Wimmelbild: AWOAWO Bundesverband

Berliner Stimme 6|2019: Im Dienst einer freien und offenen Gesellschaft

Seit 100 Jahren kämpft die Arbeiterwohlfahrt, kurz AWO, für Gerechtigkeit und Solidarität, für Vielfalt und Frauenrechte – und für ein menschenwürdiges Leben, in dem niemandem Almosen zugeteilt, sondern allen Chancen für Teilhabe ermöglicht werden.

Als Marie Juchacz vor 100 Jahren die AWO gründete, war das alte Europa in einem Weltkrieg untergegangen und rang Deutschland unter Führung der Sozialdemokratie um eine neue  Ordnung. Hunger und Massenarmut herrschten und besonders die Lage der Frauen und Kinder der Arbeiterklasse war äußerst prekär.

Dass sich die ersten Frauen der Nationalversammlung der Sozial-, Frauen- und Familienpolitik widmeten, während die Männer die „große“ Politik betrieben, wurde ihnen bei der Gründung der AWO manches Mal vorgeworfen. Andererseits: Wer hätte sich denn um die Bedürfnisse dieser Frauen und Kinder gekümmert, wenn nicht die Frauensekretärin der SPD Marie Juchacz oder Politikerinnen wie Luise Schroeder? Auftrag war, das unfassbare Elend durch Selbsthilfe und politische Forderungen an die staatliche Sozialfürsorge zu lindern.

Den Grundgedanken der AWO, keine paternalistische Armenfürsorge von oben, sondern staatlich unterstützte Hilfe zur Selbsthilfe, sollten wir uns vielleicht öfter ins Gedächtnis rufen. Denn neben der reinen Versorgung mit materiellen Gütern, ist vor allem die Selbstermächtigung eine Frage der Menschenwürde. Dabei ist das Ineinandergreifen der hauptamtlichen Arbeit als Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege und des Mitgliederverbandes als Träger des Ehrenamtes eine Herausforderung für die Zukunft.

Heute sind es meist nicht mehr das blanke Elend, Hunger und katastrophale Wohnverhältnisse – aber Vereinzelung, soziale Kälte, Missbrauch, Obdachlosigkeit, Arbeitsausbeutung und Ausnutzung von Notlagen sind für viele Menschen immer noch Alltag. Es trifft Menschen mit Behinderung, ältere Menschen oder Menschen mit Fluchterfahrung oder solche, die zu uns kommen, um hier zu arbeiten. Diesen Menschen gilt die Solidarität der Arbeiterwohlfahrt.

Und für die Ziele einer demokratischen, gerechten und solidarischen Gesellschaft ist die AWO auch Teil von Bündnissen wie #unteilbar. Dazu kommt die Sorge vieler Menschen um unsere natürlichen Lebensgrundlagen. So wird aktives Handeln für den Klimaschutz im Ehrenamt und gerade bei jungen Menschen an Bedeutung gewinnen.

Damals wie heute besteht die Gefahr, dass die Angst vor globalen Krisen die Menschen in die Fänge von Nationalismus und Populismus treibt. Wie 1919 werden auch heute wieder Menschen Opfer rechter Gewalt – und wie damals stellt sich die AWO in den Dienst einer freien und offenen Gesellschaft.

Autor:in

Ina Czyborra

Stellvertretende Landesvorsitzende

Ina Czyborra ist stellvertretende Vorsitzende der SPD Berlin, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege und Mitglied des Abgeordnetenhauses

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