Landesvorstand: Wir brauchen ein Landes­ein­bürgerungs­zentrum in Berlin

Beschluss des SPD-Landesvorstands vom 18.10.2021:

Zu den Aufträgen des neuen Senats muss die Neuaufstellung der Einbürgerungspolitik gehören. Die Gründung eines Berlin-weiten Landeseinbürgerungszentrums, mit dem Ziel einer zentralen Steuerung und deutlichen Erhöhung der Einbürgerungsquote, muss im Hinblick auf die gleichberechtigte Partizipation in unserer vielfältigen Stadtgesellschaft ein Kernprojekt der künftigen Koalition sein. Dafür soll sich die Parteispitze und die Verhandlungsgruppe bei den Koalitionsgesprächen einsetzen.

Begründung:

In Berlin leben rund 1 ,2 Mio Menschen mit Migrationsgeschichte. Davon haben nur 23 rd. 400.000 einen deutschen Pass, ein weiteres Drittel – also nochmal ca. 400.000 24 könnte sich jederzeit einbürgern lassen, weil sie schon seit Jahrzehnten unter uns 25 leben – und ein letztes Drittel ist noch nicht einbürgerungsberechtigt – lebt also noch nicht 8 Jahre lang in Deutschland und ist noch nicht Jahre lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das sind rd. 800.000 Menschen, die wir in den nächsten Jahren für die Einbürgerung gewinnen müssen, wenn wir nicht zulassen wollen, dass die Schere zwischen Wohnbevölkerung und Wahlbevölkerung weiter auseinandergeht.

Derzeit bürgert Berlin mit seinen Bezirksämtern rund 6.500 Menschen im Jahr ein und rangiert damit im Vergleich zu anderen Bundesländern weit hinten. Rechnet man die Zahl hoch, schafft Berlin es mit seinen aktuellen Verwaltungsstrukturen und der nicht vorhandenen Steuerung rd. 65.000 Einbürgerungen in zehn Jahren. Dem stehen dann nicht nur die noch nicht eingebürgerten 800.000 Eingewanderten und ihre Familien gegenüber, sondern weitere Migrant:innen, die bis dann zusätzlich eingewandert sein werden. Mit anderen Worten: So wie wir jetzt strukturell aufgestellt sind, schaffen wir es nicht die Menschen ansatzweise gleichzustellen. Das ist jedoch das Gebot der Stunde.

Und wir haben ein sozialdemokratisches Vorbild: den Stadtstaat Hamburg. Dort hat Olaf Scholz als damaliger Erster Bürgermeister vor über zehn Jahren die Einbürgerungsstrukturen vom Kopf auf die Füße gestellt, eine zentrale Einbürgerungsbehörde geschaffen, diese interkulturell geöffnet, eine Willkommenskultur etabliert und ist mit mehrsprachigem Personal proaktiv auf die Eingewandertencommunities und ihre Vereine zugegangen. Seitdem führt Hamburg fast jedes Jahr die Einwanderungsstatistiken Deutschlands. Als 2-Mio-Stadt bürgert HH jährlich um die 1 2.000 Menschen ein. Das ist im Vergleich zu Berlin so, als würden wir 24.000 und nicht nur 6.500 Einbürgerungen im Jahr schaffen. Und das ist dann schon eine Zahl, ab der es tatsächlich eine merkliche Verbesserung bei der Gleichstellung gibt: 240.000 Einbürgerungen in zehn Jahren. Das ist das mindeste was wir in der Hauptstadt anpeilen sollten. Dahin müssen wir kommen, wenn wir gleiche Rechte für alle wollen. Wenn wir zeigen wollen: Es ist egal, woher Du kommst; wichtig ist, dass Du da bist und mitmachst!

Wir müssen also einen sozialdemokratischen Aufbruch in der Einbürgerungspolitik schaffen. Dafür muss ein Landeseinbürgerungszentrum in sozialdemokratischer Ressortverantwortung errichtet werden, dass die Einbürgerung zentral steuert, das interkulturell aufgestellt ist und das auf die Menschen zugeht und sie einlädt. Einbürgerung muss das sozialdemokratische integrationspolitische Thema des Jahrzehnts sein. Denn ohne eine deutliche Beschleunigung der Prozesse in Berlin, wird die Kluft zwischen Wohnbevölkerung und Wahlbevölkerung dramatisch auseinandergehen. Und schon diese Wahlen haben gezeigt, wie knapp die derzeitige Wahlbevölkerung wählt.