Klaus Uwe Benneter wohnt seit Ende der 70er-Jahre in Steinstücken – eine Siedlung ganz im Süden des Ortsteils Wannsee im Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Steinstücken war während des Kalten Krieges eine von zehn West-Berliner Exklaven und als einzige permanent bewohnt. Klaus Uwe Benneter und seine Frau pflegten zu dieser Zeit ein besonderes Verhältnis zu den DDR-Grenzsoldaten.
Meine verstorbene Frau und ich sind eher zufällig 1978 in der Exklave Steinstücken gelandet. Wir sind aus Hamburg hierher- kommen. Wochenlang konnten wir nichts Passendes finden. Aber eine Dachgeschoss-Wohnung im exotischen Steinstücken wurde jede Woche annonciert.
Irgendwann drängte mich meine Frau, endlich einen, für mich abwegigen, Ausflug zu dieser Wohnung zu unternehmen. Je näher wir Steinstücken kamen, umso begeisterter zeigte sich meine Frau. Die vielen Seen, der Teltokanal und die großen Wälder auf dem Weg hatten es ihr sichtlich angetan. Es störte sie auch nicht, dass gegenüber der Dachgeschosswohnung in nur zehn Meter Entfernung vor dem Fenster direkt ein DDR-Wachturm stand. Bald bekamen wir mit, dass die Grenzsoldaten bei jeder Bewegung in unserer Wohnung ihre Ferngläser zur Hand nahmen und alles angestrengt beobachteten. Wir haben uns daraufhin wunderschöne Landschaftsbilder auf die Glasfenster gemalt und hatten so die Illusion, aus der Wohnung in eine weite Wald- und Wiesenlandschaft zu blicken.
Bald achteten wir nicht mehr darauf, ob und wie der Wachturm besetzt war. Nur wenn die offensichtlich aus dem tiefen Sachsen stammenden Grenzsoldaten mit ihren Kofferradios zu laut wurden, habe ich eine geringere Lautstärke angemahnt und damit gedroht, sonst das DDR-Außenministerium anzurufen. Dann würden sie richtig Ärger bekommen, zumal den Grenzsoldaten während ihres stupiden Dienstes auf dem Turm keine Ablenkung, auch nicht durch Radiomusik, erlaubt war. Diese Drohung wirkte immer. Weil wir natürlich Mitgefühl mit den bei jedem Wetter auf dem Turm sich langweilenden jungen Soldaten hatten, haben wir bei Fernsehübertragungen von DDR-Fußballspielen, die uns naturgemäß nicht allzu sehr interessierten, unseren Fernseher ins Fenster gestellt. So konnten die Grenzer mit ihren Ferngläsern ihre Heim-Mannschaften bewundern.
Einmal hatten wir sogar eine besonders kecke Turmbesatzung. Sie traute sich, mit uns Bier zu trinken. Wenn ich von der Westseite aus die volle Bierflasche warf, fing der zweite Grenzsoldat sie auf der anderen Mauerseite auf. Auf die gleiche Weise kam auch das verräterische Leergut wieder von Ost nach West zurück.
Aber solche Vorgänge waren die Ausnahme. Teilweise haben wir uns überhaupt nicht mehr dafür interessiert, ob der Turm mit Soldaten besetzt war oder nicht. Wir ärgerten uns nur darüber, dass wir uns keine Balkonblumen halten konnten, weil die DDR-Grenzer immer so wild mit Unkrautvernichtungsmitteln durch die Gegend spritzten. Die Chemie-Belastung im Mauerstreifen war dann auch das Erste, was ich nach dem Mauerfall in meiner Eigenschaft als Zehlendorfer Umweltstadtrat inspizierte.
Klaus Uwe Benneter
Rechtsanwalt und Notar, war von 1999 bis 2002 Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und von 2002 bis 2009 Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf