Das Humboldt-Forum – so authentisch wie der Kölner Dom?

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Der Fachausschuss XII Kulturpolitik hat am 9. Juli 2018 zu einer Besichtigung des Humboldt-Forums eingeladen. Unter der Führung von Herrn Wilhelm von Boddin, Geschäftsführer des Fördervereins für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses, erlebten wir einen Rundgang voller Geschichte mit Blick auf ein zukünftiges erstrangiges kulturelles Zentrum im Mittelpunkt Berlins.

Seit dreißig Jahren setzt sich Wilhelm von Boddien, ursprünglich Landmaschinenhändler aus Schleswig-Holstein, für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses ein. Nun steht er vor der mit von ihm aufgetriebenen Spendenmitteln finanzierten Schlossfassade voller Stolz über die Verwirklichung seines Lebenstraums und erläutert überaus sachkundig am 9. Juli 2018 dem Fachausschuss Kultur beim Landesvorstand der SPD, was hier völlig unberlinerisch termin- und kostengerecht der Fertigstellung im kommenden Jahr entgegen gebaut wird.

Baustelle Humboldt-ForumMargolis

Den kritischen Blicken und Fragen entgegenarbeitend erläutert er die engen Bezüge zu den nach dem Schloss erbauten Umgebungsbauwerke wie den Dom, das Alte Museum, die Alte Nationalgalerie etc., die mit ihren Achsen kongenial auf den Schlossbau abgestimmt sind und in den Sichtachsen der Portale bzw. den Linden stehen. Erst durch den Wiederaufbau des Schlosses entstünde ein städtebauliches Ganzes, werde die Wunde des Weltkrieges und des Abrisses unter SED-Regie geheilt. Deshalb sei die Authentizität bei der Rekonstruktion der Fassade so entscheidend. Da liege der Vergleich zu den großen Kathedralen wie z.B. dem Kölner Dom nahe, wo die Fassadenelemente immer wieder neu eingebaut werden müssen, wenn der Zahn der Zeit und die Witterung den weichen Sandstein zernagt hätten. Der Unterschied läge allein darin, dass hier die ganze Fassade komplett nach dem originalen Vorbild neu geschaffen werden musste. Dabei galt es 400 künstlerische Schmuckelemente neu zu schaffen. Abgeformt von Originalteilen, die sich z. T. in öffentlichen Sammlungen, aber auch in privaten Gärten und Schuttdeponien gefunden haben, wurden sie mit 3-D-Druckern aus dem originalen sächsischen Sandstein zu 90 % herausgefräst und dann abschließend in der Bauhütte von Steinmetzen künstlerisch individualisiert fertiggestellt. Hilfreich war dabei auch eine Fotodokumentation vor der Sprengung, aus der per Computer die gesamte Fassade neu berechnet werden konnte, da keine bauzeitlichen Unterlagen mehr vorhanden waren. Später habe man allerdings Unterlagen der Steuerbehörde gefunden, die seinerzeit den Hebesatz aus der Grundfläche berechnete und daher genaue Vermessungen vorgenommen hatte. Diese Unterlagen ergaben, dass die Computerberechnungen mit diesen Erhebungen nahezu deckungsgleich waren. Die z. T. 10 t schweren Sandsteinblöcke, die bauzeitlich wie die Pyramidenbauteile auf Hölzern zur Elbe gerollt und dann per Schiff 14 Tage lang nach Berlin getreidelt wurden, wurden jetzt wieder so, wie sie aus dem Berg geschnitten wurden, in der ursprünglichen Ausrichtung eingebaut, damit es keine kapillaren Wasserwege innerhalb der Steine gibt, die deren Festigkeit beeinträchtigen könnten.

Nicht nur die Schmuckelemente des Bildhauer-Baumeisters Andreas Schlüter seien so quasi wie original, sondern auch die Fassadenfarbe. Deren Farbton sei einem von Margarete Kühn, der Verantwortlichen für den Wiederaufbau des Schlosses Charlottenburg, im dortigen Trümmerfeld und gut verwahrten Fassadenelement entnommen und würde nun die verputzte Klinkerfassade so schmücken, wie in der Bauzeit. Überhaupt handele es sich um einen Niedrigenergiebau wegen der dem Betonbau vorgesetzten Originalfassade, obwohl ein Drittel der Gebäudefläche von den u. a. für den Museumsbetrieb erforderlichen Technikeinbauten benötigt werde. Ursprünglich hatte der König in seinem Schloss, das vornehmlich im Winter genutzt wurde, sehr gefroren und deshalb die Fenster verkleinern lassen. In seinem Ohrensessel saß er dann mit dem Rücken zum Fenster vor dem Kamin, sodass die Strahlungswärme durch die Sesselform für den immer fröstelnden Herrscher eingefangen werden könnte.

Mit einiger Genugtuung verweist von Boddien darauf, dass das in das Staatsratsgebäude eingebaute Portal, von dem aus Karl Liebknecht die Republik ausgerufen haben soll, nicht das tatsächliche ist, weil das historische ein anderes war. In die neue Fassade sind aber zahlreiche Fassadenteile des alten Schlosses eingebaut und nicht bearbeitet worden, diese weisen teilweise noch Kriegsspuren auf. Er bedauert aber, dass die ursprünglich vorhandene Pferdetreppe, auf der der König zu seinen Gemächern heraufgeritten ist, nicht mit rekonstruiert wurde. Die Pferde wurden von der Schweizer Garde aus der preußischen Enklave in der Schweiz versorgt und bei Glatteis wurde der König von ihnen in einer Trage zu seinen Gemächern transportiert.

Entsetzt zeigte sich von Boddien von dem Plan des Landes Berlin, die moderne Ostfassade des Schlosses mit seinem Café mit einer Mauer am Spreeufer von der Aussicht auf den Fluss abzuschneiden. Diese Aussicht war Bestandteil des Architekturentwurfes von Franco Stella. Während z. B. bei den Bundestagsbauten Stufen direkt zur Spree hinab gehen ohne eine weitere Begrenzung, würde hier der Blick vom und zum Schloss verbaut werden. Ebenfalls bedauerlich findet von Boddien, dass der, leider nicht mehr originalgetreue Neptunbrunnen von Reinhold Begas als größte und bedeutendste Brunnenanlage Berlins, trotz in Aussicht gestellter Bundesfinanzierung, nicht restauriert an den Originalstandort auf den südlichen Schlossplatz zurückkehren soll. Die Berliner nannten den Brunnen seinerzeit übrigens „For(c)kenbecken“, in Anspielung auf den damaligen Bürgermeister Forckenbeck und die „Forke“ des Neptun. Anders als der rot-rot-grüne Senat sprechen sich nur 37% der Berliner*innen für den Verbleib am gegenwärtigen Standort aus. Die vier Frauengestalten auf dem Brunnenrand, die vier große deutsche Ströme (Rhein, Oder, Elbe, Weichsel) allegorisch darstellen, sind angeblich die einzigen Berlinerinnen, die im Berliner Volksmund „den Rand halten“ können. „Begas, Begas, hast een wahret Wunder vollbracht, hast de ersten Berlinerinnen jeschaffen, die den Rand halten!“

Der Fachausschuss besichtigt die Baustelle des Humboldt-ForumsKlemke