Landesvorstand: Arbeit­nehmer*innen­rechte schützen – Die „Corona-Krise“ kann kein Grund für Ausbeutung sein

Beschluss des SPD-Landesvorstands vom 11.5.2020:

Begründet durch die aktuell vorliegende SARS-CoV2-Pandemie wurden massive Eingriffe in die Arbeit­nehmer*innenrechte vorgenommen. Diese bereits stattfindenden Rechtsbrüche dürfen in keinem Falle legalisiert werden! Das Arbeits­ministerium hat in Absprache mit dem Gesund­heits­ministerium das bestehende Arbeits­zeit­gesetz durch eine „COVID-19-Verordnung“ geändert. Die bisher bestehende Regelung, dass zwischen zwei Arbeits­ein­sätzen elf Stunden Ruhezeit liegen sollen, wurde geändert und die Ruhezeit um zwei Stunden auf insgesamt neun Stunden verkürzt. Des Weiteren wurde unter anderem die zu­ge­lassene tägliche Arbeitszeit von acht bzw. zehn Stunden auf zwölf Stunden ausgeweitet. Als Be­gründung wird angeführt, dass auf Grund der Pandemie eine außer­ge­wöhnliche Not­fall­situation vorliegen würde und die Maß­nahmen zur Auf­recht­er­haltung der öffent­lichen Sicher­heit und Ordnung, des Gesund­heits­wesens und der pflegerischen Ver­sorgung, der Daseins­vorsorge oder zur Ver­sorgung der Be­völ­kerung mit existenziellen Gütern notwendig seien. Trotz der vor­liegenden schwierigen und ungewöhn­lichen Situation kann das Unter­laufen von Arbeit­nehmer*innen­rechten keine an­ge­messene Maß­nahme zur Be­wäl­ti­gung der Pandemie und ihrer Aus­wirkungen sein!

In bestimmten Bereichen u.a. im Gesundheits­bereich bestehen bereits heute viele Ausnahme­regeln. So ist eine Ver­kürzung der Ruhezeit auf zehn Stunden möglich und im Rahmen der Schicht­arbeit und Bereit­schafts­diensten eine Erhöhung der täglichen Arbeits­zeit auf zwölf bzw. 24 Stunden. Diese bestehenden Ausnahme-Regelungen können bereits jetzt sehr belastend und zu einer un­zu­reichenden Erholung der Arbeit­nehmer*innen führen.

Eine kurze Ruhezeit und lange Arbeits­zeiten gehen mit er­heb­lichen Aus­wirkungen auf die physische und psychische Gesund­heit der Be­troffenen einher. Er­schöpfung und Schlaf­mangel schwächen unter anderem die Abwehr­kräfte des Körpers, die mehr denn je auf Grund des erhöhten Infektions­risikos gefordert sind. Zudem steigt die Wahr­schein­lich­keit durch Über­müdung und Er­schöpfung Fehler zu begehen, die erhebliche – und möglicher­weise gar tödliche – Konse­quenzen haben können. Durch Fehler in den Hygiene­maß­nahmen kann der Pandemie gar Vorschub gegeben werden. Durch Er­schöpfungs­zu­stände kann zudem dringend benötigtes Personal kurz- wie auch lang­fristig ausfallen, wodurch wiederum das verbliebene Personal zunehmend belastet wird.

Statt eine Arbeits­zeit­ver­längerung und Ruhe­zeit­ver­kürzung ein­zu­führen, muss im Fokus stehen wie kurz-, mittel- und langfristig durch angemessene personal­wirt­schaft­liche Maß­nahmen eine zu­nehmende Belastung von „system­relevanten“ Berufen vermieden werden kann. Dazu kann kurz­fristig gehören Personal, das in Kurz­arbeit versetzt worden ist (z.B: Personal der Reha­kliniken und ambulanten Gesund­heits­zentren) sowie quali­fi­zierte Personen, die arbeits­suchend sind, in Aus­bildung sind bzw. studieren oder die aktuell in anderen „nicht-system­relevanten Branchen“ tätig sind, für „system­relevante“ Bereiche auf frei­williger Basis zu gewinnen und mit an­ge­messener Bezahlung (temporär) in „system­relevanten“ Branchen ein­zu­stellen. Kurz­fristig muss die Attraktivi­tät der betroffenen Berufe und Branchen ent­sprechend erhöht werden. Mittel- und langfristig müssen die Arbeits­be­dingungen verbessert und die Arbeit besser entlohnt werden.

Wir fordern die sozial­demokratischen Mit­glieder der Bundes­regierung auf, sich dafür ein­zu­setzen, die Ver­ordnung über die befristete Ver­längerung der Arbeits­zeit und Verkürzung der Ruhe­zeit für die sogenannten system­relevanten Berufe unverzüglich zurück­zu­nehmen und damit die Lockerung §§ 3 und 5 Abs. 1 des Arbeits­zeit­gesetz (ArbZG) zurück­zu­nehmen. Unter diesem Aspekt müssen unter anderem die Ruhe­zeiten von mindestens elf Stunden, die tägliche reguläre Arbeits­zeit von acht Stunden, die wöchent­liche Arbeits­zeit von maximal 48 Stunden jetzt und zukünftig bei­be­halten werden und un­an­ge­tastet bleiben.

Über das Unter­lassen von Ein­griffen in Arbeit­nehmer*innen­rechten hinaus fordern wir, dass zeitnah an­gemessene personal­wirt­schaft­liche Maß­nahmen zur Ent­lastung von „system­relevanten“ Berufen getroffen werden sowie die dauer­hafte Wert­schätzung „system­relevanter“ Berufs­gruppen durch gute Arbeits­be­dingungen und finanzielle Anerkennung.