Wunschbaum-Aktion: Fayez Gilke und sein Verein schenken Kindern zu Weihnachten ein Lächeln

Fayez Gilke ist Vorsitzender des Berliner Vereins „Schenk doch mal ein Lächeln“. Jedes Jahr zu Weihnachten stellen er und seine Mitglieder einen Wunschbaum in verschiedenen Berliner Rathäusern auf. Durch die Aktion rufen sie Menschen dazu auf Kindern in Notlagen zu helfen.

Zu Anfang des Gesprächs legt Fayez Gilke einen Kalender auf den Tisch eines Cafés im Berliner Stadtteil Schöneberg. Darauf steht in großen Druckbuchstaben ein Wort: Mensch – nicht mehr. Keine Angabe zur Hautfarbe, zur Konfession oder gar zur sexuellen Orientierung oder dergleichen – nur: Mensch.

Fayez Gilke ist Vorsitzender des Vereins „Schenk doch mal ein Lächeln“. Die Vereinigung hat es sich zur Aufgabe gemacht Menschen in Notsituation durch verschiedene soziale Aktionen und Projekte zu helfen. Mit Blick auf den Kalender wird eine Sache deutlich: Den Mitgliedern des Vereins ist es dabei nicht wichtig, wie dieser bedürftige Mensch beschaffen ist.

Handgemachte Sterne für jeden Kinderwunsch

„Schenk doch mal ein Lächeln“ wurde im Februar 2015 durch Familienmitglieder und Freunde von Fayez Gilke gegründet. Der Anlass für die Vereinsgründung liegt jedoch im Jahr 2014. Zu diesem Zeitpunkt ist es ein kleines Grüppchen um den späteren Vereinschef, die einen sogenannten Wunschbaum im Rathaus Schöneberg aufstellen und ihn mit genau 55 Wünschen schmücken.

Diese haben Kinder gebastelt und gemalt. Es sind Wünsche, die die Eltern ihren Kindern aus finanziellen Gründen zu Weihnachten nicht erfüllen können. An den handgemachten Wünschen sind zudem Sterne befestigt auf denen die Kinder mit Alter, Geschlecht und zu diesem Zeitpunkt noch mit Vornamen vermerkt sind.

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Nach der Schmückaktion sind alle Besucherinnen und Besucher des Rathauses aufgerufen einen Wunsch von dem Baum zu pflücken. „Es dauerte keine 24 Stunden und der Baum war leer“, erzählt Fayez Gilke. Viele Menschen wollten helfen und bedürftigen Kindern eine schöne Weihnacht bereiten.

Angelika Schöttler, Bezirksbürgermeisterin von Tempelhof-Schöneberg, bittet für 2015 um noch mehr Wünsche. Fayez und seine Mitstreiter beherzigen den Wunsch der SPD-Politikerin und hängen kurz vor dem Weihnachtsfest mehr Wünsche an den Baum – sie halten länger, genauer: Nach 48 Stunden ist der Baum schon wieder leer – so groß ist auch 2015 die Hilfsbereitschaft.

Seitdem schaffen wir es nie länger als zwei bis drei Tage den Baum mit Nachschub an Wünschen zu versorgen.

Fayez Gilke

Als Fayez Gilke davon erzählt gerät er ins Schwärmen: „Seitdem schaffen wir es nie länger als zwei bis drei Tage den Baum mit Nachschub an Wünschen zu versorgen. Die Leute stehen bei der Eröffnung des Baums Schlange und wollen so schnell es geht einen Wunsch pflücken.“ Das mache einfach Spaß.

„Zu der Eröffnung kommen auch ganz viele Rathaus-Mitarbeiter und pflücken selbst ein paar Wünsche vom Baum oder helfen später beim Einpacken der Geschenke.“ Auch das sei Teil der Aktion: „Bis zu einem festen Termin können die Präsente im jeweiligen Rathaus abgegeben werden. Gemeinsam mit Freiwilligen verpacken wir die Geschenke und die Eltern der Kinder können diese später abholen“, erklärt der 31-Jährige.

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Fayez Ehefrau Lea schmückt den Wunschbaum in Rathaus Schöneberg.
SPD Berlin/Sebastian Thomas

Dabei dürfen die Wünsche maximal 25 Euro kosten. Es gebe aber auch Leute, die für das Geschenk jedes Jahr mehr als die angegebene Summe ausgeben. Beim ersten Mal steht ein Baum lediglich im Rathaus Schöneberg. Mit den Jahren wächst die Zahl der Orte stetig an. „Mittlerweile arbeiten wir mit zwölf Berliner Rathäusern in zehn Bezirken zusammen“, erklärt er.

2019 sind fast 2.000 Wünsche beim Verein eingegangen

„Auch Firmen nehmen an unserer Weihnachtsaktion teil und haben eigene Bäume für ihre Mitarbeiter. So kommen wir dieses Jahr auf ungefähr 25 Bäume“, sagt Fayez Gilke. Zu Anfang habe ein großer Onlineversandhändler den Verein mit Kisten und Geschenkpapier versorgt. „Bei dieser Gelegenheit haben die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich nachgefragt, ob sie nicht auch einen Baum für ihre Räumlichkeiten haben könnten“, erzählt der studierte Kriminologe und Polizeiwissenschaftler.

Später seien auch Hotels zu der Aktion hinzugekommen. Durch die Vielzahl der Teilnehmer hat sich auch die Anzahl der Wünsche enorm gesteigert: „2017 haben wir die 1000er-Marke geknackt und im vergangenen Jahr konnten wir sogar 1.500 Herzenswünsche erfüllen“, erzählt der junge Vereinschef. Auch dieses Jahr bahnt sich ein neuer Rekord an: Ungefähr 2.000 Wünsche seien bei dem Verein eingegangen.

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Wunschsterne zur Aktion liegen auf einem Tisch neben dem Weihnachtsbaum im Rathaus Schöneberg.
SPD Berlin/Sebastian Thomas

So hat laut Fayez Gilke allein der Baum im Rathaus Schöneberg 250 Wünsche. „Jedes Jahr sind viele Wünsche dabei, die ein Kind nicht haben sollte“, sagt der 31-Jährige. Hinter den Anliegen der Kinder verbergen sich jedes Jahr schöne aber auch traurige Geschichten. Eine davon ist Fayez Gilke beim Gespräch sofort präsent: „Eine alleinerziehende Mutter wollte eine Puppe zum Kämmen für ihre Tochter, weil sie immer ihre Haare benutzt hat und das tat der Mutter manchmal weh“, erzählt er.

20 Prozent der Wünsche verschwinden

Über die Wunschbaumaktion habe das Mädchen schließlich eine Puppe erhalten. „Die Mutter war überglücklich.“ Einen eher ernsten Hintergrund hatte der Wunsch nach einem Kuscheltier – es war für ein Kind aus einem Hospiz bestimmt. Doch nicht alle vermeintlichen Geschenkpaten haben Gutes im Sinn: 20 Prozent der Wünsche in Rathäusern würden einfach verschwinden.

Früher habe man teilweise die Erfahrung gemacht, dass die Wünsche von Flüchtlingskindern geklaut und anschließend weggeschmissen wurden. „Wir haben auch böse Anrufe bekommen, warum nur ausländischen Kindern geholfen wird und keinen deutschen mehr.“ In der Folge seien bereits verpackte Geschenke mit eher fragwürdigem Inhalt für Kinder mit ausländischem Namen abgegeben worden.

Deshalb habe man im Nachgang auch die Regelung getroffen, dass die Geschenke unverpackt überreicht werden sollen. „Wir wollen wissen, was drin ist“, erklärt der 31-Jährige die Maßnahme. Die traurige Erkenntnis: „Manche Leute gehen zu der Aktion in die Rathäuser, pflücken Wünsche ab, nur um bewusst Schaden anzurichten“, sagt Fayez Gilke.

Mit einer kleinen Geste kann jeder einem Kind ein besonderes Weihnachten bescheren.

„Daher verpacken wir zweieinhalbtausend Wünsche und liefern die Geschenke kurz vor Weihnachten aus.“ Auch habe sich die Art der Anonymisierung geändert: Nun stehen laut dem 31-Jährigen auf dem Zettel lediglich das Alter, Geschlecht und ein Pseudonym. Das könnten Namen von Tieren oder auch Gewürze sein.

Angesprochen auf die Frage, ob ihn das Verhalten mancher Leute ärgert, antwortet er: „Für mich überwiegt ganz klar das Positive.“ Mit einer kleinen Geste könne jeder einem Kind ein besonderes Weihnachten bescheren. Das sei für ihn die beste Motivation.

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Helfen beim Schmücken des Wunschbaumes im Rathaus Schöneberg (v. l.): Lea, Fayez Gilke, Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler und Vereinsmitglied Daniel Lauchardt.
SPD Berlin/Sebastian Thomas

Manchmal komme es auch vor, dass er und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter die Wünsche erklären müssen: „Ein Jahr wollte ein Kind Augenbrauen und Wimpern haben“, sagt der studierte Kriminologe. Da habe dann jemand geschrieben, dass es doch kein Wunsch eines armen Kindes sei wie Heidi Klum auszusehen.

„Erstens sagen wir nie, dass das Kind arm ist. Sie sind in einer Situation, in der sie unterstützt werden müssen, doch niemand ist gezwungen ihnen durch unsere Aktion zu helfen.“ Zweitens sei der Wunsch nach Wimpern von einem Kind gekommen, welches gerade eine Chemo-Therapie hinter sich hatte.

Fayez Gilke weiß, wie es ist, wenn die Freude plötzlich ausbleibt.

„Es ist nicht unsere Aufgabe darüber zu urteilen, was ein wünschenswerter Wunsch ist“, betont er. Für ihn sind es alles typische Herzenswünsche, die „wir nun schon das sechste Mal mit großer Freude in Folge erfüllen dürfen.“ Spaß, Freude, Lachen – diese Worte gehen Fayez Gilke während der Unterhaltung über die Wunschbaumaktion mehrfach über die Lippen.

In dem Gespräch in dem Café geht es auch kurz um das Privatleben des 31-Jährigen. Eines wird schnell klar: Leichtfertig wählt er diese Worte nicht, denn der studierte Kriminologe weiß, wie es ist, wenn die Freude plötzlich ausbleibt. Es ist der Ostermontag im März 2016. Fayez Gilke klagt über heftige Bauchschmerzen.

Solange der Kopf mitmacht, solange macht auch der Körper mit.

In der Klinik stellen die Ärztinnen und Ärzte die Ursache fest: Krebs. Der bösartige Tumor wird sofort entfernt. Drei Wochen nach dem Eingriff muss er in einen Ganzkörperscanner. Es folgt die nächste Hiobsbotschaft: Die Medizinerinnen und Mediziner finden zwei weitere Tumore in der Leber. Im Mai 2016 werden auch diese entfernt.

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Spielsachen für ein Mädchen: Fayez Gilke liest den Wunsch eines Kindes auf einem Stern.
SPD Berlin/Sebastian Thomas

Gänzlich geheilt ist Fayez Gilke bis heute nicht. Seinen Lebensmut hat er deshalb nicht verloren: „Solange der Kopf mitmacht, solange macht auch der Körper mit“, sagt er. Der 31-Jährige mag sich nicht selbst bemitleiden, sondern weiter nach vorne schauen. Er hat noch viel vor. Mittlerweile zählt der Verein ungefähr 40 ehrenamtliche Mitglieder.

„Perspektivisch möchten wir in allen Berliner Rathäusern einen Wunschbaum aufstellen“, sagt Fayez Gilke. Darüber hinaus engagiere sich der Verein in weiteren Aktionen: „Jährlich laufen die Vereinsmitglieder einen Charity-Lauf zugunsten der Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs oder sammeln Schlafsäcke für Wohnungslose.“

Vereinschef möchte noch viele soziale Projekte machen

Er möchte noch viele soziale Projekte in der Hauptstadt machen: „Ich bin Lokalpatriot. Berlin ist einfach eine tolle Stadt.“ Außerdem mag er noch Ehrenbürger der Stadt werden und das wäre erst mit 35 Jahren möglich, meint er grinsend. „Ich und meine Frau Lea haben ein Kind und wollen sicherlich noch ein zweites“, sagt er lächelnd.

„Wir reisen auch sehr viel.“ 2017 waren er und Lea auf Island Polarlichter anschauen. „Ich habe in diesem Jahr meinen Tauchschein gemacht.“ So nimmt ein lang ersehnter Wunsch langsam Form an: Nun wolle er auch mal tauchen gehen – mit Haien. Seine Frau Lea weiß nicht so ganz, ob sie das gut findet, meint Fayez Gilke und lacht. Nächstes Jahr will er im Februar nach Schweden – diesmal mit seinem Sohn im Gepäck. „Wir wollen die tollen Dinge des Lebens einfach ein wenig schneller machen“, erklärt er und lacht wieder.

Mehr Informationen zur Aktion und zum Verein auf www.sdmel.de

Autor:in

Sebastian Thomas

Redakteur der BERLINER STIMME und des vorwärtsBERLIN