Beschluss des SPD-Landesvorstands vom 4.11.2024:
Die SPD hat die Berliner Finanz- und Haushaltspolitik der letzten Jahrzehnte erfolgreich geprägt.
Wir Sozialdemokrat*innen haben mit unserer Finanzpolitik dafür gesorgt, dass Berlin in finanziell besseres Fahrwasser kommt, indem wir konsolidiert und investiert haben. Diese Politik wollen wir fortführen.
Von der Pandemie bis zur Wandlung der Stadt in Hauptankunftsanker für Geflüchtete aus der Ukraine sowie den energiepolitischen Auswirkungen des Krieges Russlands gegen die Ukraine bis hin zur Inflationskrise: Dies hat Berlin finanzpolitisch vor große Herausforderungen gestellt und gezeigt, wie wichtig ein handlungsfähiger und krisenfester Staat ist. Gerade in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation glauben wir an kluge, zukunftsgerichtete Investitionen. Mit der SPD wird es deshalb auch weiterhin kein reines „Heraussparen“ aus der Krise geben. Stattdessen ist unsere Antwort auf diese Herausforderung kluges Konsolidieren und ein Jahrzehnt der Investition in Innovationen.
Gleichwohl müssen wir feststellen, dass es in den vergangenen Jahren nicht gelungen ist, die hohen Ausgaben zurückzuführen. Der Doppelhaushalt 2024/2025 und künftige Haushalte des Landes Berlin sind starken zusätzlichen Belastungen ausgesetzt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Sondervermögen, nicht erfüllte Hoffnungen auf steuerliche Mehreinnahmen sowie eine zunehmende wirtschaftliche Eintrübung erschweren die Bemühungen zur Herstellung eines verfassungskonformen Haushalts.
Es bleibt dabei trotz der aktuellen Herausforderungen für die Haushalte 2025 bis 2027: Unsere sozialdemokratische Finanzpolitik ist sozial und nachhaltig, weil sie Berlin trotz Konsolidierung wettbewerbsfähig macht und die Chancengerechtigkeit stärkt.
Wir wollen mehr in die Zukunft unserer Stadt investieren als es zurzeit durch die Schuldenbremse möglich ist. Deshalb fordern wir Friedrich Merz und die Union auf: Nehmen Sie nicht weiter das ganze Land in Geiselhaft für Ihre persönliche Karrierepläne und stimmen Sie jetzt einer Reform der Schuldenbremse für Investitionen zu. Deutschland und seine Hauptstadt dürfen bei der Infrastruktur nicht kaputtgespart werden. Wir fordern unseren Koalitionspartner auf, in der Bundes-CDU auf allen Ebenen – Partei, Parlamenten, Bundesrat – daraufhin zu wirken, dass die CDU den Weg frei für eine zukunftsfähige Reform der Schuldenbremse macht. Investitionen in die Modernisierung Deutschlands sind unausweichlich für ein wohlhabendes, nachhaltiges und soziales Land.
Im Rahmen der derzeit laufenden Beratungen über den Landeshaushalt sind für uns folgende Haushaltspolitische Leitplanken zentral und durch die sozialdemokratischen Verhandlungsdelegationen zu beachten:
Kein Sparen nach der Rasenmäher-Methode
Ein Haushalt, der den Anspruch hat, die Stärken Berlins weiter auszubauen und den sozialen Frieden in der Stadt zu erhalten, lässt sich nicht mathematisch aufstellen. Deswegen lehnen wir eine rein quotale Kürzung in einzelnen Einzelplänen oder einzelplanübergreifend in bestimmten Hauptgruppen ab. Die besondere Situation macht es erforderlich, dass sich die einzelnen Senatsverwaltungen ihrer Verantwortung für den Gesamthaushalt bewusst sind und entsprechende Vorschläge unterbreiten, die sodann unter dem Blickwinkel Zukunftsfähigkeit und soziale Ausgewogenheit politisch bewertet werden können.
Die SPD Berlin erwartet, dass dabei Investitionen preiswerter gestaltet und Produktivitätssteigerungen nicht zuletzt durch verstärkten IT-Einsatz verwirklicht werden.
Keine pauschale Kürzung bei freiwilligen sozialen Leistungen
Die erforderliche Konsolidierung darf nicht dazu führen, dass wir unseren Grundsatz Guter Arbeit bei der Ausführung staatlicher Tätigkeiten in der Verwaltung oder bei von ihr beauftragten Trägern zu untergraben. Deswegen bleiben wir bei unserer Forderung der Anpassung des Landesmindestlohns bei Auftragsvergaben sowie einer Umsetzung von Lohnentwicklungen auch bei den freien Trägern. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit muss innerhalb der Verwaltung, aber auch für beauftrage Organisation gelten. Verantwortungsvolle Finanzpolitik bedeutet für uns nicht zuletzt, freiwillige soziale Leistungen nicht nach Rasenmäher – Prinzip zu kürzen, sondern diese als tragende Säulen in unseren Kommunen sowie für den Erhalt des sozialen Friedens in der gesamten Stadt zu sichern. Wir bieten den Berliner:innen verlässliche Perspektiven in allen Lebenslagen.
Großprojekte der sozialen Infrastruktur nicht gefährden
Angesichts der aktuellen Herausforderungen für den Landeshaushalt versperren wir uns einer Diskussion über den Zeitpunkt für einzelne Investitionen in die Infrastruktur im Land Berlin nicht. Maßgeblich für eine Einigung zu den Konsolidierungen bleibt für uns jedoch der Erhalt bedarfsgerechter Investitionen in zentrale Projekte der sozialen Infrastruktur, wie Schulen, Kindertagesstätten, Bibliotheken, Frauenberatungsstellen, Jugend- und Seniorenfreizeiteinrichtungen, Spiel- und Sportanlagen, Grünflächen und Aufenthaltsorten.
Ausschluss von Privatisierungen und Privatisierungsstrategien
In den 1990er und 2000er Jahren wurden im Zusammenhang mit besonderen Krisensituationen im Land Berlin erhebliche vorschnelle politische Entscheidungen für Privatisierungen in unterschiedlichen Bereichen der Daseinsvorsorge (Wohnen, Wasser, Energie) getroffen, die uns in den letzten Jahren schwer belastet haben. Für uns gehört die existenzsichernde Daseinsvorsorge sowie die soziale und verkehrliche Infrastruktur zum Kernbereich sozialstaatlicher Verantwortung und in öffentliche Hand. Die SPD Berlin erteilt daher sämtlichen Überlegungen zu möglichen Privatisierungen und Privatisierungsstrategien, wie einem Wechsel zu den im Regelfall für den Landeshaushalt wesentlich teureren Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) im Rahmen der Finanzierung jener Infrastruktur der Daseinsvorsorge des Landes Berlin, eine klare Absage. Einzelne Kooperationen im Bereich Hochschulen können geprüft werden.
Zusätzliche Einnahmen in Höhe von mindestens fünf Prozent der gesamten Einsparsumme generieren (mind.150 Mio.)
Wir halten es für erforderlich – neben der notwendigen Diskussion um Ausgabenreduktionen, auch einen signifikanten Beitrag durch Einnahmeerhöhungen zu erzielen. Ansatzpunkte bestehen beispielsweise in der Grundsteuer C, in der Übernachtungssteuer, der Vergnügungssteuer, Zweitwohnungssteuer, erhöhter Beitreibung von Unterhaltsvorschusszahlungen sowie der Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung und einer Steigerung von Kurzzeit- und Anwohnerparkgebühren in vergleichbarer Höhe wie andere große Städte in Deutschland. Dies sollte für das Jahr 2025 eine Dimension von jährlich etwa 150 Millionen Euro erreichen.
Verstärkte Nutzung von Darlehens- statt Zuschussprogrammen
Ein Konsolidierungsbeitrag in Milliardenhöhe ohne Kürzung der Investitionsprogramme ist möglich mit der getrennten Ausweisung von Darlehensprogrammen und der Umwandlung von Zuschuss- in Darlehensprogramme. Das größte investive Förderprogramm im Berliner Landeshaushalt, der geförderte Wohnungsbau, verwendet bereits Darlehen und kann so eine Milliarde beitragen. Es geht aber auch darum, in anderen Bereichen bisherige Zuschussförderungen durch Darlehensförderungen abzulösen. Das ist besser als die Programme zu streichen.
Die Konsolidierung ist notwendig, aber ersetzt nicht erforderliche und über mehrere Jahrzehnte notwendige zusätzliche Investitionen zur Klimaschutzfinanzierung. Solange die Schuldenbremse in der bisherigen Form weiterbesteht, bietet es sich an, Darlehensfinanzierungen zum Kernbestandteil eines ebenfalls bis zum Jahresende einzurichtenden Klimasondervermögens werden zu lassen. Eine mögliche Ausgestaltung ist die eines Treuhandvermögens bei der IBB, die Transformationsdarlehen für Landes- und Privatunternehmen sowie Einzelpersonen anbietet.