Bundesumweltministerin Svenja SchulzeBMU/Sascha Hilgers

Berliner Stimme 1|2020: „Nur Appelle an die Vernunft genügen nicht“

Für Bundesumweltministerin Svenja Schulze ist eine Sache von vornherein klar: Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung gehen zusammen. Mehr noch: Umweltschutz schließt soziale Gerechtigkeit nicht aus. Warum beim Erreichen von Klimazielen auch Verbote eine Rolle spielen, erklärt sie im Interview.

Die SPD möchte den Klimaschutz sozial gerecht gestalten: Ist das nicht ein Widerspruch?

Keineswegs, ohne soziale Gerechtigkeit kann Klimaschutz nicht erfolgreich sein. Darum hat die SPD bei den Verhandlungen zum Klimaschutzprogramm auch dafür gekämpft zum Beispiel das Wohngeld zu erhöhen oder die Ökostrom-Umlage zu senken. Im nächsten Schritt setzen wir uns jetzt dafür ein, dass Vermieter die Mehrkosten durch einen höheren CO2-Preis nicht eins zu eins auf die Mieter umlegen können.

Klimaschutz und Soziales miteinander verbinden

Denn es sind ja die Vermieter, die über einen Heizungstausch entscheiden und nicht die Mieter. Hier kann man Klimaschutz und Soziales gut verbinden. Umgekehrt gilt, dass ein ungebremster Klimawandel als erstes die Ärmsten trifft.

„Nur Appelle an die Vernunft genügen nicht“ 1BMU/Sascha Hilgers
Bundesumweltiminsterin Svenja Schulze beim BMU-Agrarkongress.

Sie sind im Hinblick auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes mit ihrem Ressort eine der wohl einflussreichsten Frauen im aktuellen Kabinett. Würden Sie das so unterschreiben?

2019 haben wir tatsächlich im Bundesumweltministerium mehr erreicht als viele erwartet hätten, denken Sie zum Beispiel an das Klimaschutzgesetz. Klimaschutz ist aber vor allem eine Teamaufgabe für die ganze Bundesregierung, weil hier die gesamte Gesellschaft gefragt ist. So widersprüchlich die Interessen manchmal sind, wir gelangen nur als Verbündete in eine klimaneutrale Zukunft.

Svenja Schulze (r.) und Franziska GiffeyBMU/Sascha Hilgers
Familienministerin Franziska Giffey (l.) und Umweltministerin Svenja Schulze auf der Grünen Woche 2020.

Kritiker monieren am beschlossenen Klimapaket unter anderem das Öl, Gas und Kraftstoff teurer werden. Davon würden vor allem Geringverdiener belastet. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf?

Die einen sagen, der CO2-Preis sei zu niedrig, die anderen finden ihn zu hoch. Ich finde es richtig, moderat einzusteigen, damit die Menschen die Zeit haben, sich umzustellen.

Wir wollen Bürgerinnen und Bürger finanziell nicht überfordern.

Es geht ja nicht darum, als Staat mehr Geld einzunehmen, sondern weniger Öl und Gas zu verbrennen. Die CO2-Bepreisung erfolgt Schritt für Schritt in einem planbaren Prozess.

Wir wollen Bürgerinnen und Bürger finanziell nicht überfordern. Wer also in den nächsten Jahren Zeit seine Ölheizung auf eine klimafreundliche Anlage umrüstet, ein emissionsarmes Auto kauft oder gleich auf Bus, Bahn und Rad umsteigt, soll nicht draufzahlen. Für Geringverdiener reicht das oft nicht, weil sie kaum von der Pendlerpauschale profitieren.

Sozialen Ausgleich in der Klimapolitik verankern

Deshalb gibt es die Mobilitätsprämie, mit der sie Geld für ihre Pendelwege erhalten können. Außerdem werden Wohngeldbezieher durch eine Erhöhung des Wohngeldes unterstützt. Wir werden auch künftig immer Wege finden, den sozialen Ausgleich mit konkreten Maßnahmen in der Klimapolitik zu verankern.

Svenja SchulzeBMU/Sascha Hilgers
Der Klimawandel macht dem Wald zu schaffen. SPD-Umweltministerin Svenja Schulze im Gespräch in der „Wald bewegt Arena“ auf der Grünen Woche in Berlin.

Was wurde Ihrer Meinung nach im Hinblick auf Klima- und Umweltschutz bis zum heutigen Tag in Deutschland erreicht?

Deutschland ist weltweit das einzige Land, das aus der Atomenergie und der Energiegewinnung aus Kohle aussteigt. Bereits heute haben wir eine CO2-Einsparung von mehr als 31 Prozent geschafft, im Vergleich zum Wert von 1990.

Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung gehen Hand in Hand.

Das ist nicht wenig, wenn man bedenkt, dass unsere Wirtschaft stark gewachsen ist. Wir können der Welt zeigen: Klimaschutz und wirtschaftliche Entwicklung gehen Hand in Hand. Das ist unsere Aufgabe.

Gerade im Hinblick auf den Autoverkehr in Verbindung mit Klimaschutz kommt es immer wieder zu Diskussion, beispielsweise wenn es um ein Tempolimit auf Autobahnen geht. Wie sehen Sie das: Müssen Menschen zum Wohle des Klimaschutzes Verbote hinnehmen und sich somit von mehr oder weniger liebgewonnenen Gewohnheiten verabschieden?

So unschön das Wort „Verbot“ klingt, manchmal ist es das Mittel der Wahl. Denken Sie an das Verbot von Plastiktüten. Seit 2016 hatten wir eine Vereinbarung mit dem Handel, der seither Tüten nur noch gegen Bezahlung abgab. Drei Jahre später war der Verbrauch um mehr als 60 Prozent zurückgegangen. Die Plastiktüte war zum Auslaufmodell geworden, alle konnten sich auf ihr Ende einstellen.

Ausbau von Wind- und Sonnenenergie

Mit einem Verbot will ich diese Entwicklung absichern, und wir kommen jetzt auf Null. So sollten wir auch im Klimaschutz vorgehen: Für einige Jahre helfen wir beim Umrüsten alter Ölheizungen, danach sind sie komplett verboten. Anders wird es nicht gehen. Nur die Appelle an die Vernunft genügen nicht.

Svenja SchulzeBMU/ Thomas Imo
Für Umweltministerin Svenja Schulze können Verbote manchmal das Mittel der Wahl sein.

Der Kohleausstieg ist in aller Munde und soll bis 2038 abgeschlossen sein. Umweltaktivisten fordern jedoch einen sofortigen Ausstieg aus der Energiegewinnung durch fossile Energieträger zugunsten von erneuerbaren Energien. Wie sehen Sie das?

Ein sofortiger Kohleausstieg wäre unter keinen Umständen realistisch machbar. Das hat auch die Kohlekommission anerkannt. Ich stehe zu dem erreichten Kompromiss, der im Wesentlichen ja dem entspricht, was die Kohlekommission vorgeschlagen hatte, auch wenn ich mir an einigen Stellen natürlich noch mehr gewünscht hätte. Jetzt kommt es darauf an, beherzt den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie voranzutreiben.

Autor:in

Sebastian Thomas

Redakteur der BERLINER STIMME und des vorwärtsBERLIN