Am 6. November 2024 hat Bundeskanzler Olaf Scholz mit Verweis darauf, dass eine Fiskalpolitik der schwarzen Null den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht werden kann, den Bundesminister der Finanzen, Christian Lindner, entlassen und damit die Ampelkoalition beendet. Bundeskanzler Scholz will am 16. Dezember 2024 die Vertrauensfrage stellen. Bundespräsident Steinmeier wird dann den Bundestag auflösen und vorgezogene Neuwahlen ansetzen. So werden wir am 23. Februar 2025 einen neuen Bundestag wählen und danach eine neue Bundesregierung bilden.
Nach der Wiederwahl von Donald Trump stehen Deutschland und Europa vor neuen Herausforderungen. Indem Olaf Scholz die Finanzierung der militärischen und zivilen Unterstützung der Ukraine außerhalb des Haushalts sicherstellen wollte, hat er versucht, eine dieser Herausforderungen schnell zu beantworten. Der Bundesfinanzminister hat sich diesem Schritt verweigert und damit deutlich gemacht, dass diese Koalition nicht mehr in der Lage ist, die selbst gesteckten Ziele zu erfüllen. Die FDP stellt den Fetisch der schwarzen Null und die Ideologie der Austerität über alles und spielt die Themen der äußeren, inneren und sozialen Sicherheit gegeneinander aus. Dies ist mit der Sozialdemokratie nicht zu machen.
Dieser Konflikt hat aber auch gezeigt, dass Deutschland vor einer Richtungsentscheidung steht. Als Sozialdemokrat*innen müssen wir diese Entscheidung gemeinsam beantworten. Dabei haben die US-Wahlen deutlich gemacht, dass die Wähler*innen ihre wirtschaftliche Lage schlechter einschätzen als die tatsächliche Entwicklung. Als Partei müssen wir diesen Abstiegsängsten begegnen und einen Weg aus durch die Transformation zeichnen, der die Breite der Gesellschaft besserstellt. Die Sicherung des Lebensstandards und der soziale Aufstieg muss für uns im Vordergrund stehen. Global gesehen ist Deutschland – neben Argentinien – das letzte Land, in dem maßgebliche politische Akteure noch der neoliberalen Ideologie frönen und glauben, mit globalem Freihandel und fiskalpolitischer Austerität der dreifachen Transformation – hin zu einer klimaneutralen, digitalen und resilienten Ökonomie und Gesellschaft – gerecht zu werden. Die „schwarze Null“ ist aber weltweit inzwischen ein Inbegriff für eine wirtschafts- und fiskalpolitische Isolation Deutschlands geworden. Die Stärke der deutschen Wirtschaft hat in den letzten Jahren ausgereicht, die mit dieser Politik einhergehenden Verteilungskonflikte mit viel Geld notdürftig zu flicken. Nach der Coronakrise und dem Energiepreisschock im Zuge des russischen Angriffskriegs sind diese Spielräume jedoch aufgebraucht. Olaf Scholz hat daher Recht, wenn er feststellt, dass die Menschen in Deutschland jetzt die Wahl haben müssen. Entweder kann die Verteilungsfrage konfrontativ gegen die finanziell Schwächeren in der Gesellschaft beantwortet werden. Oder wir müssen die Investitionen zur Bewältigung der gewaltigen Herausforderungen der aktuellen Zeit für Gesellschaft und Wirtschaft als Zukunftsaufgabe verstehen und entsprechend tätigen. Für uns als SPD ist die Wahl klar. Wir lehnen marktliberale Rezepte ab. Sie werden einer Welt, die vom geoökonomischen Wettbewerb erschüttert wird, nicht funktionieren. Als SPD müssen wir daher in den kommenden Wochen deutlich machen, dass wir die Kompetenz besitzen, den sozialen Zusammenhalt zu fördern und dabei gerade Menschen mit mittlerem, niedrigem oder ohne Einkommen zur Seite zu stehen sowie den Standort Deutschland zu stärken.
1. Ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum ist die Grundlage für einen starken Staat
Der scharfe geopolitische Wettbewerb besonders zwischen den USA und China erhöht den Druck auf Verbündete und Partner, Investitionsentscheidungen aus geopolitischer Perspektive zu treffen. Unternehmen stehen vor der Wahl zwischen rivalisierenden IT-Infrastrukturen, Märkten und Währungssystemen. Die Diversifizierung, vor allem im Hochtechnologiesektor, beschleunigt sich. Am Ende dieser Entwicklung könnten konkurrierende Wirtschaftsblöcke entstehen. Zusammen verändern diese Trends die Funktionsweise der Weltwirtschaft. Das Paradigma verschiebt sich von Effizienz zu Resilienz. Dem Staat kommt zunehmend die Aufgabe zu regulierend einzugreifen. Auch daran zeigt sich, dass das neoliberale Wirtschaftsmodell ausgedient hat.
Vor diesem Hintergrund wurde Deutschland eine langfristige Wachstumsschwäche und fehlende Wettbewerbsfähigkeit prognostiziert. Dafür sind drei strukturelle Gründe maßgeblich: fehlende private Investitionen und Innovationen in den wirtschaftlichen Umbau, fehlende staatliche Investitionen in die vielfach marode Infrastruktur und fehlende Zuwächse in der Produktivität der deutschen Unternehmen. Die aktuelle Stagnation des Marktes in Deutschland macht sich insbesondere im industriellen Bereich bemerkbar, wo wir nicht nur Produktionsrückgänge, sondern auch ernstzunehmende Verlagerungen von Zukunftsinvestitionen beobachten müssen. Inmitten eines drohenden Handelskriegs zwischen den USA und China müssen sich in Zukunft Europa und die deutsche Wirtschaft behaupten und die von Donald Trump angekündigten Zölle auf europäische Güter einplanen.
Die Stärkung des Industriestandorts Deutschland erfordert deshalb umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur (wie Mobilität, Digitalisierung und Bildung), die die Energie- und Wärmeversorgung und den Klimaschutz. Die Transformation bietet gemeinsam mit unseren europäischen und internationalen Partner*innen zahlreiche Chancen, um regelbasierte Systeme des Welthandels und der Geopolitik zu stärken. Unsere Energiebedarfe können wir gemeinsam mit Staaten Zentralasiens und Afrikas in Angriff nehmen. Wir benötigen bspw. neue nachhaltige Partnerschaften auf Augenhöhe für unseren Handel und unsere Lieferketten, um uns weiter zu diversifizieren und damit resilienter zu werden. Unsere resilienten Lieferketten können wir mit Hilfe osteuropäischer und an Europa angrenzender Märkte verstärkt sicherstellen. Die kommende Bundesregierung muss daher eine Diplomatie-Offensive in Europa und mit unseren Nachbarn und der Zusammenarbeit in der EU starten. Dies erfordert eine klare Zielsetzung, ein abgewogenes Vorgehen und Realismus, denn wir glauben nicht an ein kurzfristiges Freihandelsabkommen Europas mit den USA zur Schaffung eines integrierten Markts. Wir bekennen uns zugleich zu den Lieferkettengesetzen in Deutschland und innerhalb der EU und werden diese verteidigen, um Menschenrechte zu stärken, die Umwelt zu schützen und die Ausbeutung stoppen.
Eine SPD geführte Bundesregierung muss weiter daran arbeiten, bürokratische Hürden und überflüssige Regulierungen abzubauen. Insbesondere in Wege der Digitalisierung werden wir Bürokratie reduzieren und Verwaltungsverfahren beschleunigen. Wir müssen Zukunftsbranchen identifizieren und dafür klare industriepolitische Korridore entwickeln. Wir wollen unsere Investitionsförderung in Deutschland und Europa grundsätzlich neugestalten. Dabei sollen Investitionen steuerlich gefördert werden, um Unternehmen in ihrer Zukunftsfähigkeit zu unterstützen. Im Gegenzug müssen die Unternehmen in innovative Zukunftsprodukte und Dekarbonisierung investieren sowie mitbestimmte und tarifgebundene Arbeitsplätze sicherstellen. Zur Stärkung des Binnenmarkts und der Rahmenbedingungen für Unternehmen in Europa ist ein Arbeitsprogramm der Kommission mit Schwerpunkten bei der Wettbewerbsfähigkeit, bei Investitionen, der Innovationsförderung sowie struktureller Reformen notwendig. Wir wollen einen intelligenten Mix staatlicher Investitions- und Industriepolitik, eine kluge Angebotspolitik und ein Programm zur umfassenden Entbürokratisierung in Deutschland und Europa.
Für den zukünftigen Ausbau Erneuerbarer Energien hat die Bundesregierung wichtige Weichen gestellt: Mit der Verfahrensbeschleunigung und dem Vorrang von Infrastrukturen vor lokalen Einzelbelangen konnten insbesondere der Ausbau Erneuerbarer Energien und der Stromnetze massiv beschleunigt werden. Das ist gut für unsere Gesellschaft, denn es ist die Grundlage eines resilienten Energieerzeugungssystems. Eine bezahlbare und stabile Energieerzeugung erfordert zweierlei: Einerseits müssen Finanzierungskosten runter, in dem Marktrisiken verringert werden und langfristige Planungssicherheiten ermöglicht werden. Dabei fördert der Staat Investitionen und senkt die Finanzierungskosten. Die Investoren tragen das unternehmerische Risiko. Diese Aufgabenteilung ist ein wesentlicher Grund für den Erfolg des US-Inflation-Reduction-Acts. Andererseits müssen in den kommenden Jahren Stromspeicher und -netze ausgebaut und das Stromsystem flexibler werden, um Systemkosten finanziell stabil zu halten. Dabei wird uns der Einsatz von Strom im Transport und in der Wärme (Sektorkopplung) massiv helfen. Für die Dekarbonisierung arbeiten wir an einem leistungsfähigen Wasserstoffnetz und unterstützen die heimische Herstellung von grünem Wasserstoff. Neue Wasserstofffähige Gaskraftwerke müssen als Ersatz für die vom Netz gehenden Kohlekraftwerke zügig errichtet werden.
Die Schlüsselindustrien Deutschlands (Maschinen- und Anlagenbau, die Automobil-, Chemie, Metall- und Stahlindustrie) stehen unter einem hohen Transformations- und Konkurrenzdruck. Besonders die Dominanz Chinas und anderer asiatischer Länder bei Solar- und Halbleitertechnik, E-Fahrzeug- und Batterietechnik sowie die zunehmende Abschottung von wichtigen Exportmärkten verschärfen den Wettbewerb.
Unsere Industrie, unser produzierendes Gewerbe und andere energieintensive Sektoren wie Rechenzentren benötigen eine kurzfristige Senkung der Industriestrompreise, die sich am niedrigsten EU-Niveau orientieren. Mittelfristig muss die nächste Bundesregierung eine Marktreform auf den Weg bringen. Es ist nicht zu rechtfertigen, dass der Strommarkt dauerhaft von den Steuerzahler*innen subventioniert wird, wenn zugleich einzelne Unternehmen jährliche Gewinne im Milliarden-Bereich erzielen können. Stattdessen wollen wir die Gewinne dafür nutzen, die Strompreise insbesondere für die Unternehmen zu senken und zu stabilisieren.
Wir wissen um die Stärken unserer Wissenschafts- und Forschungslandschaft, die Innovationskraft der Startups und der Digital-Wirtschaft. Die Vernetzung mit der Industrie muss noch besser gelingen. Innovationen müssen in Deutschland skaliert werden. Besonders in ostdeutschen Bundesländern muss die regionale Industrie gefestigt und ausgebaut werden. In Förderprogrammen ist es deshalb wichtig, dass besonders Verbünde aus Forschung und Entwicklung, Innovativwirtschaft und regionale Industrie gebildet und unterstützt werden.
Uns beunruhigen die Ankündigungen von Entlassungen aus der Auto- und Zulieferindustrie. Wir werden bewährte Arbeitsmarktinstrumente dort einsetzen, wo wir Beschäftigung halten und Betriebe aus der Krise führen können. Deshalb stehen wir im Kampf um die Sicherung von guter Arbeit an der Seite der DGB-Gewerkschaften. Mit Job-Drehscheiben unterstützen wir den Erhalt und die Vermittlung von Arbeitsplätzen im industriellen Bereich. Wir halten Fach- und Arbeitskräfte dort, wo ihre Kompetenzen gebraucht werden.
Besonders in Ostdeutschland besteht eine große Abhängigkeit von der Automotiv-Industrie. Hier sind 25% der ostdeutschen Industriearbeitsplätze mittel- oder unmittelbar von der Fahrzeugindustrie abhängig. Sie nimmt auch eine entscheidende Rolle ein für die sozio-ökonomische Entwicklung in den strukturschwachen Regionen und schafft dort Einkommen, Lebenssicherheit sowie gesellschaftliche Teilhabe. Deshalb setzen wir uns besonders für den Erhalt der industriellen Leuchttürme der großen Automobilhersteller und Zulieferer in Ostdeutschland ein. Gerade in Ostdeutschland leisten die vom BMWK geförderten Transformationsnetzwerke eine wichtige Arbeit für die Transformation mit und für die Beschäftigten. Die bundesdeutschen Netzwerke müssen deshalb über den derzeitigen Förderzeitraum 2025 weitere drei Jahre durch den Bund finanziell gesichert werden. Zur Fachkräftesicherung müssen wir die Erwerbstätigkeit von Frauen vereinfachen. 70 % der Mütter mit Kindern unter 12 Jahren arbeiten in Teilzeit. Hinzu kommt, dass Frauen ihre Erwerbsarbeitszeit mit zunehmendem Alter der Kinder meistens nicht mehr auf das Niveau vor der Familienphase steigern. Deshalb rutschen viele Frauen nach einer Trennung oder im Alter in Armut. Dem wirken wir entgegen, indem wir die Kinderbetreuung deutschlandweit ausbauen und verbessern, Anreize für eine faire Verteilung der Sorgearbeit setzen, für eine gleiche Bezahlung von Männern und Frauen sorgen und endlich das Ehegattensplitting abschaffen. Wir wollen, die Familienstartzeit endlich umsetzen und einen gestaffelten Mutterschutz bei Fehlgeburten einführen. Auch Selbständige müssen einen Anspruch auf Mutterschutz erhalten.
Der europäische und deutsche Wirtschaftsstandort hängt maßgeblich von einer ausreichenden Anzahl an Beschäftigten ab. Wir müssen deshalb verstärkt inländische Fachkräftepotenziale mobilisieren und eine niedrigschwellige Fachkräfteeinwanderung sicherstellen. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz war dabei ein großer Fortschritt, der nach einem Jahr positive Entwicklungen aufzeigt. So ist ein Anstieg von zehn Prozent bei der Erteilung von Visa zu Erwerbszwecken zu beobachten. Dieser Weg muss in den nächsten Jahren entschlossen weitergegangen werden.
Deutschland ist ein Einwanderungsland, aber auch ein Rückwanderungsland. Zu viele Menschen verlassen innerhalb der ersten beiden Jahre nach Einwanderung Deutschland. Dafür müssen wir unter anderem vier wesentlichen vier Abwanderungsgründe beseitigen: Erstens: Wir müssen Menschen und ihren Familien eine dauerhafte Bleibe- und Teilhabeperspektive bieten. Zweitens müssen wir die sprachlichen Hürden auf dem deutschen Arbeitsmarkt senken. Drittens müssen wir Qualifikationen unbürokratischer anerkennen und Möglichkeiten schaffen, fehlende Qualifikationen kurzfristig zu erwerben und die Bürokratie vor allem in Kammerberufen abbauen. Viertens müssen wir den rassistischen und diskriminierenden Strukturen und Vorurteilen in unserer Gesellschaft und unserem Arbeitsmarkt entgegentreten damit Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen möglich wird. Es ist richtig, wenn wir im Rahmen von Abkommen mit Herkunftsstaaten langfristige Anwerbeabkommen vereinbaren.
Der Job-Turbo für geflüchtete Menschen, den der Bundesarbeitsminister gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit entwickelt hat, zeigt, wie gut die Integration in den Arbeitsmarkt und in das Unternehmen gelingt, wenn eine entsprechende Begleitung sichergestellt ist.
2. Sicherheit und Respekt durch gute Arbeit und gerechte Löhne
Die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs treffen besonders Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Wenngleich die Inflation durch die Maßnahmen der Bundesregierung wieder auf die Zwei-Prozent-Marke gesenkt wurde, wirken die hohen Preise bis heute fort. Die Arbeitnehmenden, Selbstständigen und Menschen, die (kostenlose) Sorgearbeit leisten, sind das maßgeblich für unseren Wohlstands. Egal ob sie Vollzeit oder Teilzeit arbeiten, egal ob in der Produktion, in Dienstleistungs- oder in sozialen Berufen – sie sind die wahren Leistungsträger*innen in unserem Land. Unsere Politik zielt darauf ab, diesen Menschen eine wirtschaftliche Grundlage zu ermöglichen, die ihnen Zuversicht und Sicherheit gibt. Es ist unerträglich, wenn die Breite der Gesellschaft Einbußen erleidet, während sich ein kleiner Teil sich an gesellschaftlichen Krisen bereichert. Diese ungerechte Vermögens- und Lastenteilung werden wir beenden. Wir wollen die Phase der Reallohn- und Kaufkraftverluste endgültig hinter uns lassen.
Sozialdemokrat*innen haben die Einführung des Mindestlohns in Deutschland durchgesetzt. Damit haben wir die Grundlage geschaffen, dass Menschen aus eigenem Arbeitseinkommen dauerhaft der Armut entwachsen und ein selbstbestimmtes Leben führen können. Über sechs Millionen Beschäftigte und vor allem Frauen, die im besonderen Maße Teilzeit, Helfer- oder Anlerntätigkeiten ausüben, haben davon profitiert. Im Geist der bewährten Sozialpartnerschaft sollte dieser armutsfeste Mindestlohn durch die Mindestlohnkommission fortgeschrieben werden. Ausgerechnet als die Inflation zuschlug und die explodierenden Energiepreise nach Monaten der Corona bedingten Kurzarbeit für viele Menschen einen echten Reallohnverlust bedeutete, wurde diese Partnerschaft aufgekündigt. Wir sind der Überzeugung, dass ein armutsfester Mindestlohn zügig auf 15 Euro festgesetzt werden muss der fortlaufend sich zu jeder Zeit ein armutsfestes Niveau sicherstellen muss. Dafür werden wir Sozialdemokrat*innen in einer neuen Bundesregierung kämpfen.
Ein weiterer Grund für gute Arbeitsbedingungen sind aktive Gewerkschaften und Betriebs- bzw. Personalräte. Mit dem Bundestariftreuegesetz wollen wir Gewerkschaften stärken und gute Löhne nachhaltig sichern. Wenn öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben werden, die nach Tarif bezahlen, wird für Millionen Arbeitnehmer*innen das Lohnniveau gestärkt.
Wenngleich der Niedriglohnsektor durch die Bundesregierung deutlich gesenkt wurde, ist der Anteil der prekären Beschäftigungen zu hoch. Damit ist für zu viele Menschen eine wirtschaftliche Unsicherheit verbunden. Wir müssen prekäre Beschäftigungsverhältnisse deutlich zurückdrängen. Die Zahl geringfügiger Beschäftigungen muss reduziert und die sachgrundlose Befristung abgeschafft werden.
Aber eines ist auch klar: In Zeiten, in denen wir wieder mit steigender Arbeitslosigkeit konfrontiert werden und zudem 22 Prozent der Jugendlichen ohne qualifizierenden Abschluss auf den Arbeitsmarkt kommen, muss die Arbeitslosenversicherung noch bessere Angebote für Aus- und Fortbildung sowie Qualifizierung unterbreiten. Die SPD setzt sich weiterhin für eine deutlich höhere Mindestausbildungsvergütung ein. Gleichzeitig muss es unser Ziel sein, die Zahl der Jugendlichen ohne Abschluss durch Bildungsinvestitionen zu halbieren. Gleichzeitig sind im Bereich der Ausbildung auch die Unternehmen in der Verantwortung gute Ausbildungsplätze und -bedingungen zu schaffen. Auf die Freiwilligkeit der Unternehmen zu setzen, kann nicht länger die Lösung sein. Hier werden wir klare, gesetzliche Vorgaben schaffen, um die Ausbildung attraktiver zu gestalten.
3. Das Leben in der Stadt und auf dem Land muss bezahlbar bleiben
Die Entwicklung der Lebenshaltungskosten brauchen die Löhne immer stärker auf. Wirtschaftliche Entwicklungen dürfen nicht auf den Rücken der Arbeitnehmer*innen ausgetragen werden. Neben der Inflation geht es vor allem um die Kostenexplosion für Wohnen und Wärme und die steigenden Kosten für Mobilität im ländlichen Raum.
Deshalb müssen die Kosten für Wärme und Energie gesenkt werden. Die Wärmeinfrastruktur durch Fern- und Nahwärmenetze wird eine wesentliche Säule einer an Gerechtigkeit und Teilhabe orientierten Energiepolitik werden. Aber allein hierfür bedarf es einer Billionen-Euro-Finanzierung, damit Stadt- und Gemeindewerke die erforderliche Infrastruktur schaffen können. Bei entsprechend langen Tilgungszeiträumen sowie staatlich abgesicherten Finanzierungskosten lassen sich sozial verträgliche Wärmepreise für diese Infrastruktur sicherstellen. Die nächste Bundesregierung muss deshalb gemeinsam mit Landesbanken, EIB und KfW einen Rahmen schaffen, damit Investitionen im Interesse der Menschen und bezahlbarer Energiekosten möglich sind. Aufgabe des Staates ist es diejenigen Güter der Gemeinschaft bereitzustellen, die Individuen allein nicht oder nur durch höhere Kosten bereitstellen können. Deshalb wollen wir die Wärmeversorgung in die Daseinsvorsorge aufnehmen, so wie dies auch beim Ausbau des Abwassernetzes gelungen ist. Mit der dringend notwendigen Reform der Fernwärmeverordnung wollen wir die Möglichkeit von sogenannten Contracting-Verträgen, insbesondere für vermietete Wohnhäuser, untersagen. Intransparente und volatile Börsenindizes dürfen nicht länger eine Rolle in Preisgleitklauseln spielen. Das Kostenelement muss die tatsächliche Beschaffung des Versorgungsunternehmens abbilden und beleghaft nachweisbar sein. Das Marktelement muss ein geeigneter und verbindlich festgelegter Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamtes sein. Eine Preisaufsicht muss gewährleistet sein.
Die Entwicklung der Mieten in den Städten spitzt sich seit Jahren zu. Einerseits schrumpft der Bestand an bezahlbaren Wohnungen durch das Auslaufen von Mietpreisbindungen. Der Neubau von bezahlbarem Wohnraum gelingt jedoch zu langsam. Andererseits haben Inflation und die renditegetriebene Erhöhung von Mietpreisen bspw. durch das Ausnutzen der Lücken der Mietpreisbremse und die Verwendung von Indexmietverträgen, seit 2022 das Problem verschärft. Bis in die Mitte unserer Gesellschaft ist das bezahlbare Wohnen eine existenzielle Frage. Um den Menschen wieder mehr Handlungsspielräume zu eröffnen, brauchen wir eine echte Wende in der Mietenpolitik. Der Staat muss regulierend eingreifen und für echte Chancengleichheit zwischen Mietern und Vermietern sorgen. Insbesondere die Fortschreibung der Mietpreisbremse unter Schließung der Lücken beim möblierten und befristeten Wohnen, ein besserer Mieterschutz durch kommunale Vorkaufsrechte, Kappungsgrenzen sowie einen effektiven Schutz vor Mietwucher und Eigenbedarf sind dabei unumgänglich. Zugleich fordern wir im Bundesrecht die Eröffnung der Möglichkeit für die Länder und die Kommunen, einen regional geltenden Mietenstopp von mindestens fünf Jahren in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten einzuführen. Auch erachten wir eine Verlängerung des Umwandlungsverbots zum Erhalt von Mietwohnungen in angespannten Wohnlagen für zwingend notwendig. Ausnahmen von dieser Regelung müssen reduziert und Kündigungsausschlüsse trotz Eigenbedarfs auf Grund besonderer sozialer Härten eingeführt werden. Modernisierungsumlagen sollen in Zukunft nach der Kostendeckung auslaufen. Oftmals werden die Betriebskosten für Mieter*innen zur Kostenfalle. Wir wollen die Transparenz- und Auskunftspflichten erhöhen und stärken die Position der Mieter*innen, um fehlerhafte Abrechnungen zu korrigieren. Die Erweiterung von Schonfristzahlungen im Mietrecht können den Verlust der Wohnung verhindern. Im Rahmen des Verbandsklagerechts, sind auch Sammelklagen durch Mieter*innen zu ermöglichen. Langfristig müssen wir den profitorientierten Wohnungsmarkt zurückdrängen und durch Formen der Gemeinnützigkeit- und Wirtschaftlichkeit ersetzen.
Langfristig lassen sich stabile Mieten durch den Neubau von Wohnungen erreichen. Das von der SPD entwickelte Schneller-Bauen-Gesetz im Land Berlin sollte bundesweit Vorbild sein. Der Ansatz muss im Bund auch auf die notwendige Infrastruktur (ÖPNV, Schulen, Kitas etc.) ausgedehnt werden. Mit unserem Landesprogramm für den Sozialen Wohnungsbau im Umfang von jährlich 1,5 Milliarden Euro steuern wir im Rahmen der Möglichkeiten des Landeshaushalts dem Rückgang der Sozialwohnungen aktiv entgegen. Wir fordern vom Bund, jährlich mindestens 15 Milliarden Euro zusätzlich für den Sozialen Wohnungsbau in den Ländern bereitzustellen und die neue Wohngemeinnützigkeit mit einem echten Förderprogramm zu untersetzen. Zusätzlich wollen wir Menschen mit mittlerem Einkommen den (Mit-)Eigentumserwerb durch abgestimmte Fördermaßnahmen ermöglichen. Parallel fordern wir den Bund auf, über die KfW ein kofinanziertes Förderprogramm für Wohnungskäufe durch kommunale Gesellschaften und Genossenschaften aufzulegen. Auch die horrenden Bodenpreise bremsen den Wohnungsbau. Es braucht daher eine grundlegenden Paradigmenwechsel in der Bodenpolitik und um mit regulierenden Gesetzen (z.B. mit einer Bodenwertzuwachssteuer, einem verstärkten Einsatz von Eingriffsrechten, Erbbaurechten und kommunalen Vorkaufsrechten) leistungslose Bodenwertsteigerungen zu Gunsten der Allgemeinheit abzuschöpfen.
Gerade für Menschen, die auf den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angewiesen sind, ist das Deutschlandticket von großer Bedeutung. Es hat durch die Überwindung der Tarifgrenzen und durch seinen günstigen Preis Anreize geschaffen, häufiger auf den klimafreundlichen ÖPNV zu setzen. Außerdem ist es auch ein Beitrag zur Stabilisierung der Lebenshaltungskosten, insbesondere für solche Haushalte, die von individueller Mobilität abhängig sind. Das Deutschlandticket war in der Krise und ist für die Zukunft einer gerechten und klimafreundlichen Mobilität eine wichtige Errungenschaft. Während andere das Deutschlandticket abschaffen wollen, ist unser Ziel die dauerhafte und preisgünstige Verstetigung. Es muss mit verlässlichen Investitionen in den öffentlichen Fern- und Nahverkehr verbunden werden. Hierfür braucht es langfristige Finanzierungssicherheit, z.B. durch einen Investitionsfonds oder Transaktionskredite.
4. Ein starker Sozialstaat gibt Halt in bewegten Zeiten
Gerade in Zeiten der Transformation und wirtschaftlicher Unsicherheit müssen sich die Bürger*innen auf einen funktionierenden Sozialstaat verlassen können. Der Sozialstaat hat die Funktion, Menschen dabei zu unterstützen, sich aus Risikolagen zu befreien und in temporären oder dauerhaften Notlagen zu helfen. Wer diesen Sozialstaat kürzen oder abschaffen will, legt die Axt an den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Darum verteidigen wir die bestehenden sozialen Sicherungssysteme, wie die gesetzliche Rente, die Arbeitslosenversicherung, sowie die gesetzliche Kranken- und soziale Pflegeversicherung. Es ist richtig, die Beitragsbemessungsgrenzen dieser Versicherungen im Regelfall jährlich anzuheben.
Deshalb stehen wir dafür, die Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung weiterzuentwickeln. Eine solche Arbeitsversicherung kann die Beschäftigten und Selbstständigen bei notwendigen Qualifizierungen im Zuge der Transformation noch besser unterstützen.
Zusätzlich wollen wir das Rentenniveau langfristig sichern. Den Kern bildet dabei die Stabilisierung des gesetzlichen Rentenniveaus bei mindestens 48 Prozent. Davon profitieren Millionen heutiger Rentner*innen, aber vor allem diejenigen, die in Zukunft in Rente gehen. Eine Erhöhung der Abschläge soll es mit der SPD nicht geben. Gleichzeitig wollen wir den Anstieg der Beiträge zur Rentenversicherung begrenzen, indem wir mehr Menschen (u.a. Selbstständige, Beamt*innen etc.) in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Zur Sicherung des Rentenniveaus gehört auch der konsequente Ausbau der Betriebsrenten als dritte Säule des Rentensystems. Diese wollen wir über das Betriebsrentenstärkungsgesetz ausweiten und mit einer guten Beratung flankieren. Daneben muss die Grundrente gestärkt werden, die gerade für Menschen mit niedrigen Einkommen Sicherheit im Alter bietet. Einen weiteren Baustein hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht, indem sie das freiwillige längere Arbeiten im Alter für alle vorangebracht hat, die dies wünschen. Eine allein auf Renditeerwartung gestützte Ausweitung der Aktienrente bei dem der solidarische Gedanke in den Hintergrund tritt, lehnen wir ab.
Eine soziale Sicherung ist ohne eine Kindersicherung undenkbar. Zu viele Kinder leben derzeit in Armut. Zwar ist die Kindergrundsicherung in der Ampel gescheitert. Unsere Antwort darf jedoch nicht bei einer geringfügigen Kindergelderhöhung stehen bleiben. Vielmehr müssen die Existenzminima für Kinder im SGB II und XII spürbar erhöht werden. Kurzfristig sollte die Berücksichtigung des Kindergeldes im SGB II und SGB XII so gefasst werden, dass bei Kindergelderhöhungen stets sichergestellt ist, dass diese nicht zur Absenkung der bereits festgelegten Zahlbeträge führen. Es darf wie beim Kinderzuschlag keine Kürzungen im SGB II/XII-Bezug wegen einer Kindergelderhöhung geben. Auch bei der Reform des Unterhaltsvorschusses muss eine Verbesserung für Alleinerziehende und ihren Kindern herbeigeführt werden. Damit Familien längerfristig besser erreicht werden, bedarf es umfassender Vereinfachungen und Änderungsbereitschaft in allen relevanten Leistungssystemen. Deshalb wollen wir die Leistungen SGB II, Kinderzuschlag und Wohngeld langfristig zusammenfassen. Um die politische und kulturelle Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zu sichern, müssen die Bundesmittel für den Kinder- und Jugendplan des Bundes erhöht werden. Die Jugendverbände und -clubs sind eine zentrale Säule für die Teilhabe finanziell benachteiligter Kinder- und Jugendlicher.
Wir sehen die finanziellen Defizite der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung mit großer Sorge. Die erfolgten und weiter notwendigen Beitragsanhebungen stellen eine enorme finanzielle Belastung für Unternehmen wie Beschäftigte dar. Unser langfristiges Ziel ist es, die Basis der Einnahmen zu vergrößern, indem alle Menschen in Deutschland solidarisch in eine Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen – die Bürgerversicherung. Kurzfristig wollen wir die Kranken- und Pflegeversicherung durch zusätzliche Steuermittel entlasten, Leistungen unbürokratischer und effizienter gestalten, ohne die Versorgung für die Menschen zu verschlechtern.
Die mit der Einführung des Bürgergeldes eingeleitete Abkehr von Hartz IV war richtig. Wir werden gemeinsam die anhaltenden Angriffe auf dieses zentrale SPD-Projekt abwehren. Es braucht eine bessere finanzielle Ausstattung der Jobcenter für die effektive Betreuung und Weiterbildung von Menschen. Dabei achten wir darauf, dass der Sozialstaat keine einseitige Leistung darstellt. Unser Sozialstaat zeichnet sich durch Solidarität und Eigenverantwortung aus. Das Beispiel des Job-Turbos, um Geflüchtete in Arbeit zu bringen, unterstreicht dies sehr gut: Wir stehen in der Verantwortung, die Leistungen und die Unterstützung (z.B. durch ausreichende Kita-Plätze) der arbeitssuchenden Menschen besser zu verzahnen, sodass die Erfolgsquoten deutlich ansteigen.
5. Vielfalt, Zusammenhalt und Teilhabe für eine starke Demokratie
Wir sehen, dass sich neben der wirtschaftlichen auch die soziale Spaltung der Gesellschaft weiter verstärkt. Wir kämpfen für eine offene Gesellschaft, die Stärke aus ihrer Vielfalt zieht und jedem Menschen Respekt und Anerkennung entgegenbringt. Wir stellen uns gesellschaftlicher Spaltung, Diskriminierung, Hass und Hetze konsequent entgegen.
Die Zahl von Fällen digitaler Gewalt gegen Frauen ist zuletzt deutlich angestiegen. Fast täglich passiert ein Femizid in Deutschland. Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. Viele Frauen können ihren gewalttätigen Partner nicht verlassen, da sie keine Wohnung für sich und ihre Kinder finden. Frauenhäuser sind überlastet. Wir stehen in der Pflicht, die Istanbul-Konvention umzusetzen. Das Gewalthilfegesetz muss schnellstmöglich verabschiedet werden, um u.a. den Schutz in Frauenhäusern und Beratung für Betroffene abzusichern und auszubauen. Ein Rechtsanspruch auf Schutz vor Gewalt muss schnellstmöglich kommen.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern bleibt eine Aufgabe für alle Politikbereiche. Hierzu zählt auch der Zugang zu legalen, sicheren und wohnortnahen Schwangerschaftsabbrüchen. Daher fordern wir die Abschaffung des § 218 StGB. Reproduktive Rechte gehören nicht ins Strafrecht – daher wollen wir Fragen des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuchs regeln und die Versorgung stärken.
Mit der Ampelkoalition konnten wir eine Vielzahl Gesellschaftlicher Modernisierungen umsetzen,– etwa die Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche, das Verbot der “Gehsteigbelästigung”, die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts, die Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes und die Abschaffung des Blutspendeverbots für queere Menschen. Es bleiben jedoch noch viele Vorhaben offen, die wir in einer neuen Koalition umsetzen wollen.
Sorgearbeit ist unerlässlich für eine solidarische und inklusive Gesellschaft. Durch gezielte Maßnahmen wollen wir einen Beitrag dafür leisten, dass Familien mehr Zeit füreinander haben, Sorgearbeit gerechter verteilt werden kann und gerade Alleinerziehende besser unterstützt werden.
Wir stehen zu einer Modernisierung des Familienrechts, dass allen Familien in ihrer Vielfalt eine verlässliche und alltagstaugliche Absicherung garantiert. Dazu zählen u.a. eine Ausweitung des „kleinen Sorgerechts“ und die stärkere Berücksichtigung von Regenbogenfamilien. Hierzu muss das Abstammungsrecht schnellstmöglich modernisiert werden, sodass bei einem Kind, das in die Ehe zweier Frauen geboren wird, automatisch beide Mütter ohne vorheriges Adoptionsverfahren rechtliche Eltern sind. Auch außerhalb der Ehe muss die Anerkennung der Elternschaft geschlechtsunabhängig möglich sein.
Angesichts zunehmender queerfeindlicher Gewalt und gesellschaftlicher Rückschritte sind Sicherheit und Schutz vor Diskriminierung für die queeren Communities von immenser Bedeutung. Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes muss deshalb um ein explizites Diskriminierungsverbot wegen der geschlechtlichen und sexuellen Identität ergänzt werden. Darüber hinaus ist eine umfassende Strategie gegen Hassverbrechen, einschließlich besserer Datenerfassung, Sensibilisierung der Behörden und konsequenter Strafverfolgung queerfeindlicher Motive unabdingbar. Dazu gehören auch rechtliche Anpassungen, sowie eine verstärkte digitale Gewaltprävention. Auch eine bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung, einschließlich Kostenerstattung für geschlechtsangleichende Behandlungen durch die gesetzlichen Krankenversicherungen, muss ein klarer Bestandteil unserer Forderungen bleiben. Außerdem spielt die Frage der rechtlichen Gleichstellung und gesundheitlichen Versorgung bei der Wahl des Wohn- und Arbeitsortes bzw. -landes für viele eine nicht unwesentliche Rolle. Wir setzen uns dafür ein, alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens barrierefrei zu gestalten – vor allem bei der Mobilität, beim Wohnen, in der Gesundheit und im digitalen Bereich.
Angesichts zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung sind der Kampf gegen Rechtsextremismus und der Einsatz gegen Verschwörungsideologien wichtiger denn je. Deshalb wollen wir die Demokratieförderung und politische Bildung stärken und auf eine dauerhaft verlässliche Basis stellen. Deshalb setzen wir uns für die Verabschiedung eines Demokratieförderungsgesetzes ein. Rechtliche Instrumente gegen Hass im Netz und für die digitale Gewaltprävention wollen wir weiterentwickeln und effektiv gestalten.
6. Unsere äußere Sicherheit braucht ein starkes Europa
Europa und Deutschland sind mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine in einer neuen Realität aufgewacht. Olaf Scholz hat diese Zäsur als Zeitenwende bezeichnet. Deutschland muss für die eigene und europäische Sicherheit aufkommen, in Sicherheit und Verteidigung investieren, und unser Land und unser Wertesystem gegen Angriffe von außen verteidigen. Dazu gehört auch die Abwehr von Infiltration und Spionage zur Aneignung von geistigem Wissen und Eigentum aus Wissenschaft und Wirtschaft durch andere Staaten. Besonders perfide sind die immer häufiger stattfindenden Angriffe auf unsere Demokratie durch Fake News, Propaganda und Hass sowie die Unterstützung populistischer Parteien.
Zeitenwende Politik bedeutet daher die Stärkung der Demokratie, ihrer Institutionen und ihrer Diskursräume für demokratische Debatten. Ebenso erfordert es umfangreiche Investitionen von Staat und Wirtschaft in Cybersecurity und resiliente Lieferketten, die verhindern, dass die deutsche Wirtschaft nochmals in ähnliche Abhängigkeiten gerät, wie dies für russisches Erdgas galt. Dabei sind insbesondere wichtige Rohstoffe und die Rolle Chinas in den Rohstofflieferketten zu überdenken.
Olaf Scholz und die Bundesregierung haben immer verdeutlicht, dass sie vollständig und vorbehaltlos hinter der Ukraine stehen. Darum hat Deutschland die Ukraine militärisch, humanitär und wirtschaftlich, wie kaum ein anderes Land unterstützt. Diesen zielgerichteten und abgewogenen Kurs unterstützen wir sehr. Auch hat die deutsche und europäische Gesellschaft eine große Zahl ukrainischer Flüchtlinge aufgenommen und Solidarität gezeigt. Andererseits hat der Bundeskanzler sein Handeln kontinuierlich an drei Kriterien festgemacht: So darf die NATO nicht zur Kriegspartei werden, die eigene Verteidigungsfähigkeit sollte zu jeder Zeit gewahrt bleiben und das Vorgehen Deutschlands geschieht in stetiger Absprache mit den Verbündeten. Nach 1.000 Tagen völkerrechtswidrigem Krieg und zahllosen russischen Kriegsverbrechen sowie einem kontinuierlichen Vorrücken der russischen Armee aufgrund Geräte- und Munitionsmangel der ukrainischen Verteidiger sowie der Internationalisierung des Krieges durch den Einsatz nordkoreanischer Soldaten ist klar, dass unsere Unterstützung angepasst werden muss. Es ist im europäischen und deutschen Interesse, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland nicht verliert. Die Bestände der Bundeswehr und Nachschub für die Ukraine müssen durch stark beschleunigte Beschaffung aufgefüllt werden.
Der Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident wird voraussichtlich einen tiefen Einschnitt in der gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bedeuten und Europa vor neue Herausforderungen stellen. Die nationalistische Trump-Administration wird die internationale Solidarität erneut vernachlässigen. Für Europa hat dies weitreichende Konsequenzen: Die Europäer werden die Hauptlast für die Unterstützung der Ukraine, die Sicherheit des Kontinents und die Stabilität der Nachbarschaft tragen müssen.
Europa und die künftige Bundesregierung muss in Abstimmung mit den internationalen Partnern und Verbündeten seine konventionelle Abschreckungsfähigkeit herstellen und die Verteidigungsausgaben erhöhen. Aufgrund unserer Bündnisverpflichtungen und unseren eigenen Sicherheitsinteresse, werden wir das 2-Prozent-Ziel einhalten und wenn nötig überschreiten. Die Ukraineunterstützung soll deshalb mit einer Ausweitung des Sondervermögens einhergehen.
7. Unsere Zukunftsinvestitionen brauchen größere haushalterische Spielräume
Die KfW hat 2023 die transformationsbedingten Zusatzinvestitionen auf 5 Billionen Euro bis 2045 beziffert. Rund 20% davon müssten gerade bei der Erneuerung oder dem Aufbau von Infrastrukturen von der öffentlichen Hand geleistet werden. Auch die Kosten der Sicherheit und Verteidigung steigen.
Wer resiliente Lieferketten und ein Netzwerk von Partnern Deutschlands in der Welt will, muss die Zusammenarbeit in der Welt ausbauen und in diese Partnerländer investieren, wofür es eine Stärkung des Budgets für die Entwicklungszusammenarbeit braucht. Die Stärkung des deutschen und europäischen Standorts im Wettbewerb und ein drohender Handelskrieg zwischen China und den USA wird erfordern, dass wir im Wettbewerb um Standortbedingungen und Industriepolitik mithalten und dem Inflation Reduction Act vergleichbare, wirksame Programme auflegen.
Vor uns liegen Zeiten, in denen der Staat als aktiver und investierender Akteur, als Garant der Infrastrukturen und als Motivator privater Zukunftsinvestitionen eine viel umfangreichere Rolle spielen wird als in den vergangenen Jahrzehnten.
Wir sagen: Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache. Daher ist es für uns ein untragbarer Zustand, dass Deutschland zu den ungleichsten Gesellschaften im Euroraum zählt. So ist das sich in Deutschland befindende Vermögen enorm hoch, jedoch gleichzeitig extrem ungerecht verteilt. Nach aktuellen Zahlen besitzen die wohlhabendsten zehn Prozent der Gesellschaft ca. 60 Prozent des Gesamtvermögens, während die vermögensschwächere Hälfte der Gesellschaft lediglich 2,3 Prozent des Gesamtvermögens besitzen.
Wir sagen auch, die Erneuerung unserer Infrastruktur und die Investition in eine klimaneutrale Gesellschaft sind Leistungen, die wir auch für nachfolgende Generationen erbringen. Darum ist es generationsgerecht, wenn wir aktuell der Gesellschaft die ökonomische und kulturelle Dimension der Transformation zumuten, die Refinanzierung aber zumindest teilweise, wie vom Institut der Deutschen Wirtschaft vorgeschlagen, in die Zeit nach 2045 verschieben.
Zwar können auch unter dem Rechtsrahmen der aktuellen Schuldenbremse schon heute Programme zur Transformation im Rahmen von Sondervermögen auf Darlehens- statt Zuschussbasis aufgesetzt werden. Hiervon sollte auch die nächste Bundesregierung stärker Gebrauch machen. Dennoch bleibt die Abschaffung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse ein zentraler Beitrag zu Generationengerechtigkeit und zur Erhaltung des deutschen und europäischen Wirtschaftsstandorts. Wir werden uns deshalb für ihre Abschaffung einsetzen. Solange die Schuldenbremse besteht, muss insbesondere die Unterstützung der Ukraine hilfsweise außerhalb oder als Ausnahme von der derzeitigen Schuldenbremse abgesichert werden. Teil einer solchen Finanzpolitik müssen aber auch Transaktionskredite, KfW oder EIB basierten Programme, und die Instrumente der europäisch solidarischen Finanzierung wie dies beim ESM oder eine anzustrebenden Fiskal- und Bankenunion der Fall ist, sein. Die Möglichkeiten neuer Finanzierungsinstrumente wie gemeinsame Eurobonds zur Finanzierung von Sicherheits- und Verteidigungspolitischen Maßnahmen sollten vorangetrieben werden.
Eine faire Lastenverteilung setzt auch eine Steuerreform voraus. Darum wollen wir eine grundlegende Reform der Einkommenssteuer. Unser Ziel ist es, dass die große Mehrheit von 95% der Steuerzahlenden entlastet wird und nur das höchste 1 Prozent der Einkommen stärker in die Verantwortung genommen wird. Im Rahmen der Erbschafts- und Schenkungssteuer sehen wir ebenfalls großen Reformbedarf, da über diesem Wege weitreichend die aktuell ungerechten Vermögensverhältnisse in der Gesellschaft verfestigt werden. Hierzu müssen auch Erbschaften und Schenkungen progressiv besteuert werden. Es war Olaf Scholz der zur Stärkung der globalen Solidarität und für den Aufbau eines weltweit gerechteren Steuersystems eine globale Mindestbesteuerung umgesetzt hat. Den Weg zur globalen Steuergerechtigkeit wollen wir nun mit einer globalen Vermögenssteuer für Milliardäre – wie sie von Svenja Schulz und ihren südafrikanischen Amtskollegen vorgeschlagen wurde – fortsetzen. Diese sozial ausgewogene Reform wird den Menschen in unserem Land mehr finanziellen Spielraum geben, die Kaufkraft stärken und die Steuerzahler insgesamt entlasten. Damit kurbeln wir die Wirtschaft aus der breiten Mitte der Gesellschaft an.
Und deshalb gilt: Deutschland hat die Wahl!
Die Bevölkerung muss entscheiden, wie das Land und die Gesellschaft in einem radikal veränderten Umfeld Gestaltungsmacht zurückgewinnen können. Zur Wahl stehen unterschiedliche Gesellschafts- und Wirtschaftsmodelle.
Um den populistischen Herausforderungen entgegenzutreten, ist es wichtig, den Bürger*innen klar zu sagen, was auf sie zukommt und was das für uns alle bedeutet. Die große Mehrheit der Bevölkerung hat längst verstanden, dass Veränderungen anstehen. Sie haben aber die Befürchtung, dass es am Ende die arbeitenden Menschen sowie diejenigen ohne Einkommen und Vermögen sein werden, die die Kosten zu tragen haben. Das ist die Grundstimmung, auf der die Populisten mobilisieren. Hier müssen wir ansetzen. Für eine Politik der Breite der Gesellschaft.
Am 23. Februar 2025 entscheidet sich, ob Deutschland eine Regierung erhält, die sich den Zukunftsaufgaben stellt, ohne dabei Verteilungskonflikte gegen Menschen mit unterem und mittlerem Einkommen auszulösen Es entscheidet sich, ob wir uns für eine Stärkung unserer Demokratie einsetzen. Wir sind sicher, eine solche Regierung muss von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten geführt werden. Darum werden wir in den kommenden Wochen unsere gesamte Kraft einsetzen, um hierfür zu kämpfen.