Beschluss des SPD-Landesvorstands vom 10.10.2022:
Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini im Gewahrsam der iranischen Sittenpolizei, sind vor allem junge Frauen in ganz Iran für ihre Rechte auf die Straße gegangen. Immer mehr Menschen aus allen Schichten haben sich ihnen angeschlossen und ihr Grundrecht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit ausgeübt. Student*innen streiken landesweit an ihren Universitäten. Alle Hinweise deuten darauf hin, dass die Reaktion der Sicherheitskräfte vollkommen unverhältnismäßig ist und zu vielen weiteren Toten und Verletzten geführt hat. Die Meinungs- und Pressefreiheit wird zusätzlich dadurch unterdrückt, dass öffentliche Kommunikationskanäle, wie Internet und Mobilfunknetze, abgeschaltet und Journalist*innen verhaftet werden. Wir fordern den Berliner Senat, die Bundesregierung und die Europäische Union („EU“) auf, die iranische Zivilgesellschaft durch folgende Maßnahmen zu unterstützen.
- Unmissverständliche Verurteilung jeder Unterdrückung von Versammlungs- und Meinungsfreiheit, Frauenrechten und der Menschenwürde. Die staatlichen Stellen sollen alle friedlichen Demonstrationen ermöglichen und schützen.
- Klare Aufforderung unter Nutzung aller Mittel zur Freilassung der verhafteten friedlichen Demonstrant*innen und Journalist*innen. Soweit es in Einzelfällen zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen ist, sind die internationalen rechtsstaatlichen Standards in allen Fällen einzuhalten.
- Verlangen nach einer transparenten Untersuchung und Aufklärung aller Todesfälle und Gewaltmaßnahmen im Zusammenhang mit den derzeitigen Protesten, einschließlich des Todes von Mahsa Amini, unter Beteiligung internationaler Expert*innen und der UNO.
- Ausschöpfen aller technischen und politischen Mittel, um die uneingeschränkte Kommunikation durch freien Zugang zum Internet, zu allen Online-Plattformen und insbesondere zu den Sozialen Medien sowie die ungestörte Nutzung der Mobilfunknetze zu gewährleisten.
- Gezielte Verhängung von weiteren Sanktionen gegen die für Unterdrückungsmaßnahmen verantwortlichen Personen und Organisationen, sowie ihrer Angehörigen. Hierzu gehören insbesondere Beschlagnahme, bzw. Einfrieren von Vermögen in der EU und den weiteren westlichen Demokratien. Genauso wie der Visa-Entzug für den Schengenraum.
- Aufhebung der bestehenden Sanktionen, soweit diese überwiegend die Zivilgesellschaft treffen – entweder im Rahmen des JCPOA oder mit einem anderen, kurzfristigen, Mechanismus. In diesem Sinne auch Einwirken auf die Vereinigten Staaten. Das bestehende Sanktionsregime hat bisher, statt den politisch und rechtlich Verantwortlichen, vor allem der ohnehin leidenden iranischen Zivilbevölkerung erheblich geschadet. Durch die Modifizierung des Sanktionsregimes werden potenzielle Träger*innen von gesellschaftlichem und politischem Wandel gestärkt, damit diese sich weiterhin für ihr und in ihrem Land für Veränderungen engagieren können. Gleichzeitig würden die von Korruption profitierenden Hardliner im Regierungslager geschwächt, indem Schwarzmärkte, von denen allein sie profitieren, ausgetrocknet werden.
- Wir appellieren an die sozialdemokratischen Mitglieder der Bundesregierung und im Deutschen Bundestag, sich für einen sofortigen Abschiebestopp in den Iran nach § 60a AufenthG einzusetzen.
Geschlechtsspezifische und LSBTI-Verfolgung sowie das Konvertieren zu einer anderen Religion müssen als Asylgründe anerkannt und im Asylverfahren stärker gewürdigt werden. Darüber hinaus fordern wir ein vereinfachtes Asylverfahren sowie den Einsatz für sichere Fluchtrouten, damit Schutzsuchende aus dem Iran schnell und sicher aus dem Land kommen können, um vor Repressionen geschützt zu sein.
Wir begrüßen, dass die Berliner Innensenatorin einen vorläufigen Abschiebestopp verhängt hat, bis zum Erzielen einer bundeseinheitlichen Regelung. - Gefahrenlage für Menschen im Iran ernst nehmen: Politische Gefangene, Journalist*innen, Intellektuelle, Frauen, LSBTI* Menschen, religiöse und ethnische Minderheiten: Viele sitzen derzeit in den von Brutalität geprägten Gefängnissen des Mullah-Regimes müssen nicht selten mit drakonischen Strafen wie Todesstrafe rechnen.
Wir fordern daher die zuständigen Bundesministerien auf, die Behörden mit aktualisierten Lageberichten über die veränderte Gefahrenlage zu informieren und dementsprechend anzuweisen zu handeln.
Als SPD Berlin werden wir den Protestierenden eine Stimme geben, auch bei Demonstrationen in Berlin. Wir werden zu Kundgebungen aufrufen und uns in zivilgesellschaftlichen Bündnissen für die Forderungen der Protestbewegung engagieren, um so die nötige Öffentlichkeit für den Protest herzustellen.