Kevin Kühnert

Berliner Stimme 5|2020: „Kneipe ist Lebenskultur“

Wie hart trifft die Corona-Krise Kneipenbesitzerinnen und -besitzer? Diese Frage haben sich Kevin Kühnert und Freunde von ihm gestellt und eine Initiative mit dem Namen „Kneipenretter“ gegründet. Im Interview mit der BERLINER STIMME erzählt er, um was es sich bei der Aktion handelt und was eine Kneipe mit dem sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft zu tun hat.

BERLINER STIMME: Kevin, wenn du den Begriff „Kneipe“ hörst, was verbindest du damit?

Kevin Kühnert: Kneipe ist Lebenskultur. Das gehört zu Berlin auf jeden Fall dazu. Wenn ich mir in Berlin eine neue Wohnung suchen würde, dann müsste der jeweilige Kiez auch eine Kneipe haben. Meine Lieblings- und Stammkneipe ist mir definitiv heilig, weil das ein Ort ist, der sich nicht wie vieles anderes in unserer Stadt durch Gentrifizierung oder dergleichen auszeichnet, sondern an genau dieser Stelle Berlin noch so ziemlich Berlin ist – und genau so ein Ort sollte geschützt werden.

Du hast gemeinsam mit Freunden die „Kneipenretter“ gegründet: Was steckt hinter der Aktion?

Die Idee für die Initiative „Kneipenretter“ hatten wir im März. Zu diesem Zeitpunkt fingen genau die Maßnahmen an, welche man heute als Shutdown bezeichnet. Es gab ganz viele Solidaritätsaktionen für Clubs, Bars und Museen. Wir haben uns zu dieser Zeit in einer Runde getroffen. Dabei stand eine Frage im Vordergrund: Was machen in dieser Situation eigentlich die Kneipen?

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Interview mit Kevin Kühnert zur Aktion „Kneipenretter“

Diese verfügen ja in der Regel über so gut wie gar keine Rücklagen und auch über weniger Publikum. Dann haben wir „Kneipenretter.Berlin“ gegründet. So bieten wir die Möglichkeit, dass gezielt für die Berliner Kiezkneipen gespendet werden kann. Diese können sich auf der genannten Internetadresse registrieren und dann kann man diesen Lokalen Geld zukommen lassen.

Man muss sich eine Sache klar machen: Die Einnahmen, die der Gastronomie in den vergangenen zweieinhalb Monate entgangen sind, kommen nicht wieder. Den Kauf eines Fernsehers kann man beispielsweise auf den Sommer verschieben. Die zwanzig Biere, die wir während des Lockdowns nicht getrunken haben, könnten Kneipenbesucherinnen und -besucher später nur unter Einsatz der eigenen körperlichen Gesundheit nochmal nachholen und das wird keiner tun.

Wie viel Geld ist denn schon zusammengekommen?

Am Anfang waren wir uns unsicher, mit welchem Betrag wir rechnen können. Wir haben uns dann 50.000 Euro als Ziel gesetzt – mittlerweile ist diese Marke deutlich übertroffen worden. Es gibt zwei Möglichkeiten zu spenden: Man kann einmal an die Aktion als solche einen Betrag überweisen, da geht das Geld zu gleichen Teilen an alle teilnehmenden Kneipen.

Kevin Kühnert, Juso-Bundesvorsitzender und stellvertretender Parteichef der SPDSPD Berlin/Sebastian Thomas
Bei Kevin Kühnerts Lieblingskneipe geht auch mal ein Wasser: „Ihr dürft mich auch gerne ansprechen und auf ein Bier einladen.“

Zum anderen kann man auch für seine Lieblingskneipe, sofern sie denn registriert ist, direkt spenden. Insbesondere die zweite Variante erfreut sich großer Beliebtheit: Gerade die Kneipen, die über eine größere Stammkundschaft verfügen, haben es geschafft gerade in dieser schwierigen Phase zum Teil mehrere Tausend Euro einzusammeln. Das ist schon eine wichtige Überbrückung in so einer Saure-Gurken-Zeit gewesen.

Du hast gerade von einer Zielmarke gesprochen: Reicht das bis heute eingesammelte Geld bereits aus oder ist der Spendenbetrag nach oben hin offen?

Der Betrag ist auf jeden Fall nach oben offen. Es ist sicherlich so, dass die Aktion alleine nicht jede einzelne Kneipe retten wird. Wer mit den Kneipiers redet merkt es auch: Die meisten haben sich ganz unterschiedliche Aktionen ausgedacht. Manche haben einen To-Go-Verkauf angeboten, auf ein kleines Essensangebot umgesattelt oder im Stammkundenkreis einen Hut rumgehen lassen.

Auch wenn jetzt die Kneipen wieder geöffnet sind ist ein Normalbetrieb nicht möglich.

Wir wollen mit unserer Initiative zumindest einen kleinen Beitrag zu diesen ohnehin bestehenden Bemühungen leisten. Eine Sache muss man sich ebenso klar machen: Auch wenn jetzt die Kneipen wieder geöffnet sind ist ein Normalbetrieb nicht möglich. Das sehen die Besucherinnen und Besucher bereits, wenn sie die Kneipe betreten: die Tische brauchen einen größeren Abstand zueinander, das heißt es gibt weniger Kapazitäten für Gäste.

Außerdem werden sich sicherlich viele aus der Risikogruppe, also ältere Menschen, die ja durchaus auch mal in einer Kneipe zu finden sind, die nächsten Wochen noch in Zurückhaltung üben. Kurzum, der Bedarf zur Unterstützung von Kneipen ist keinesfalls weniger geworden. Unsere Initiative geht auf jeden Fall weiter.

Wo trifft man denn Kevin Kühnert gelegentlich des nachts an: Hast du denn eine Lieblingskneipe?

Wir sitzen hier in Schöneberg in der Crellestraße vor der „Nostalgie“. Das ist seit über zehn Jahren meine Stammkneipe. Hier kann man mich tatsächlich gelegentlich, auch mal später am Abend, antreffen. Bitte nicht alle auf einmal, die Kneipe ist nicht so groß.

Momentan ist das mit den Sitzplätzen auch ein wenig schwierig. Aber ansonsten freue ich mich, wenn wir uns hier treffen. Ihr dürft mich auch gerne ansprechen und auf ein Bier einladen (lacht).

Autor:in

Sebastian Thomas

Redakteur der BERLINER STIMME und des vorwärtsBERLIN