Landesvorstand: Das Land Berlin soll Mittel für Geflüchtete aus der Ukraine sicher­stellen und Menschen­leben schützen

Beschluss des SPD-Landesvorstands vom 15.3.2022:

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine fordert vielfaches menschliches Leid und zahlreiche Todesopfer. Schon jetzt sind hunderttausende Menschen auf der Flucht in die Nachbarstaaten und die EU. Wir fordern die Bundesregierung dazu auf sich in der EU für eine schnelle und unbürokratische Hilfe für die Geflüchteten aus der Ukraine einzusetzen. Hierfür ist es unerlässlich, dass der Mechanismus der Massenzustrom-Richtlinie sofort aktiviert wird. Um die Umsetzung der EU-Richtline schnell in Deutschland voranzubringen, muss die Richtlinie in Deutschland nach §24 für alle unten genannten Personengruppen erfolgen. Hierdurch würde der Mechanismus der Massenzustrom-Richtlinie schnell auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Sofern sich die EU-Staaten nicht mehrheitlich auf die Aktivierung der Massenzustrom-Richtlinie einigen können, möge die Bundesregierung dennoch ein Bundesaufnahmeprogramm beschließen, damit schnell und unbürokratisch den Menschen aus dem Kriegsgebiet geholfen werden kann.

Das Land Berlin soll Geflüchtete im gesamten Stadtgebiet aus dem aktuellen Kriegsgebiet der Ukraine in Berlin aufnehmen und uns als Land jetzt darauf finanziell und organisatorisch vorbereiten, sodass genügend Wohnkapazitäten für Menschen zur Verfügung stehen. In den Bezirken müssen jetzt alle Vorbereitungen getroffen werden, um mehr als die bisher erwartete Anzahl von 20.000 Geflüchteten aus der Ukraine aufzunehmen. Außerdem fordern wir Unterstützung für unsere osteuropäischen Nachbarstaaten bei dem Transport der ankommenden Geflüchteten.

Wir fordern die SPD-Mitglieder der Bundesregierung und die SPD-Bundestagsfraktion dazu auf:

  • weiterhin die Zulassung der Grenzüberschreitung in die EU von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit zu gewährleisten;
  • die Gewährung eines Studierendenvisa für die flüchtenden Studierenden aus Drittstatten in der Bundesrepublik;
  • die Rechte aller Geflüchteten achten, die Zuflucht in der EU suchen. Push-Backs und rassistische Diskriminierung an der EU-Außengrenze müssen sofort beendet werden
  • Gleichstellung aller vor dem 24.2.2022 nach Deutschland gekommenen Ukrainer:innen mit den nach Kriegsbeginn geflohenen Menschen;
  • in Ergänzung zum EU-Ratsbeschluss die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus Drittstaaten, die weder eine ukrainische Staatsbürgerschaft haben noch eine EU-Staatsbürgerschaft, unabhängig von einer möglichen „sicheren und dauerhaften“ Rückkehroption ins Herkunftsland zu ermöglichen.

Zudem fordern wir eine zügige Versorgung und Aufnahme von Studierenden ukrainischer Universitäten aus Staaten, die nicht der EU angehören.

Weiterhin fordern wir, dass Berlin ausreichend Sprachmittler:innen und Ressourcen für Sprachkurse für die alltägliche Unterstützung der Geflüchteten zur Verfügung stellt. Bei der Wohnungssituation fordern wir, dass kreative Möglichkeiten geschaffen werden, die zunächst einmal einen Übergangswohnraum schaffen für Menschen, die sonst keine Bleibe hätten. Dabei soll nur im äußersten Notfall auf Sammelunterkünfte (keine Turnhallen) zurückgegriffen werden. Für die Geflüchteten muss zudem ausreichend Zugang zu Beratung, zu Behördengängen und Gesundheitsdienstleistungen bereitgestellt werden.

Sichere Schutzräume für alle vulnerablen Gruppen

Idealerweise werden entweder MUFs (Modulare Unterkünfte) oder angemietete Hostels als Ersatz für Sammelunterkünfte eingesetzt. Wir fordern zudem den Schutz der Familien und geschlechtsspezifische Zugänge in den Unterkünften. Dabei sollten auch die Bedürfnisse geflüchteter Frauen und Familien mit Kindern und Menschen mit Behinderungen sichergestellt werden (d.h: sichere Wohneinheiten mit abschließbaren Einzelzimmern). Das Wachpersonal in den Unterkünften muss gemischt geschlechtlich besetzt werden. In den Unterkünften, sowie zentral, soll es zudem Ansprechpartner:innen bei fremdenfeindlichen Handlungen, Rassismus und sexueller Gewalt geben. Zudem sollen Freiwillige, Mitarbeiter*innen der Unterkünfte, der betreffenden Behörden und auch des Wachpersonals zu antislawischem Rassismus aufgeklärt werden in Form von Handreichungen und methodischen Kursen.

Auch der Schutz queerer Menschen ist sehr wichtig. Dabei ist es notwendig, Schutzräume zu schaffen, indem ihnen gesonderte Wohnräume zur Verfügung gestellt werden. Weiterhin muss es Zugang zu Ansprechpersonen geben, an die sich queere Geflüchtete wenden können, wenn sie Diskriminierung erfahren oder besondere Hilfe in der Verarbeitung ihrer Fluchterfahrung brauchen. Da queere Menschen häufig besonders isoliert nach ihrer Flucht sind, weil sie aus ihren Schutzräumen und Communities gerissen und von ihren Wahlfamilien getrennt wurden, müssen queere Vereine finanziell und personell unterstützt werden, um besser helfen zu können und neue Schutzräume zu schaffen.

Außerdem soll angeregt werden, einen Faktenchecker auf mehreren Sprachen zu entwickeln, der Falschinformationen (Fake News) untersucht und aufklärt.

Die medizinische Versorgung, Tests und die psychologische Beratung müssen in der jeweiligen Landessprache gewährleistet sein, damit sich die Menschen gut zurechtfinden und die Abläufe verstehen. Die Mittel für psychosoziale Betreuung – vor allem von Kindern – müssen erhöht werden.

Zugang zu Bildung und beschleunigter Arbeitsmarkteintritt

Kinder und Jugendliche sollen einen schnellen Zugang zu Bildung und Vermittlungsstellen erhalten. Schulpflichtige Kinder und Kitakinder sollen in Willkommensklassen untergebracht werden. In jedem Bezirk sollen in Kindertagesstätten Kontingente für geflüchtete Kinder bereitgehalten werden. Die ukrainische Community in Berlin soll bei dem Integrationsprozess begleiten und unterstützen. Darüber hinaus können private Netzwerke und Plattformen oder Freiwilligenagenturen zur Vernetzung dienen, ehrenamtliche Helfer:innen und Organisationen zu verbinden.  Darüber hinaus fordern wir eine bessere finanzielle Ausgestaltung von Patenschafts- und Mentoringprogrammen zur Unterstützung Geflüchteter.

Überdies soll es für Menschen aus der Ukraine einen beschleunigten und unkomplizierten Zugang zum Arbeitsmarkt geben, sodass sie schnell in Jobs kommen und unabhängig sein können. Ebenso sollen private Geflüchteten-Initiativen dabei unterstützt werden, Menschen aus der Ukraine zu helfen. Zusätzlich sollen die deutschen Behörden sich darauf vorbereiten, dass auch die ukrainischen Abschlüsse und Zeugnisse in Deutschland und der EU anerkannt werden.

Das Vorgehen muss eng mit dem Bundesland Brandenburg abgestimmt werden.

Begründung:

Russland hat am 24. Februar die Ukraine erneut angegriffen und damit einen Krieg in Gang gesetzt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass viele Menschen aus der Ukraine aus Angst um Leib und Leben ins EU-Ausland flüchten. Wir wollen als SPD Berlin dafür sorgen, dass diese Menschen versorgt und untergebracht werden und Schutz vor dem Krieg in ihrer Heimat suchen können.

Aus diesem Grund sollte sich das Land Berlin jetzt darauf vorbereiten, dass in nächster Zeit Menschen in Berlin ankommen, die diesen Schutz ersuchen werden. Es ist deshalb wichtig, dass finanzielle und organisatorische Ressourcen für Unterbringung und Versorgung bereitgestellt werden, um hier solidarisch zu sein und den Geflüchteten ganzheitlich, langfristig und unbürokratisch zu helfen.

Es ist die Aufgabe der gesamten EU, den Geflüchteten Zuflucht zu bieten. Deutschland und viele andere Staaten der EU haben bereits Hilfe und Unterkünfte zugesagt. Es braucht für die Schutzsuchenden aber auch die rechtlichen Voraussetzungen. Aktuell dürfen Ukrainer drei Monate visumfrei in Deutschland bleiben. Für einen längeren Aufenthalt müssen sie ein Visum beantragen, was sehr viel Zeit und Mühen in Anspruch nimmt aber auch aktuell bei der Deutschen Botschaft gar nicht möglich ist. Eine andere Möglichkeit wäre internationalen Schutz nach dem Asylgesetz zu beantragen. Dies erfordert aber eine langwidrige Einzelfallprüfung, in deren Zeitraum die Menschen Ungewissheit über ihren Verbleib ausgesetzt sind. Vor diesem Hintergrund existiert bereits ein besonderer Rechtsrahmen auf EU-Ebene. Durch die sogenannte Massenzustrom-Richtlinie erhalten die Menschen aus der Ukraine einen vorübergehenden Schutz für bis zu drei Jahre, ohne eine Einzelfallprüfung. Hierdurch wird das Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitel wesentlich beschleunigt.

Der Ratsbeschluss enthält aber, anders als der vorherige Kommissionsentwurf, keine Vorgaben zum Schutzstatus für Drittstaatsangehörige, sofern diese „sicher und dauerhaft“ in ihre Heimatländer zurückkehren könnten. Diese Unterscheidung würde komplizierte Einzelfallprüfungen nach sich ziehen und dem politischen Anspruch, vor dem Krieg geflohenen Menschen unabhängig vom Pass Zuflucht zu bieten, nicht gerecht werden.