Beschluss des SPD-Landesvorstands vom 17.2.2025:
Berlin muss zu einem bundesweit führenden Ausbildungsstandort werden. Die wirtschaftliche Zukunft Berlins und eine Perspektive für alle Jugendlichen in Berlin braucht gute und ausreichende Ausbildungsmöglichkeiten und für Auszubildenden als auch Betrieben beste Rahmenbedingungen. Die Umsetzung der folgenden Maßnahmen wird nicht nur die Attraktivität der Ausbildungsangebote steigern, sondern auch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Berlins nachhaltig fördern. Eine abgeschlossene Ausbildung ist der Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben, gute Arbeit und berufliche Weiterentwicklung.
Hintergrund
Deutschland hat auch aufgrund der dualen Ausbildung eine der niedrigsten Jugenderwerbslosenquoten in der Europäischen Union. Die Kombination zwischen betrieblicher und schulischer Ausbildung hat sich seit Jahrzehnten bewährt. Dabei tragen Unternehmen und Staat eine gemeinsame Verantwortung für die Finanzierung und Durchführung von dualer Ausbildung. Jedoch gibt es aktuell viele Herausforderungen in der dualen Ausbildung durch die demographischen Veränderungen und den schnellen gesellschaftlichen Wandel. Berlin ist seit Jahren bundesweites Schlusslicht bei der Angebots-Nachfrage-Relation für betriebliche Ausbildungsplätze und hat eine zu niedrige Ausbildungsbetriebsquote. Zu wenige Betriebe bilden in Berlin aus, darunter auch Betriebe, die ausbilden könnten. Auf betrieblicher Ebene stellen neben Passungsproblemen auch hohe Vertragslösungsquoten, unterschiedliche Erwartungen von Betrieben und Jugendlichen, Veränderungen in der Zusammensetzung der Zielgruppe, Konkurrenzen zu anderen Ausbildungsformen und ein unzureichendes betriebliches Ausbildungsplatzangebot zentrale Herausforderungen dar.
Berlin muss sich diesen Herausforderungen stellen und seine Potenziale besser nutzen, denn Berlin hat dabei das Potenzial, ein führender Ausbildungsstandort auch im Bereich der dualen Ausbildung in Deutschland zu werden. Um dies zu erreichen, unterstützen wir alle Aktivitäten der Partner der Berufsbildung auf Bundesebene zur Stärkung und Modernisierung der die berufliche Erstausbildung. Gleichzeitig sind attraktive Rahmenbedingungen erforderlich, um sowohl Auszubildende als auch Betriebe langfristig zu binden.
Im Sinne der gemeinsamen Finanzierungsverantwortung bekräftigen wir – gemäß des Koalitionsvertrages und der Beschlüsse der Berliner SPD – die Notwendigkeit einer Ausbildungsplatzumlage zur Erhöhung des Angebots an betrieblichen Ausbildungsplätzen in Berlin und fordern alle sozialdemokratischen Mitglieder des Senats und die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus auf, die Grundlagen für eine zügige Umsetzung zu schaffen, wenn die im Bündnis für Ausbildung vereinbarten zusätzlichen 2.000 betrieblichen Ausbildungsverträge nicht erreicht werden.
So besteht gerade in der Ausbildungsplatzumlage die große Chance und auch Notwendigkeit, Ausbildungsbetriebe, wie auch die Qualität ihrer Ausbildung langfristig zu stärken. Damit wird auch die Attraktivität der dualen Ausbildung langfristig gesteigert. Den Erfolg dieser Umlagesysteme zeigt sich gerade bei den schon bestehenden Ausbildungsumlagen, vom Bauhauptgewerbe, über den Garten- und Landschaftsbau, bis zu Pflegeausbildung. Davon profitiert letztlich nicht nur der einzelne Ausbildungsbetrieb, sondern weit darüber hinaus, die gesamte Wirtschaft und damit auch das Land Berlin.
So soll die duale Ausbildung für diejenigen zugänglich werden, die bisher nicht ausreichend erreicht wurden. Inzwischen ist in vielen Bereichen die Ausbildung so komplex, dass die Verbundausbildung (insbesondere im gewerblichen und technischen Bereich) ein zentrales Instrument ist, um die duale Ausbildung zukunftsfähig zu machen. Viele Berliner Unternehmen sind auf die Verbundausbildung angewiesen.
Hohe Qualität der betrieblichen Ausbildung gewährleisten
Aufgrund der in Berlin sehr ausgeprägten klein- und mittelständischen Unternehmensstruktur brauchen ausbildende Betriebe zur Sicherung einer hohen Ausbildungsqualität passende Unterstützungsangebote. Das in Berlin erfolgreiche Modell der Verbundausbildung (unterstützt durch die Richtlinienförderung des Landes Berlin) unterstützt insbesondere im gewerblich-technischen Bereich genauso wie die Verbundberatung ausbildende Betriebe bei der hochwertigen Vermittlung aller relevanten Ausbildungsinhalte. Hier muss auch in Zeiten knapper Kassen eine Finanzierung durch das Land Berlin sichergestellt werden, ebenso wie die Angebote der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung (ÜLU) im Handwerk weiterhin durch Bundes- und Landesmittel unterstützt werden müssen. Um diese Angebote aber weiter zu stärken und die Ausbildungsbetriebe besser zu entlasten, muss auch eine Finanzierung durch die Ausbildungsumlage geprüft und wenn möglich, eingeführt werden.
Die Betriebe haben die Verantwortung für die Aus- und Weiterbildung der Ausbilder:innen, um das Ausbildungsniveau halten zu können. Gerade kleine Betriebe dürfen dabei nicht allein gelassen werden. Eine solche Ausbildungsqualität verursacht Kosten für die Betriebe, die nicht allein durch das Land Berlin ausgeglichen werden können.
Darüber hinaus ist eine enge sozialpädagogische Betreuung der Auszubildenden sicherzustellen, sowohl in den Berufsschulen als auch in den Betrieben. Hierzu sollen die entsprechenden Beratungsangebote ausgebaut und in eine solidarische Finanzierung eingebunden werden.
Die zügige Umsetzung des umlagebasierten Ausbildungsfonds ist eine zentrale Voraussetzung für die auskömmliche Finanzierung dieser Maßnahmen.
Zusammenarbeit mit den Berufsschulen ausbauen
Die Qualität der Ausbildung wird durch eine modernisierte technische Ausstattung an den Berufsschulen ergänzt und regelmäßig erneuert. Alle Schüler:innen sollen in Berufsschule und Betrieb Zugang zu aktuellen Endgeräten, Software und Schulungen in Hard- und Software erhalten. Die Kosten für die Endgeräte müssen die Betriebe als Arbeitsmittel übernehmen. Dazu zählen Maßnahmen wie die Ausleihe moderner Geräte, regelmäßige Aktualisierung der Software sowie verpflichtende Schulungen für Lehrkräfte und Ausbilder:innen. Dabei muss sichergestellt werden, dass die Schüler:innen auch an den Endgeräten bzw. mit der Software lernen, die sie dann später im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit nutzen. Auszubildende mit Behinderungen brauchen Zugang zu entsprechenden Geräten, Hilfsmitteln, Unterstützungen und angemessenen Vorkehrungen, die ihnen die Teilnahme an der Ausbildung den Lernorten Betrieb und Berufsschule ermöglichen.
Die Zusammenarbeit zwischen den Lernorten Berufsschulen und Betrieben wird intensiviert, um einen gelungenen Wissenstransfer zu gewährleisten und eine gute Lernatmosphäre zu schaffen, wofür Ausbilder:innen und Lehrkräfte entsprechend Zeit bekommen müssen. Durch den gezielten Einsatz digitaler Anwendungen soll das Spektrum der inhaltlichen Vermittlungsformen an den Berufsschulen zusätzlich erweitert werden.
Ausbildungsbegleitende Sprachkurse in den Ausbildungsplan eingebettet werden und niedrigschwellig ohne zusätzlichen Zeitaufwand in der Berufsschule erreichbar sein. Darüber hinaus werden weitere sozial-psychologische Betreuungsangebote geschaffen, die bei Bedarf niedrigschwellig in Anspruch genommen werden können. Eine Unterstützung der Auszubildenden in dieser Form stellt sicher, dass diese eine optimale Förderung und damit einen qualifizierten Berufsabschluss erhalten können.
Die Berliner Schulbauoffensive wird fortgeführt, um den baulichen Zustand, die Ausstattung und Barrierefreiheit von Berufsschulen zu verbessern und die für die Ausbildung erforderliche moderne Infrastruktur bereitzustellen. Auch dafür ist die Anhebung des Kreditdeckels der HOWOGE im Rahmen der Berliner Schulbauoffensive (BSO) zwingend erforderlich.
Die personelle Ausstattung der Oberstufenzentren (OSZ) wird durch Ausweitung der Aus- und Weiterbildung der Berufsschullehrer:innen in Zusammenarbeit mit den Berliner Hochschul- und Weiterbildungsinstitutionen gewährleistet.
Mehr Unterstützung für Auszubildende: Azubiwerk, bezahlbaren Wohnraum und Beratungsangebote schaffen
Das geplante Berliner Ausbildungswerk wird zügig umgesetzt, um mehr bezahlbaren Wohnraum für Azubis etwa durch Azubi-Wohnheime, zu schaffen, sowie eine altersgerechte Betreuung, zum Beispiel durch Sozialarbeiter:innen in Auszubildendenwohnheimen, einzurichten.
Darüber hinaus soll eine soziale und berufliche Unterstützung aus einer Hand für Auszubildende angeboten werden. Hier sollen die bestehenden Beratungsangebote bei den Gewerkschaften, Kammern oder auch der Jugendberufsagentur besser vernetzt und gegebenenfalls ergänzt werden. Gleichzeitig prüft das Land Berlin welche unabhängigen Beratungsangebote noch fehlen, die Auszubildende bei Themen wie Arbeitsrecht und Arbeits- und Gesundheitsschutz unterstützen. Doppelstrukturen sollen vermieden werden.
Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen muss u.a. dadurch bewältigt werden, dass Förderprogramme, bspw. das Programm: „Junges Wohnen“, stärker zur Finanzierung von Wohnungsbaumaßnahmen genutzt und dass die Betriebe, gerade die Beteiligungsunternehmen des Landes, zur Schaffung von Wohnungen für Mitarbeiter:innen auch für Auszubildende verpflichtet werden.
Um Auszubildende finanziell zu entlasten, werden die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats sowie die SPD-Fraktion aufgefordert, sich gemeinsam mit dem Land Brandenburg für die Einführung eines Deutschlandtickets Azubi einzusetzen, wie es zwischen den Sozialpartnern bereits Konsens ist.
Mitbestimmungsrechte und Arbeitsschutz stärken
Die Demokratiebildung wird durch die Vermittlung verpflichtender Inhalte zu den Grundlagen betrieblicher Mitbestimmung, demokratischer Prinzipien und des Grundgesetzes gefördert. Dabei handelt es sich um eine Querschnittsaufgabe, die in den Lehrplänen zu sichern und auch haushälterisch mit den notwendigen Finanzmitteln zu unterlegen ist. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften. Praktisch umgesetzt werden soll dies in Form von „Demokratie-Wochen“. Während dieser sollen alle Fächer und Aktivitäten das Thema aufgreifen und Schüler:innen auf die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung vorbereiten. Praktische Lebenshilfen, wie der Umgang mit Bürokratie, werden ebenfalls in die Lehrpläne integriert.
Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass Auszubildenden ihr Streikrecht ohne Nachteile für sie in den Zeiten der Berufsschule nutzen können. Wir fordern die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus und die sozialdemokratischen Mitglieder des Senats auf, sich für Regelungen einzusetzen, mit den Auszubildende ihr Streikrecht genauso wie alle anderen Arbeitnehmer*innen auch zu Berufsschulzeiten ausüben können.
Zum Schutz von Auszubildenden vor Mobbing und Diskriminierung am Arbeitsplatz werden Betriebe und Behörden stärker sensibilisiert. Dies umfasst verpflichtende Schulungen für Führungskräfte und Mitarbeitende. Zur Förderung der psychischen Gesundheit werden unabhängige Beratungsstellen und anonyme Meldestellen an Berufsschulen geschaffen. In diesem Rahmen muss es auch unabhängige Beratungsangebote für von Diskriminierung betroffenen Menschen geben. Auszubildende erhalten die Möglichkeit, ihre Ausbildungszeit bei familiären oder persönlichen Belastungen flexibel zu verlängern. Die auch bisher mögliche Teilzeitausbildung wird bisher kaum in Anspruch genommen. Eine Verbesserungsmöglichkeit ist hier insbesondere ein Anspruch, Prüfungen wiederholen zu können.
Es müssen Organisationen gestärkt werden, die Druck auf Arbeitgeber:innen zur Sicherstellung von Arbeits- und Gesundheitsschutz ausüben können. Allgemeinbildende und berufsbildende Schulen sollen, mit Berufsgenossenschaften und Unfallkassen Gesundheitstage und andere Veranstaltungen zur Aufklärung durchzuführen.
Die Jugend- und Auszubildendenvertretungen (JAV) sind die gelebte Form der Mitbestimmung im Betrieb und in der Dienststelle. Die JAV setzt sich für eine bessere Ausbildungsqualität und die Durchsetzung der Interessen aller Auszubildenden und Nachwuchskräfte ein. Das Land Berlin ist selbst Ausbildende*r, doch nicht in jeder Dienststelle existiert eine JAV, und nicht in jeder Dienststelle wird die Tätigkeit der JAV anerkannt und wertgeschätzt. Die Mitglieder der JAV führen ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus, und das oftmals neben ihrer eigenen beruflichen Tätigkeit. Hierfür benötigen sie die notwendigen Grundlagenkenntnisse des juristischen Handwerks des Berliner Personalvertretungsrechts, die sie in Seminaren und Fachtagungen erwerben. Wir fordern daher, dass das Land Berlin, wo es selbst als Ausbildende*r fungiert, auf die Bildung einer JAV hinwirkt, und lehnen jegliche Versagung von Seminaren und Fachtagungen aufgrund der Einsparungen im Berliner Landeshaushalt ab. Hierdurch kann die Ausbildungsqualität und die Mitbestimmungsstrukturen im Berliner öffentlichen Dienst gestärkt werden.
Gezielter Ausgleich und Förderung durch Landesausbildungsprogramme
Ausbildung ist grundsätzlich eine Aufgabe der Unternehmen. Damit bilden sie die von ihnen benötigten Fachkräfte zur Sicherung ihrer Zukunftsfähigkeit aus. Deshalb müssen sie ein ureigenes Interesse an einem ausreichenden Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen haben. Im Interesse der Jugendlichen, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden haben, bieten die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der Ausbildungsgarantie und das Land Berlin mit Programmen wie dem Berliner Ausbildungsplatzprogramm (BAPP) oder dem Berliner Ausbildungsmodell (BAM) nachrangige Ausbildungsmöglichkeiten an. Ziel ist es, junge Menschen mit Benachteiligungen am Ausbildungsmarkt passgenau zu unterstützen, damit diese die Möglichkeit haben, erfolgreich einen Berufsabschluss zu erlangen.
Die duale Ausbildung muss in allen Bereichen inklusiv ausgestaltet werden. Die duale Ausbildung ist der Schlüssel, um jungen Menschen den Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Das Land Berlin soll eine Bildungsstrategie für Chancengleichheit und Qualitätssicherung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung entwickeln. Zudem wird sich das Land dafür einsetzen, dass das BAföG bzw. die BAföG-Leistungen umfassend für Auszubildende ausgebaut wird.
Die Vermittlung von Informationen über die duale Ausbildung allgemein und die verschiedenen Ausbildungsberufe an junge Menschen muss verbessert und bestehende Informationsangebote ausgeweitet werden. Dafür muss sichergestellt werden, dass Schüler:innen früher im Rahmen ihrer Schulzeit an den allgemeinbildenden Schulen darüber informiert und aufgeklärt werden. Dazu sollen umfangreiche Informationskampagnen an den allgemeinbildenden Schulen durchgeführt werden. Zudem soll das Land Berlin mehr eigene und damit unabhängige Ausbildungsmessen organisieren und durchführen.
Das Recht auf Arbeit, gleicher Lohn und freie Berufswahl ist ein Menschenrecht (UN BRK). Es muss sichergestellt werden, dass Auszubildende aus anderen Ländern mit geringen Sprachkenntnissen nicht ausgenutzt werden. Vielmehr muss auch in diesen Fällen eine qualitative Ausbildung durch das Unternehmen im Vordergrund stehen.