Wohnhäuser in BerlinFriedberg / Adobe Stock

Landesvorstand: Wohnraum für alle sichern

Strategie zur weiteren Ausübung des Vorkaufs­rechts im Land Berlin

Beschluss des SPD-Landesvorstands vom 2.7.2020:

In Zusammenarbeit mit den Bezirken hat der Senat im Laufe der Legislaturperiode dafür gesorgt, dass tausende Wohnungen im Wege des kommunalen Vorkaufsrecht durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften erworben wurden und so die Voraussetzungen für die Versorgung mit bezahlbarem und sozialem Wohnraum verbessert.

Der Druck auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist jedoch weiterhin hoch. Die Corona-Krise hat zu keiner Entspannung geführt. Im Gegenteil, Wohnimmobilien in Berlin werden weiterhin als Renditeobjekte gesehen. Dies hat zur Folge, dass die Preise weiter viel zu hoch für die meisten Berliner*innen sind und eine weitere Entmischung der Kieze droht. Die Notwendigkeit für das Land Berlin, aktiv in der Wohnraumversorgung aufzutreten, besteht dementsprechend weiter. Deswegen wollen wir weiterhin kommunale Vorkaufsrechte aktiv und strategisch ausüben. Hierfür muss das Vorkaufsprogramm für die nächsten Jahre jedoch auf eine stabilere Basis gestellt werden.

Wir haben hierzu konkret fünf Forderungen:

  1. Der Senat schöpft die Spielräume, die der kommende Landeshaushalt für die Förderung von Vorkaufsfällen vorsieht, voll aus und stellt den bereits existierenden Förderprogrammen der Berliner Investitionsbank zusätzliche Mittel zur Verfügung. Darüber hinaus müssen ausreichend Mittel für Zuschüsse bei Ankäufen durch landeseigene Wohnungsunternehmen und Genossenschaften sichergestellt werden.
  2. Die Bezirksämter gehen unter koordinierender und steuerender Federführung des Senats aktiv auf verlässliche genossenschaftliche oder andere nicht primär profitorientierte Wohnungsträger zu, um mit ihnen Finanzierungsmodelle auszuarbeiten, die es der öffentlichen Hand erlauben, ihr zustehende Vorkaufsrechte auch zugunsten von privaten gemeinnützigen Wohnungsträgern auszuüben. Solche Modelle werden unabhängig von konkreten Vorkaufsfällen schon präventiv erarbeitet, um im Bedarfsfall innerhalb der knappen Vorkaufsfrist tragfähige Lösungen entwickeln zu können.
  3. Die Bezirke schöpfen mit Unterstützung des Senats alle rechtlichen Mittel aus, um das Vorkaufsrecht im Milieuschutzgebiet in Fällen von sog. „Share Deals“ durchzusetzen, wenn die juristische Person, deren Anteile veräußert werden, außer Grundstücken kein nennenswertes Vermögen hat und abgesehen von der Verwaltung von Grundstücken auch keine erhebliche Geschäftstätigkeit entfaltet, und der Sinn der gewählten Konstruktion sich erkennbar in einer Umgehung des Vorkaufsrechts erschöpft. Solchen Umgehungsgeschäften ist auch nach geltendem Recht die Anerkennung zu versagen. Durch gesellschaftsrechtliche Konstrukte, bei denen ein sog. “Zwerganteil” an Grundstücksgesellschaften von Strohleuten gehalten wird,  entgehen dem Land Berlin schätzungsweise jährlich über 100 Mio. Euro. Der Senat weist daher die Finanzämter an, verschärft zu prüfen, ob so im Rahmen von “Share Deals” Grunderwerbsteuer hinterzogen wird, indem verschleiert wird, dass der Erwerber bei wirtschaftlicher Betrachtung 100 % der Geschäftsanteile der Zielgesellschaft kontrolliert.
  4. Der Bundesgesetzgeber wird aufgefordert, das kommunale Vorkaufsrecht durch eine Änderung des Baugesetzbuchs zu stärken. Konkret sollte zum einen klargestellt werden, dass die Sicherung des Wohnraumbedarfs als allgemeiner Zweck eines Vorkaufs genügt. Zum anderen muss die Möglichkeit einer Preislimitierung bei der Ausübung des Vorkaufsrechts dahingehend verschärft werden, dass der Vorkaufspreis in jedem Fall auf Basis des gegenwärtigen Ertragswertes des Kaufobjektes berechnet und nach oben hin begrenzt wird. Kommunen dürfen nicht dazu gezwungen werden spekulative Preise zahlen zu müssen. Die Zwei-Monats-Frist, binnen derer die öffentliche Hand Vorkaufsfälle prüfen und über die Ausübung des Vorkaufsrechts entscheiden muss, wird auf sechs Monate verlängert. Durch Ausweitung des Anwendungsbereichs des kommunalen Vorkaufsrechts auf Käufe von Unternehmensanteilen (sog. “Share deals”), begleitet von einer entsprechenden Anzeigepflicht, sind die Umgehungsmöglichkeiten auch legislativ einzudämmen.
  5. Obwohl seit 2015 eine Umwandlungsverbot in den Milieuschutzgebieten besteht, kommt es in Berlin zu einer Zunahme der Umwandlungen von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen. Dies wird durch Ausnahmetatbestände im Baugesetzbuch möglich. Mit der Strategie durch Umwandlung höhere Kaufpreise zu erzielen, geht laut Senat häufig eine teurere Modernisierung mit anschließender „Entmietung“ der Häuser einher.  Daher fordern wir vom Bundesgesetzgeber die Gesetzeslücken zum Schutz der Mieter*innen vor Umwandlung in Eigentum zu schließen. Solange dies nicht geschehen ist, muss das Vorkaufsrecht auch auf Objekte Anwendung finden, die so aufgeteilt werden, dass einzelne Wohnungen veräußert werden. Dabei sollte das Vorkaufsrecht zu Gunsten Dritter, in Absprachen mit den Mieter*innen, so ausgeübt werden, dass der Bestand durch einen kommunalen oder gemeinnützigen Träger wieder zusammengeführt werden kann.