Gewalt an FrauenAdobeStock/Serghei

Berliner Stimme 5|2020: Der Täter im eigenen Haus

Mit der Corona-Krise kam die Gewalt: Während des Lockdowns mussten Paare in den eigenen vier Wänden bleiben. Teils hatte das verheerende Folgen: Die Gewalt an Frauen stieg. Susanne Fischer, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen Berlin, beschreibt in ihrem Gastbeitrag, wie die Politik darauf reagierte und erklärt, warum auch Männer lernen sollten, über Frust und Ängste zu sprechen.

Zehn Prozent – um diese Zahl stiegen die gemeldeten Fälle von Gewalt gegen Frauen in Wuhan während des Lockdowns. Es folgte Frankreich mit ähnlichen Zahlen. Bei uns in Berlin liegen inzwischen auch Zahlen zu häuslicher Gewalt während der Pandemie vor. Um 30 Prozent stiegen die Fallzahlen, wobei die Verletzungen gerade bei Kindern immer schlimmer werden.

Der Lockdown bedeutet, Opfer mit ihren Tätern in einer stressigen Situation einzusperren. Uns allen war bewusst, welche Konsequenzen dies bringen kann. Zeigen die Zahlen, dass die Situation in Städten wie Berlin gewalttätiger ist als in ländlichen Regionen? Vielleicht haben Frauen in Städten ein größeres Sicherheitsnetz?

Mehr Plätze in Frauenhäusern, Hilfsnummern an Laternen und Ampeln

Hat man weniger Sorgen, was die Nachbarn denken, wenn man seine Wohnung verlassen muss, weil man dort Gewalt erfahren hat? Es kann sein, dass hier Hilfsangebote Frauen einfacher erreichen und sie wissen, dass sie die Chance haben, die Beziehung oder ihre Familie zu verlassen?

Die Politik reagierte dieses Mal frühzeitig: Mehr Plätze in Frauenhäusern wurden geschaffen und Hilfsnummern über Postkarten und Flyer in Supermärkten sowie an Laternen und Ampeln verbreitet. Die steigende Zahl der Notrufe könnte auch bedeuten, dass diese Nummern die Opfer erreichen.

Gewalt in Familien und Partnerschaften ist ein weit verbreitetes Problem, das viel zu oft als Privatsache angesehen wird.

Uns muss allerdings klar sein, dass es nicht um eine kleine Gruppe von Frauen geht, die mit einem gewalttätigen Mann zusammen sind und diesen einfach nicht verlassen. Gewalt in Familien und Partnerschaften ist ein weit verbreitetes Problem, das viel zu oft als Privatsache angesehen wird. Dabei muss deutlich gesagt werden, es darf nicht in körperlicher oder seelischer Gewalt enden, wenn man sich nicht mehr aus dem Weg gehen kann.

Männlichkeit darf sich nicht durch Gefühllosigkeit und Gewalt auszeichnen.

Wir müssen aufhören, die Verantwortung für Gewalt in Familien und in Beziehungen allein den Opfern aufzubürden. Wir müssen verhindern, dass es überhaupt zur Gewalt kommt. Männlichkeit darf sich nicht durch Gefühllosigkeit und Gewalt auszeichnen. Sich Hilfe zu holen und über Probleme, Frust und Ängste zu reden, muss für alle Geschlechter völlig normal sein.

Wir müssen auf Signale achten, ob etwas nicht stimmt und einschreiten. Opfer kommen in allen sozialen Schichten, Religionen und Ethnien vor. Es ist keine Schande, wenn man Opfer von Gewalt wurde. Es ist nur eine Schande, wenn wir nicht geholfen haben, obwohl wir es konnten.

Hier gibt es Hilfe bei häuslicher und sexueller Gewalt:

Kostenloses Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“: 08000/116 016
Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (BIG) e.V.: 030/611 0300
Lara – Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt an Frauen*: 030/216 88 88

Autor:in

Susanne Fischer

ASF-Landesvorsitzende

Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF)

Susanne Fischer, Vorsitzende der ASF Berlin