohl Europa näher zu den Menschen bringen als auch den menschenrechtsorientierten Zusammenhalt der EU stärken.
  • Diese Initiative kann den EU-Staaten zudem helfen, ihre Zusagen vom September 2015 einzuhalten. Durch das Engagement von Kommunen, die im eigenen Interesse Flüchtlinge aufnehmen wollen, soll eine neue positive Dynamik „von unten“ ausgelöst werden.

Dieser Beschluss wurde auf Grund einer gemeinsamen Initiative der Berliner Jusos, des FA I, des FA II Europa und der ASJ Berlin fortgeschrieben und aktualisiert mit dem Beschluss des Landesparteitags vom 2.6.2018  „Sichere Fluchtrouten statt Festung Europa“.