In Berlin wurde der Internationale Frauentag 2019 offiziell zum Feiertag erklärt. Grund genug, danach zu fragen, wie und warum dieser Tag entstand und wie er über diese Zeit zu dem geworden ist, was er heute für uns ist. Ein Gastbeitrag von Gisela Notz.
„Genossinnen! Arbeitende Frauen und Mädchen! Der 19. März ist euer Tag. Er gilt eurem Recht. Hinter eurer Forderung steht die Sozialdemokratie, stehen die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter. Die sozialistischen Frauen aller Länder fühlen sich mit euch solidarisch. Der 19. März muss euer Ehrentag sein“, so ist der Aufruf der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der Freien Gewerkschaften in der Zeitschrift „Die Gleichheit“ vom 13. März 1911 überschrieben.
Das Datum wurde gewählt, um an die Frauen zu erinnern, die während der Revolution von 1848 in Berlin beteiligt waren. Der Internationale Frauentag wurde zum internationalen Tag des Kampfes der Frauen für politische und ökonomische Rechte, gegen Krieg, Ausbeutung und Entrechtung. Erst 1921 sollte es der 8. März werden.
Wir brauchen einen Internationalen Frauentag
Mehr als 100 Delegierte aus 17 Nationen nahmen am 27. August 2010 in Kopenhagen, anlässlich der II. Internationalen Konferenz Sozialistischer Frauen den Antrag, künftig einen Internationalen Frauentag durchzuführen, einstimmig an. Leicht hatten es die Frauen nicht, denn „Frauenrechtlerei“ war den männlichen Genossen verhasst.
Durch den weltweiten Internationalen Frauentag erhofften sie sich den außerparlamentarischen Druck für die Durchsetzung von Frauenrechten zu erhöhen. Sie stellten die Forderung nach dem Frauenwahlrechtin den Zusammenhang mit der „ganzen Frauenfrage“.
Dazu gehörten Arbeiterinnenschutz, soziale Fürsorge für Mutter und Kind, die Gleichbehandlung von ledigen Müttern, die Bereitstellung von Kinderkrippen und Kindergärten, freie Schulmahlzeiten und Lehrmittelfreiheit und die internationale Solidarität. Gleichzeitig verabschiedeten sie anlässlich des bereits drohenden Weltkrieges eine „Resolution, die Erhaltung des Frieden betreffend“.
Der erste Internationale Frauentag wurde ein voller Erfolg. Millionen Frauen in USA, Deutschland, Schweiz, Dänemark und Österreich gingen auf die Straße. Wie groß die Angst der Obrigkeit vor den aufmüpfigen Frauen war, geht aus einem Bericht der „Gleichheit“ vom 27.3.1911 hervor: „Zahlreiche Polizeimannschaften in der Nachbarschaft der Versammlungslokale bewahrten revolvergerüstet die Stadt vor dem Umsturz der Frauen.“
Dieser 19. März war eine Provokation – nicht nur für die Herrschenden, auch für manche Sozialisten. Nicht alle glaubten den Worten der führenden Sozialistin und Internationalistin Clara Zetkin, wenn sie betonte, dass „der Emanzipationskampf der Proletarierinnen nicht ein Kampf gegen die Männer der eigenen Klasse (ist), sondern ein Kampf im Verein mit den Männern ihrer Klasse gegen die kapitalistische Ausbeutung“.
In den folgenden Jahren erlebte die „Frauentags-Bewegung“ Fortschritte, Rückschritte, Erfolge und Niederlagen. Je nachdem, wie es die herrschende politische Meinung wollte, wurde der Internationale Frauentag verboten, geduldet oder gar von oben verordnet.
Endlich das Frauenwahlrecht
Nach langen Kämpfen, die erst erfolgreich waren, als sich das vorher zerstrittene bürgerliche Lager zusammen geschlossen hatte und mit der sozialdemokratischen Frauenbewegung zusammenarbeitete, wurde den Frauen mit dem Ende des Kaiserreichs am 12. November 1918 durch die Erklärung des Rates der Volksbeauftragten das Wahlrecht zugesprochen.
Viele Sozialistinnen und Gewerkschafterinnen wussten, dass sich der Internationale Frauentag damit nicht erledigt hatte, auch damit unterschieden sie sich von vielen „Bürgerlichen“ und von Marie Juchacz, Leiterin des Frauenbüros der SPD.
Nachdem sich das Spektrum der Parteien um die KPD erweitert hatte, beschloss die zweite Internationale Konferenz der Kommunistinnen im Juni 1921, dass künftig der Internationale Frauentag einheitlich in der ganzen Welt am 8. März stattfinden sollte. Nun marschierten die SPD-Frauen getrennt von den Kommunistinnen.
Und sie brauchten bis 1926 bis sie bereit waren, gemeinsam mit den Gewerkschafterinnen wieder einen Internationalen Frauentag einzuberufen, der für den allgemeinen Weltfrieden und die Internationale Solidarität eintreten sollte.
Nach der Machtübernahme der Nazis trat an die Stelle des Internationalen Frauentages der Muttertag, der in Deutschland seit 1923 von den konservativen Frauenverbänden aus USA übernommen worden war und von Kommunistinnen, Sozialdemokratinnen und Gewerkschafterinnen abgelehnt wurde. Sie verwiesen auf die Verlogenheit des Mutterkultes angesichts der Realität der proletarischen Mütter.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der sowjetischen Besatzungszone ab 1946 der Frauentag wieder offiziell und nach der Gründung des Demokratischen Frauenbundes Deutschland (DFD) im März 1947 alljährlich als Kampftag der Frauen begangen. In der neugegründeten DDR wurde er in den Betrieben zum festen Ritual.
Er entwickelte sich vor dem Hintergrund der These, dass die Gleichberechtigung mit der sozialistischen Gesellschaftsordnung erreicht und die Rechte der Frauen weitgehend verwirklicht seien. Es gab Orden und Ehrenzeichen, rote Nelken, Kaffeetafeln und Reden über die „Errungenschaften des Sozialismus“.
Bei Gewerkschafterinnen und Sozialdemokratinnen in der BRD ging Mitte der 1950er und in den 1960er Jahren das zentrale Anliegen des Internationalen Frauentages als politischer Tag leider verloren. An vielen Orten fanden überhaupt keine Veranstaltungen mehr statt.
Neu entdeckt
Erst mit der Herausbildung der „neuen Frauenbewegungen“ zu Beginn der 1970er Jahre wurde der Frauentag als weltweit politisch wichtiger Feiertag wieder „entdeckt“. Nachdem die UNO 1977 beschloss, den 8. März anzuerkennen und sich 1978 auch die Sozialistische Fraueninternationale in Vancouver, Kanada anschloss, forderten auch ASF und DGB- Frauen künftig wieder jedes Jahr am 8. März einen Internationalen Frauentag zu begehen.
Der DGB wollte dennoch 1980 einen Beschluss durchsetzen, der den DGB-Frauen untersagte, eigene Veranstaltungen durchzuführen oder sich an anderen Veranstaltungen zu beteiligen. Als Grund wurde die Wahrung des Prinzips der Einheitsgewerkschaft genannt. Der Beschluss stieß auf harten Widerstand bei der DGB-Bundesfrauenkonferenz.
Sie erreichte, dass der Internationale Frauentag Bestandteil der Arbeit des DGB und zur Plattform für frauenpolitische Themen wurde. Dieser Kampf hat sich gelohnt. Bald gab es Bündnisse zwischen Sozialdemokratinnen, Gewerkschafterinnen und autonomen Frauen. Ein herausragendes Ereignis nach der Wiedervereinigung war der Internationale Frauentag 1994.
Er wurde zum FrauenStreikTag, bei dem sich mehr als eine Million Frauen bundesweit gegen fortbestehende und sich verschärfende Diskriminierungen, Arbeitsplatzabbau, den Abbau von Sozialleistungen und Selbstbestimmungsmöglichkeiten engagierten. Die Gewerkschaftsfrauen schlossen sich mit ihren Forderungen denen der autonomen Feministinnen an.
Es kam zu vielen phantasievollen Aktionen im ganzen Land. Ein breites, bundesweites Frauenbündnis war wiederbelebt worden und sollte auch für die Zukunft beibehalten werden.
Und weiter?
Dass der Internationale Frauentag heute von so vielen gesellschaftlichen Gruppen getragen wird und vor allem junge Frauen an der Tradition des Frauenkampftags anknüpfen, auf die Straße gehen und sich Gehör verschaffen und für mehr Rechte höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und das Recht auf körperliche Selbstbestimmung und gegen tagtägliche patriarchale Gewalt und Sexismus kämpfen, macht seine Stärke aus.
Gerade in Zeiten der Pandemie, kämpfen Frauen dagegen doppelt ausgebeutet zu werden. Sie wollen eine angemessene Anerkennung – auch finanziell – für ihre Arbeit und werden auch am 8. März 2021 mit kreativen Aktionen lautstark in Erscheinung treten. Der Frauentag soll, wie der Internationale Frauentag 1911 „solidarisch, international und ein Kampftag sein.“
Schon zu Ende? Das muss nicht sein. Hier geht es weiter mit interessanten Beiträgen aus der BERLINER STIMME.