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Berliner Stimme 8|2019: Wo man ganz dicke Bretter bohren muss

Constanze Körner berät seit Jahren Lesben und Schwule mit Kinderwunsch. Sie hat das Regenbogenfamilienzentrum in Berlin aufgebaut und engagiert sich nun bei dem Verein Les-Le-Fam – Lesben Leben Familie – mit Standort in Berlin-Lichtenberg. Für Regenbogenfamilien hat sich politisch laut der 46-Jährigen viel getan, doch der Weg zur vollständigen Gleichbehandlung ist noch lang. Ihrer Meinung nach sollten Kinder schon in der Kita die Vielfalt von Familien kennenlernen.

Die Räume des Vereins Les-Le-Fam liegen unweit der Berliner S-Bahn-Station Betriebsbahnhof Rummelsburg inmitten eines Wohngebiets mit grünen Parkanlagen. Die Regenbogenfahnen erblickt man schon von Weitem. Sie hängen an einer Leine direkt vor dem Eingang zu Les-Le-Fam. Dabei wirken sie wie bunte Farbtupfer in einer ansonsten von zwei Farben dominierten Umgebung: grün und grau.

In den Vereinsräumen selbst ist auf einem Banner an einer Wand das Wort Regenbogenfamilie in großen bunten Lettern gemalt worden. So lebhaft und vielfältig wie die Farbgebung der einzelnen Buchstaben ist auch die anschließende Begriffserklärung: „Bei einer Regenbogenfamilie versteht sich mindestens ein Elternteil als lesbisch, schwul, bi- oder trans* oder queer“, erklärt Constanze Körner, Vereinsvorständin und verantwortlich für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Projekte bei Les-Le-Fam.

Les-Le-Fam bietet Regenbogenfamilien verschiedene Angebote

Außerdem könne eine solche Familienform aus zwei Elternteilen bestehen. „Aber auch Zwei- oder Mehreltern-Familien sind möglich“, erklärt die studierte Publizistin und Kommunikationswissenschaftlerin. „Die in dieser Familie lebenden Kinder sind leibliche, Pflege- oder auch Adoptivkinder, kurzum: Da ist eine sehr große Vielfalt innerhalb der Regenbogenfamilien vorhanden“, sagt Constanze Körner. Sie hat im Februar 2018 mit anderen lesbischen Müttern den Verein gegründet. Davor baute sie 2013 das bundesweit erste Regenbogenfamilienzentrum auf.

Wo man ganz dicke Bretter bohren muss 1SPD Berlin/Sebastian Thomas
Constanze Körner steht in den Räumen des Vereins Les-Le-Fam. Hinter ihr an der Wand ist auf einem Banner das Wort Regenbogenfamilien in bunten Farben geschrieben worden.

Les-Le-Fam bietet lesbischen Frauen und Regenbogenfamilien verschiedene Angebote: „Wir beraten zum Thema Kinderwunsch, also zeigen Zugänge zur Reproduktionsmedizin auf, vermitteln Kontakt zum Pflegeelterndienst oder zeigen den Weg zur Adoption.“ Außerdem sei in diesem Zusammenhang auch immer eine rechtliche Perspektive verbunden, also was beispielweise passiert, wenn Menschen aus der LGBTTIQ*-Community „heiraten oder nicht heiraten oder nur noch in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben.“

Verleihung des Magnus-Hirschfeld-Preises würdigt ihre Arbeit und Engagement

Wie bei der Definition einer Regenbogenfamilie „ist es schlussendlich auch immer sehr vielfältig wie Menschen eine Familie entstehen lassen“, erklärt die 46-Jährige. Für ihr Wirken bekam Constanze Körner im Mai dieses Jahres von der Arbeitsgemeinschaft der SPD für Akzeptanz und Gleichstellung – kurz: SPDqueer – den Magnus-Hirschfeld-Preis verliehen. „Ich war anfangs total überrascht, dass ich nominiert wurde“, sagt sie.

Als bei der Preisverleihung ihr Name fiel, konnte sie es anfangs nicht glauben: „Ich hatte damit gar nicht gerechnet.“ Für sie sei es eine gewisse Genugtuung gewesen. „Gerade hatte ich in Bezug auf meine Arbeit ein paar Dinge verloren, wie das Regenbogenfamilienzentrum und alles was ich dort aufgebaut hatte.“

Der Preis habe ihr gezeigt, dass nichts davon umsonst gewesen war. „Ich habe gemerkt, dass mein Engagement für die LGBTTIQ*-Community durchaus wahrgenommen und gewürdigt wird.“ Das habe ihr schlussendlich den Antrieb gegeben weiterzumachen und Les-Le-Fam aufzubauen.

Berlin ist eine gute Adresse

Angesprochen auf die Frage, ob Berlin denn ein guter Ort für Regenbogenfamilien ist, antwortet Constanze Körner: „Also für Deutschland ist die Hauptstadt so ziemlich die beste Adresse.“ Viele Menschen aus der LGBTTIQ*-Bewegung würden nach Berlin kommen. Neben der Bundeshauptstadt sehe sie noch Köln und vielleicht noch München und Hamburg als geeignete Orte für Regenbogenfamilien.

„Hier in Berlin gibt es einfach für jede Angelegenheit Treffpunkte und Beratungsmöglichkeiten“, sagt sie. Dabei komme es darauf an, in welchem Bezirk man sich befindet. „Ich war vorher viel im Westen Berlins unterwegs, also vorrangig Schöneberg und Umgebung“, erklärt die 46-Jährige. Die Strukturen für die LGBTTIQ*-Community waren an diesem Ort schon gut aufgebaut.

Vonseiten der Verwaltung erlebe ich ein ganz offenes Klima

Anders in Ost-Berlin: „Hier laufen uns die Menschen aus der LGBTTIQ*-Gemeinschaft nicht die Türen ein wie in Schöneberg.“ Gleichgeschlechtliche Paare müssen laut Constanze Körner noch darauf aufmerksam gemacht werden, dass es in Lichtenberg eine Anlaufstelle für ihre Belange gibt. Vonseiten der Verwaltung erlebe sie ein ganz offenes Klima – auch Marzahn-Hellersdorf und Treptow-Köpenick seien in dieser Hinsicht nachgezogen.

Noch dazu habe sich Lichtenberg als familienfreundlicher Bezirk zertifizieren lassen. „Verantwortliche der Verwaltung haben mich gefragt, ob ich Les-Le-Fam denn nicht direkt hier ansiedeln möchte“, sagt Constanze Körner. Das sei auch der Unterschied gegenüber West-Berlin: „Ich war es die vergangenen 20 Jahre bei den Geldmittelgeberinnen und Geldmittelgebern sowie bei den Behörden gewohnt zu kämpfen, damit ich überhaupt Gehör bekomme und wahrgenommen werde“, erzählt die 46-Jährige.

Gerade diese Situation erlebe sie jetzt in Lichtenberg total anders: „Die Verwaltung kommt wegen Projekten von selbst auf mich zu.“ Im nächsten Jahr sollen Mitglieder von Les-Le-Fam Führungskräfte der Bezirksverwaltung zum Thema LGBT fortbilden. Generell sei ganz Berlin in Bezug auf Regenbogenfamilien sehr fortschrittlich

Behörden denken Regenbogenfamilien nicht mit

Aufgeschlossenheit ist das Stichwort, denn bei genauerer Betrachtung ist es laut Constanze Körner gerade in diesem Punkt bei Behörden nicht so weit her. „Es gibt trotz ‚Ehe für alle‘ noch strukturelle Probleme, zum Beispiel, wenn ein Kind in eine gleichgeschlechtliche Beziehung geboren wird, muss trotzdem die Partnerin das Kind adoptieren“, erklärt die 46-Jährige.

Beide Eheleute seien nicht automatisch Eltern ihres Kindes, wie es bei einer Hetero-Beziehung der Fall ist. „Diese Ungerechtigkeit muss beseitigt werden“, fordert sie. Eine weitere Benachteiligung ist von institutioneller Natur: „In Behörden werden Regenbogenfamilien meist nicht mitgedacht.“ Da seien auf Anmeldeformularen nur Mutter und Vater aufgeführt.

„In diesem Zusammenhang haben es Transmenschen schwer, denn das Geburtsgeschlecht gibt es nicht mehr“, erklärt Constanze Körner. Doch nach deutschem Recht könne es nur eine Frau sein, die ein Kind gebären kann. „Gemäß diesem Recht wird dann der Geburtsname der vermeintlichen Mutter eingetragen, der so eigentlich gar nicht mehr existiert.“

Änderungsprozess schreitet langsam voran

Jedoch werde der Person ebenso rechtlich eingeräumt nirgendwo mehr mit dem Geburtsnamen genannt zu werden, doch „genau an dieser Stelle taucht dieser Name wieder auf und das Kind hat dann ein Elternteil, was es so eigentlich nicht mehr gibt.“ Ansätze, um diese Missstände zu ändern, gebe es durchaus: „Von der SPD und den Grünen gibt es schon längst Gesetzesentwürfe, die diese Ungerechtigkeit geändert hätten.“

Jedoch sei mit den Christdemokraten eine fortschrittliche Auffassung von Familie und Abstammung nicht zu machen. „Der Änderungsprozess geht langsam voran: Erst 1994 wurde der Paragraph abgeschafft, der Homosexualität unter Strafe stellt, sieben Jahre später folgte dann die eingetragene Lebenspartnerschaft und noch viel später, nämlich 2017, wurde die ‚Ehe für Alle‘ beschlossen“, sagt sie. Gerade bei der Einführung der „Ehe für Alle“ seien die angesprochenen Aspekte nicht ausreichend berücksichtigt worden.

Die Gesellschaft sollte nicht in diesem hetero-normativen Schema verharren.

„Es sind zukünftig weiterhin noch ganz dicke Bretter zu bohren“, meint Constanze Körner. Ohnehin sollte sich Familienvielfalt nicht nur in einem Gesetzestext wiederfinden, sondern auch in den Büchern der Schulen und Kitas. „Die Gesellschaft sollte nicht in diesem hetero-normativen Schema verharren und das schafft man nur, indem die Offenheit der Kinder frühestmöglich verstärkt wird“, erklärt Constanze Körner. Kinder seien nicht homophob und hätten nicht die Geschlechtszuweisungen im Kopf wie die Erwachsenen.

Schließlich liegt noch ein weiter Weg vor Les-Le-Fam: „Wir wollen ein Sprachrohr für die Community werden und auch als Selbiges von wichtigen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern wahrgenommen werden“, sagt Constanze Körner. Dafür werde sie sich auch zukünftig engagieren. Damit die Farbtupfer vielleicht sogar eines Tages ganze Häuserwände in Lichtenberg schmücken.

Weitere Informationen auf der Internetseite www.leslefam.de

Autor:in

Sebastian Thomas

Redakteur der BERLINER STIMME und des vorwärtsBERLIN