Heidemarie Fischer machte bereits Wahlkampf für die SPD, als sie noch kein Mitglied war. 1975 ändert sich das: Sie tritt in die SPD ein und macht seitdem ununterbrochen Wahlkampf. Heute stellt sie fest: Wählerinnen und Wähler erreicht man zwar vielfach digital, doch gerade alte Wahlkampfmethoden rücken zu Pandemie-Zeiten wieder in den Fokus. Der diesjährige Wahlkampf wird laut ihrer Aussage mehr als interessant, denn das Ziel der Berliner SPD ist klar: Franziska Giffey als erste Regierende Bürgermeisterin ins Rote Rathaus bringen.
Sie komme gerade vom Frisör, sagt Heidemarie Fischer, Vorsitzende der Berliner AG 60plus. „Da habe ich gleich mal Werbung für die SPD gemacht“, verkündet sie. Ihre Frisörin, eine Syrerin, will am 26. September zur Wahl gehen. Heidemarie Fischer zögerte nicht lang und erzählte ihr von den Vorzügen der Berliner Sozialdemokratie, wie zum Beispiel im Bereich der Gleichstellung. Die 24-jährige Frau sei ganz erstaunt gewesen und habe nur gefragt: „Was, das habt ihr auch?“
Anderen Menschen von der SPD zu erzählen beziehungsweise Wahlkampf zu betreiben, mache Heidemarie Fischer schon immer, wenn sich eine Gelegenheit biete. Das sei schon in ihrer Jugend so gewesen – und da war sie noch nicht einmal Mitglied in der SPD, aber von vorn. Ende der 60er-Jahre lernt Heidemarie ihren Ehemann kennen. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits Mitglied in SPD, sie setzte ihr Kreuz bei den Berliner Sozialdemokrat:innen.
„Ab und zu verabschiedete sich mein Mann mit den Worten: ‚Bin dann mal am Infostand‘ und verschwand“, erzählt sie. In seiner SPD-Abteilung habe er die heute nicht mehr existierende Funktion eines Zettelverteilers ausgeübt. Die heute 76-Jährige half beim Verteilen mit. Das war 1974 – ein Jahr bevor sie ihr Eintrittsformular unterschreibt. Ihr Mann wird in dieser Zeit als Ordner bei SPD-Veranstaltungen in der Deutschland-Halle eingesetzt. „Durch ihn bekam ich immer einen Sitzplatz in der ersten Reihe, obwohl ich kein SPD-Mitglied war“, sagt Heidemarie und lacht.
Autogramme von Größen der Sozialdemokratie, wie Willy Brandt und Helmut Schmidt, habe sie sich trotzdem geholt. 1975 ist es dann soweit: Sie tritt in die SPD ein. Ab diesem Moment „war ich bei jedem Wahlkampf dabei“. Auch als sie schwanger wird, später einen Kinderwagen vor sich herschiebt oder mit Kind an der Hand – sie macht Wahlkampf. Ihre Tochter und derzeitige Vorsitzende der ASF Berlin, Susanne Fischer, könne ein Lied davon singen, erzählt die 76-Jährige und grinst.
Der Wahlkampf fordert sie sehr, doch er macht ihr auch Spaß: „Zeitweise steckten wir bis zu 10.000 Zettel der SPD in die Hausbriefkästen.“ Damals, so erklärt sie, war dies noch anstrengend, weil es nicht wie heute Briefkästen unten im Eingangsbereich eines Wohnhauses gab, sondern jede Wohnung über einen in der Tür eingearbeiteten Briefschlitz verfügte. Auf die Frage, wie junge Menschen heute Wahlkampf betreiben, antwortet sie: „Die Jüngeren sind heute digitaler unterwegs.“
Jedoch seien alte Methoden gerade zu Pandemiezeiten wieder schwer angesagt: „Annika Klose (Bundestagskandidatin für den Wahlkreis Berlin-Mitte, Anm. der Red.) steckt wie ‚eine Weltmeisterin‘ Flyer in die Briefkästen“, erzählt Heidemarie. Von jungen Politiker:innen werde noch eine weitere ältere Methode sehr geschätzt: „Der sogenannte Tür-zu-Tür-Wahlkampf. Damals sagten wir noch Hausbesuche dazu“, erklärt die AG 60plus-Chefin.
Das habe Heidemarie bei jedem Wahlkampf getan. Noch heute werde sie von Leuten auf der Straße angesprochen: „Sie standen doch mal vor meiner Tür“. Was laut der 76-Jährigen hingegen bis heute durchweg Bestand hat, seien die Infostände und die Kiezspaziergänge. Die Genoss:innen der AG 60plus haben da auch schon eine originelle Idee: „Wenn wir alle geimpft sind, werden wir ein großes Schild an unserem Infostand positionieren“ sagt sie. „Auf diesem wird dann stehen: ‚Treten sie näher, wir sind alle geimpft‘.“
Von der ASF Berlin weiß sie, das sie die Videokonferenzen beibehalten wollen, denn so „lässt sich die Parteiarbeit eher mit Familie, Kind oder auch alleinerziehend am besten vereinbaren.“ Doch egal, wie die einzelnen Parteien in diesem Jahr Wahlkampf machen, er werde trotz Pandemie sehr interessant, meint Heidemarie. „Die Berliner SPD hat mit Franziska Giffey, wie die Parteikolleg:innen in Rheinland-Pfalz mit Malu Dreyer, eine Sympathieträgerin an ihrer Spitze.“ Ähnlich schon wie Willy Brandt, achte die SPD-Spitzenkandidatin auf Gemüt und Gefühl.
„Franziska Giffey ist volksnah und darauf achten die Menschen sehr“, erklärt Heidemarie. Ein weiterer Pluspunkt: Ihre 5 B’s seien leicht verständlich und gut zu merken. Zuletzt spreche Franziska Giffey alle Altersklassen an. Außerdem: „Sie muss ins Rote Rathaus, auch weil sie die erste Regierende Bürgermeisterin von Berlin werden kann. Zeit wird es“, sagt Heidemarie Fischer stolz.
Übrigens auch eine Sache, die Heidemarie ihrer Frisörin beim nächsten Mal unbedingt sagen will „Außerdem habe ich ihr versprochen, dass ich für sie und ihre Eltern Wahlkampf-Material der SPD mitbringe. Das wäre doch gelacht“, sagt sie und in diesem Moment spricht aus ihr eindeutig die erprobte Wahlkämpferin.