Bei Selbst Aktiv engagieren sich Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen. Wir machen Politik für gleiche Rechte und gleiche Chancen für uns alle in Berlin.
Noch ist das alltägliche Leben für mehr als 600.000 Berliner:innen mit Behinderungen viel komplizierter und anstrengender als für die meisten. Warum? Es gibt zu viele Barrieren: in öffentlichen Einrichtungen, in der Bildung, am Arbeitsplatz, beim Wohnen und im Verkehr, im Gesundheitswesen und bei der Digitalisierung. Wir machen Politik für ein Berlin ohne Barrieren.
Unsere Demokratie braucht mehr Inklusion. Und Inklusion braucht mehr Teilhabe und wirkungsvolle Mitbestimmung von vielen Expert:innen in eigener Sache. Das gilt auch für die SPD. Daher unsere Bitte: Werde Selbst Aktiv und engagiere Dich. Mach auch Du mit uns sozialdemokratische Politik für mehr Inklusion, Teilhabe und Selbstbestimmung.
PRESSEMITTEILUNG: UNSER LEITBILD IST DIE INKLUSIVE STADT
Ziele der AG Selbst Aktiv
Mehr Selbstbestimmung
Als Expert:innen in eigener Sache wollen und können Menschen mit Behinderungen ihre Interessen selbstbestimmt vertreten und selbstverantwortlich wahrnehmen.
Mehr Teilhabe
Sie haben das Recht auf Partizipation in allen Lebensbereichen – auch in den Parteien und Parlamenten.
Mehr Bewusstsein für Barrierefreiheit
Wir alle tragen Verantwortung für eine Umwelt, die so gestaltet ist, dass Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen sie zu jeder Zeit gleich nutzen können.
Gute Bildungswege
Wir fordern mehr politischen Willen für ein inklusives Bildungssystem, in dem jedes Talent und jede Begabung gefördert wird.
Wohnen und Mobilität
Barrierefreiheit ist ein Qualitätsstandard für jedes Gebäude und den ÖPNV. Wir fordern dafür ausreichend höhere Investitionen.
Mitmachen!
Wenn Du in der AG Selbst Aktiv mitmachen möchtest, dann fülle die Online-Beitrittserklärung aus und sende sie ab.
Beitrittserklärung AG Selbst Aktiv
Du kannst statt des Online-Formulars auch die Beitrittserklärung als PDF herunterladen, ausfüllen und dann an den SPD-Landesverband Berlin, Müllerstraße 163, 13353 Berlin oder per E-Mail an zielgruppen.berlin@spd.de schicken.
Vorstand
- Vorsitzende:
Mechthild Rawert - Stellvertretende Vorsitzende:
Torsten Aue, Janis Hantke, Thomas Koch - Schriftführerin:
Antje Szardning
Kontakt
SPD Berlin
AG Selbst Aktiv
Müllerstraße 163
13353 Berlin
E-Mail: zielgruppen.berlin@spd.de
Telefon: 030-4692-155
Die AG Selbst Aktiv auf Facebook:
Mitteilungen
Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB): “Eine für Alle”
Bundesweit unterstützt und berät die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) alle Menschen mit Behinderungen, von Behinderung bedrohte Menschen, aber auch ihre Angehörigen kostenlos in allen Fragen zur Rehabilitation und Teilhabe – und dies unabhängig von der Art Ihrer Teilhabebeeinträchtigung. “Eine für Alle” ist das Leitprinzip jeder der bundesweit rund 500 EUTB-Beratungsstellen. Hier werden ratsuchende Menschen niedrigschwellig u.a. über die ihnen zustehende Teilhabe-Leistungen informiert und ihnen wird bei der Beantragung dieser Leistungen geholfen.
Die Berater*innen in den EUTB®-Angeboten beraten auf „Augenhöhe“, insbesondere durch die besondere Berücksichtigung der Beratungsmethode des Peer Counselings (Beratung von Betroffenen für Betroffene). Ziel einer Beratung ist vor allem die Stärkung der selbstbestimmten Entscheidungs- und Handlungskompetenz von Menschen mit drohenden Behinderungen (Empowerment). Auch in Berlin gibt es zahlreiche EUTB-Angebote.
Die Grundlagen für das Recht auf eine ergänzende und von den Leistungserbringern und -trägern unabhängige Teilhabeberatung wurde mit dem 2016 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Bundesteilhabegesetz (BTHG) geschaffen. In Folge des BTHG wurde das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), also das Recht der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, neu gefasst. § 32 SGB IX regelt die „Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung; Verordnungsermächtigung“.
EUTB: Vom Modell zur Regelstruktur
Von 2018 bis Ende 2022 fördert(e) das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die EUTB-Angebote jährlich mit 58 Millionen Euro im Rahmen modellhafter Projektförderungen. Die Sicherung der dauerhaften Weiterfinanzierung der EUTB-Angebote über 2022 hinaus erfolgte durch Bundestag und Bundesrat bereits 2019 mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz. Ab 2023 stellt der Bund 65 Millionen Euro jährlich für die unabhängigen niedrigschwelligen EUTB-Angebote zur Verfügung.
Wie jedes andere Modellprogramm auch wurden/werden die zwischen 2018 und 2022 erfolgten Projektförderungen zusammen mit den Beteiligten ausführlich evaluiert. Dafür wurde die Fachstelle Teilhabeberatung gegründet. Eine ihrer Evaluationen wurde als Drucksache 19/31168 am 21. Juni 2021 vom Deutschen Bundestag veröffentlicht. Dieser sehr lesenswerte „Zwischenbericht 2021 zur Evaluation der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung“ klärt über Akteure der EUTB, ob Trägervereine, Berater*innen oder Förderer*innen, über die Organisation und Umsetzung, über die Entwicklung von Beratungsstandards aus unterschiedlichen Perspektiven auf.
Die Fachstelle Teilhabeberatung unterstützt im Namen des BMAS die EUTB-Angebote fachlich und organisatorisch. Sie trägt zu einer guten Beratungsqualität und zur Förderung der Zusammenarbeit der Beratungsangebote bei. Die EUTB-Berater*innen werden durch Wissensvermittlung, Austausch und Diskussionen gestärkt. Dies geschieht u.a. durch Schulungen und einer jährlichen mehrtägigen Konferenz, deren Dokumentation auch öffentlich zugänglich ist.
Für die am 1. Januar 2023 beginnende neue Förderphase wird in den Evaluationen deutlich, dass es Änderungen bei den künftigen Förderbedingungen geben muss: Insbesondere die kleineren Trägerorganisationen brauchen finanzielle Verbesserungen und verfahrensrechtliche Erleichterungen.
Wie weiter nach Beendigung der Modellförderungsphase?
Damit es mit den Beratungsangeboten nahtlos weitergehen kann, hat das BMAS im Zusammenwirken mit den Beteiligten für den Zeitraum 2023 bis 2029 eine neue „Rechtsverordnung zur Weiterführung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTBV)“ entwickelt, die am 14. Juni 2021 veröffentlicht wurde.
Gesetzliche Zielstellung ist eine flächendeckende wohnortnahe Beratungsangebots-Struktur über alle Bundesländer, Regionen und Kommunen hinweg. Damit die Verteilung der Personal- und Sachkosten auch gerecht zugeht, wurde für ein Vollzeitäquivalent (eine Stelle mit 39 Arbeitsstunden) pro Bundesland ein länderspezifischer Referenzwert entwickelt, der die Einwohner*innenzahl des betreffenden Landkreises, der betreffenden kreisfreien Stadt oder des Bezirkes der Stadtstaaten und die Fläche eines Bundeslandes ausgewogen berücksichtigt. So werden Nachteile für Flächenländer aber auch vermeintlich attraktivere und unattraktivere städtische Lagen ausgeglichen. Nur ein Beispiel: Auf dem Land sind u.U. lange, zeitintensive Strecken zu überwinden, wenn es gilt, eine aufsuchende Beratung im häuslichen Umfeld der ratsuchenden Person zu erbringen. Menschen mit (drohender) Behinderung wohnen überall in Deutschland. Grundgedanke der EUTB-Angebote ist es schließlich, überall in Deutschland allen Menschen mit (drohender) Behinderung und ihren Angehörigen die tatsächliche Nutzung ihres Rechts auf eine unabhängige Beratung so wohnortnah wie möglich zur ermöglichen.
Die EUTBV stellt grundsätzlich und insbesondere für kleinere Trägervereine eine Verbesserung im Vergleich zur bisherigen zuwendungsrechtlichen Modellprojektförderung dar: So wurden die Gesamtmittel für die EUTB von 58 Millionen Euro auf 65 Millionen Euro ab 2023 erhöht. Dadurch, dass die Fördermittel jetzt auch fest im SGB IX verankert sind, sind sie „sicher“, da sie nicht mehr in Konkurrenz um knappe Mittel anderer Fördervorhaben stehen. Die Planungssicherheit wird erhöht, da die Zuschüsse für einen Zeitraum von bis zu 7 Jahren bewilligt werden, im Gegensatz zu den bisher dreijährigen Zuwendungen. Künftig müssen die Träger auch keinen Eigenanteil mehr in die EUTB-Angebote einbringen, im Gegensatz zur bisherigen Aufteilung 95 Prozent Fördermittel und fünf Prozent Eigenmittel.
Bundesweit können nun 610 sogenannte Vollzeitäquivalente mit einem Zuschuss von maximal 95.000 Euro pro Jahr/VZÄ – bisher 90.000 Euro – gefördert werden. Mit der Erhöhung der 5.000 Euro sind auch die nach dem TVöD tariflich gebotenen Einkommensverbesserungen für bisherige Mitarbeiter*innen zu finanzieren. Da der Förderbetrag in Höhe von 65 Millionen Euro ein festes und kein dynamisierendes Budget darstellt, führen Tariferhöhungen in allen Bundesländern zu einer Reduzierung der zu fördernden Stellen nach Ablauf der modellhaften Erprobung der EUTB.
Mit der EUTBV sind außerdem viele qualitative Verbesserungen für die EUTB-Angebote verbunden: Die jährliche Sachkostenpauschale steigt von 7.600 auf 10.750 Euro, es wird eine einmalige Erstausstattungspauschale von 1000 Euro gewährt, Ausgaben für Fremdsprachendolmetscher*innen können ebenso wie Ausgaben bis zu 1000 Euro pro Kalenderjahr/VZÄ für Öffentlichkeitsarbeit abgerechnet werden. Auch die Ausgabengrenze für aufsuchende Beratung wurde erhöht.
31. März 2022: Noch laufende Antragsphase für 2023 – 2029
Noch bis zum 31. März 2022 können sich Organisationen auf der Grundlage der am 14. Juni 2021 veröffentlichten EUTBV darum bewerben, für den Zeitraum 2023 bis 2029 ein EUTB-Beratungsangebot zu etablieren. Interessierte Trägerorganisationen können sich ab dem 1. Januar 2022 für ihre Antragstellung auch Unterstützung bei der gsub mbH holen.
EUTBV in Berlin
Auch für Berlin gibt es einen Mittelzuwachs: Statt der bisherigen 1,64 Millionen Euro jährlich können ab 2023 für EUTB-Angebote in Berlin Zuschüsse in Höhe von 1,95 Millionen Euro bewilligt werden – rund 300.000 Euro mehr als bisher. Aufgrund der tariflichen Einkommenserhöhungen kann die Anzahl der zu bewilligen Vollzeitäquivalente (VZÄ) von derzeit 25 auf 20,5 absinken.
Wie relevant die damit verbundene Verteilungsfrage letztlich in Berlin wird, kann vor Ablauf der Antragsfrist nicht gesagt werden. Derzeit ist noch nicht bekannt, wie viele der bisherigen und ggf. wie viele neue Organisationen sich für die Etablierung eines EUTB-Beratungsangebotes bewerben.
Für die einzelnen Berliner Bezirke wurde bezüglich der Vollzeitäquivalenz-Stellen (VZÄ) errechnet:
Bezirk VZÄ bis
Pankow 2,23
Mitte 2,08
Tempelhof-Schöneberg 1,90
Charlottenburg-Wilmersdorf 1,85
Neukölln 1,78
Steglitz-Zehlendorf 1,68
Lichtenberg 1,61
Friedrichshain-Kreuzberg 1,57
Treptow-Köpenick 1,50
Marzahn-Hellersdorf 1,49
Reinickendorf 1,44
Spandau 1,33
insgesamt Berlin 20,50
Beratungsangebote, die eine besondere Expertise für spezielle Zielgruppen aufweisen, können weiterhin im Rahmen des VZÄ-Kontingents bezuschusst werden, das für einen Bezirk möglich ist. EUTB-Beratungsstellen müssen aber – wie auch bisher schon – ein allgemeines, behinderungsübergreifendes Beratungsangebot vorhalten. Schließlich lautet das Leitprinzip für die EUTB-Beratungsangebote von Anfang an „Eine für alle“.
Mitgliederversammlung der AG Selbst Aktiv am 24.3.2022
Thema unserer Mitgliederversammlung am 24. März 2022 war die bundesweite Beratungsstruktur „Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)“ für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohten Menschen. Im Mittelpunkt standen die beruflichen Erfahrungen einer Teilhabeberaterin. Wir danken unserer Referentin Frau Dorothée Reinert, Teilhabeberaterin in der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e. V. (ABSV) sehr.
Allen Mitgliedern ist im Vorfeld der Mitgliederveranstaltung unser März-Newsletter zugegangen. Dieser enthält einen Artikel (vgl. Anhang), der über Ziele, Strukturen und Förderbedingungen dieses niedrigschwelligen Beratungsangeboten auch für Berlin informiert: Ab dem 1.1.2023 stellt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) insgesamt jährlich 65 Millionen Euro (davon Zuschüsse für Berlin in Höhe von 1,95 Millionen Euro) zur Verfügung, z.B. für Personal und Sachkosten wie Verwaltung, Vernetzung, Qualitätssicherung und Öffentlichkeitsarbeit. In den EUTB´s informieren und beraten Betroffene andere Betroffene im Vorfeld der Beantragung konkreter Rehabilitations- und Teilhabeleistungen nach dem SGB IX.
In dieser Mitgliederversammlung wurden weiterhin drei Anträge u.a. für den SPD-Landesparteitag am 19. Juni 2022 beschlossen:
- Bedarfe von Flüchtenden und Geflüchteten mit Beeinträchtigungen sichern
- Stärkung der politischen Partizipation und Repräsentanz von Menschen mit Beeinträchtigungen in und durch die SPD
- Kampagne starten: Selbstbestimmung stärken – Vorsorgeinstrumente nutzen
- Planen und Bauen für eine inklusive (Stadt-)Gesellschaft
Hinweis: Die nächste digitale Mitgliederversammlung findet am 28. April 2022, 16.30 Uhr mit Lars Düsterhöft (MdA, Sprecher für Menschen mit Behinderungen, Sprecher für Soziales und Pflege) statt. Es erfolgt noch eine separate Einladung.
EUTB = Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
Dieses niedrigschwellige und wohnortnahe Beratungsangebot ist ein großer Erfolg der Behindertenbewegung. Die Beratungsstruktur nach dem Prinzip des Peer Counseling (Beratung von Behinderten – für Behinderte) orientiert sich an der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, insbesondere am Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention: „durch Peer Support Menschen mit Behinderungen in die Lage zu versetzen, ein Höchstmaß an Selbstbestimmung, umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie die volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens und die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu erreichen und zu bewahren“ (Artikel 26 BRK – Habilitation und Rehabilitation).
Allgemeiner Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e. V. (ABSV)
Der in Berlin sehr bekannte Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e. V. (ABSV) hat in Charlottenburg-Wilmersdorf ein wunderschönes Gelände mit einem auch für Veranstaltungen gut nutzbarem barrierefreiem Haus. Hier ist auch die ABSV- Geschäftsstelle angesiedelt. Über den Sozialdienst werden blinde und sehbehinderte Menschen, deren Familien, Freund*innen und Arbeitgeber*innen zu sozialrechtlichen Fragen sowie zu praktischen Hilfsmitteln beraten. Angeboten wird auch ein umfangreiches Kultur- und Freizeitangebot.
Frau Reinert (ABSV): Aus dem beruflichen Alltag einer EUTB-Teilhabeberaterin
Frau Reinert ist langjährige Mitarbeiterin beim ABSV. Bevor sie Teilhabeberaterin wurde, arbeitete sie viele Jahre im Sozialdienst des ABSV. Von diesen Erfahrungen profitiert sie im Interesse der Unterstützung suchenden Menschen sehr.
In die EUTB kommen sowohl Menschen, die eine Behinderung oder Einschränkung haben oder von diesen bedroht sind als auch Angehörige. Jeder ratsuchenden Person wird unabhängig von der Art der Behinderung Unterstützung gegeben, wobei der Begriff „Behinderung“ auch nicht eng gesehen wird: Alle Menschen, die in irgendeiner Art und Weise darin be-hindert werden, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, können sich an die EUTB wenden. Geholfen wird bei allen Fragen, egal, ob es sich um Rehabilitation, Hilfsmittel, persönliche Assistenz oder um Probleme im Freizeitbereich handelt. Die EUTB beim ABSV verfügt aufgrund ihrer Trägerstruktur über besondere Kompetenzen in der Beratung blinder und sehbehinderter Menschen – es kommen auch zumeist Menschen, die Probleme mit dem Sehen haben. Dadurch unterscheidet sie sich auch von den anderen 16 Berliner Beratungsstellen.
Anlaufstelle, Beratung und Unterstützung
Die Themen, zu denen Beratung und Hilfe bei der Antragsstellung gesucht wird, sind vielfältig: Schwerbehindertenausweis, Eingliederungshilfe, Hilfsmittel, Assistenz zur sozialen Teilhabe oder manchmal auch Schul- oder Arbeits-Assistenz, einkommens-unabhängige finanzielle Leistungen, Pflegemöglichkeiten, arbeitsplatzbezogene Leistungen des Integrationsamtes, etc. Geholfen wird auch Menschen, die schon Leistungen geziehen, wenn z.B. Verlängerungsanträge für die Grundsicherung zu stellen sind. Oder es kommen Arbeitssuchende, die Unterstützung bei den vielen Formularen des Jobcenters suchen. Es kommen Ältere, die Hilfe bei ihren Rentenanträgen suchen. Für Menschen, die gar nichts mehr sehen, werden auch Übersetzungen in Braille-Schrift vorgenommen.
Derzeit laufen – zögerlich – die Präsenz-Beratungen wieder an, welche coronabedingt längere Zeit ausgesetzt waren, auch weil die Ratsuchenden sich nicht durch die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln gefährden wollten.
Coronabedingt wurden die Angebote zur Telefonberatung ausgebaut, was schwierig und zeitaufwendig war und ist. Zumeist erfolgt nach der Beratung eine Antragstellung auf Leistungen. Für diesen Prozess wurden – auch abhängig vom noch vorhandenen Sehvermögen der Ratsuchenden – zwei Verfahren entwickelt: Einige können ggf. mit Vergrößerungsglas Texte noch erkennen und sind auch willig, die Anträge zusammen mit Angehörigen, Nachbar*innen, etc. auszufüllen.
Dann gibt es diejenigen, die nicht möchten, dass personenbezogene Informationen wie z.B. Kontonummern, Einkommensnachweise oder der Bezug von Sozialhilfebezug Dritten bekannt wird. Hier fungieren die Berater*innen als „Schreibkräfte“: sie füllen die Anträge nach telefonischer Auskunft im Büro aus, verschicken die Anträge und markieren die Stelle, wo es noch der Unterschrift bedarf. In jedem Fall bedarf es mehrmaliger telephonischer Beratungsgespräche für einen Vorgang.
Es gibt das Angebot von Hausbesuchen. Dieses wird nun wieder zögerlich in Anspruch genommen.
Lotsen-Funktion
Wenn der Rat anderer EUTB-Beratungsstellen für die Menschen mit Behinderungen hilfreicher sein kann, da diese über mehr Spezialwissen verfügen, werden Ratsuchende weitervermittelt. Eine EUTB-Beratungsstelle ist eine Anlaufstelle für alle. Es ist in der Realität aber nicht möglich, zu allen Behinderungsarten die Feinheiten zu kennen, so dass die Lotsen-Funktion auch wichtig ist.
Diskussion
Die erste Frage bezog sich auf die Evaluation während der Modellphase und auf die Wettbewerbssituation hinsichtlich der aktuellen Bewerbungen für die neue Förderphase ab 1.1.2023. Während der Modellprogramm-Phase fanden Evaluierungen durch die Fachstelle Teilhabeberatung statt, so muss beispielsweise jede Beratung dokumentiert werden. Es gibt auch regelmäßig (digitale) Treffen aller Mitarbeiter*innen der Berliner EUTB-Beratungsstellen. Zum Stand der Neu- bzw. Weiterbewilligungen der EUTB-Träger kann Frau Reinert nichts sagen, da sie als Beraterin mit der Beantragung nichts zu tun hat.
Bekräftigt wird die Notwendigkeit einer wohnortnahen Beratung in jedem Bezirk, u.a. da Mobilität gerade für Menschen mit schwerst- oder schwerstmehrfacher Behinderung bedeutungsvoll ist.
Nicht immer erfährt Frau Reinert, warum eine ratsuchende Person ihre EUTB- und keine andere EUTB-Beratungsstelle oder sogar eine Beratungsstelle anderer (Wohlfahrts)Träger aufsuche. Sie begrüßt es sehr, dass Ratsuchende Wahlmöglichkeiten haben. Es kommen auch taubblinde Menschen oder Rollstuhlfahrer*innen. Eine Rolle spielt sicherlich die Barrierefreiheit des Hauses.
Pressemitteilung: AG Selbst Aktiv Berlin fordert Disability Mainstreaming in Bund, Ländern und Kommunen
Auch 13 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) am 26. März 2009 ist Deutschland noch weit von einer inklusiven Gesellschaft entfernt. „In vielen Politikfeldern wird die Situation von Menschen mit Behinderungen zumeist nur unzureichend mitgedacht.
Um Selbstbestimmung als auch Schutz, gleichberechtigte Partizipation und Teilhabe für alle Lebenslagen u.a. beim Wohnen und der Mobilität, im Bildungs- und Gesundheitswesen, auf dem Arbeitsmarkt wie auch in der Freizeit von Anfang einer jeden Planung an sicherzustellen, braucht es ein konsequentes ressortübergreifendes Disability Mainstreaming in Bund, Ländern und Bezirken“, fordert Mechthild Rawert, Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv – Menschen mit Behinderung in der SPD Berlin.
Im Deutschen Bundestag, im Berliner Abgeordnetenhaus, in den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen sollen nicht nur die Sozialausschüsse, sondern auch alle anderen Ausschüsse die Umsetzung der UN-BRK als ihre originäre Aufgabe begreifen. Die Interessen, Bedarfe und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen sind in jedem Politikfeld zu berücksichtigen.
Alle Politiker:innen vertreten unabhängig von ihrer fachlichen Spezialisierung immer alle Bürger:innen ihres Wahlkreises. Sie vertreten das ganze Volk – und Menschen mit Beeinträchtigungen sind rund ein Fünftel dieses Volkes“, betont Rawert. „Es geht nicht an, dass Themen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, vorrangig beim Sozialressort verortet sind. Behindertenpolitik ist Teilhabepolitik – und Teilhabepolitik geht uns alle an.“
Die AG Selbst Aktiv ist Teil der Berliner SPD. Hier engagieren sich Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen, mit und ohne SPD-Parteibuch für eine solidarische und respektvolle Politik. Wir verstehen uns als Plattform für Menschen, die sich in den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereichen in und außerhalb der SPD für Partizipation, Inklusion, Barrierefreiheit und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in ihrer Vielfalt engagieren. Dafür arbeiten wir mit vielen gesellschaftlichen Gruppen zusammen.
Pressemitteilung zum Internationalen Frauentag am 8. März 2022
Die Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv nimmt den Internationalen Frauentag am 08. März zum Anlass, um auf die besondere Lage von Frauen mit Behinderungen aufmerksam zu machen.
Immer noch sind sie im Arbeitsleben nicht so präsent wie sie sein könnten und haben deshalb häufig kleinere Rentenansprüche.
Oft haben sie auch Probleme, ihre Familienarbeit mit Unterstützung erledigen zu können und für ihre Kinder angemessen zu sorgen.
Wir fordern Politik, Arbeitgeber und Gesellschaft auf, Frauen mit Behinderungen verstärkt in den Blick zu nehmen und sich für ihre verbrieften Rechte auf allen Ebenen einzusetzen.
Es muss dringend ein Bewusstseinswechsel erfolgen, denn es geht nicht um Mitleid und Almosen, sondern um verbriefte Rechte, wie sie die UN-Behindertenrechtskonvention im Artikel 6 vorsieht. Häufig sind Mädchen und Frauen mit Behinderungen mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt.
„Wir sind die Lobby für Menschen mit Behinderungen, lenken aber heute den Blick insbesondere auf die Frauen mit Behinderungen“, so Anne Kleinschnieder, stellvertretende Bundesvorsitzende der AG Selbst Aktiv.
Mitgliederversammlung der AG Selbst Aktiv am 24.2.2022
Demokratie braucht Inklusion. Demokratie beruht auf der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen mit und ohne Behinderungen. Als Sozialdemokrat*innen wollen wir eine aktive demokratiefördernde und demokratiestärkende Kraft für alle sein – in der Politik, im Verwaltungshandeln, im zivilgesellschaftlichem und (partei-)politischem Engagement. Als AG Selbst Aktiv engagieren wir uns deshalb in und außerhalb der SPD für Partizipation, Inklusion, Barrierefreiheit und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in ihrer Vielfalt.
In unserer gut besuchten digitalen Selbst Aktiv-Mitgliederversammlung am 24. Februar 2022 haben wir uns mit dem Berliner Koalitionsvertrag und dem Landesgleichberechtigungsgesetz befasst. Referentin war Dr. Catharina Hübner, Projektleiterin der Monitoring-Stelle UN-BRK beim Deutschen Institut für Menschenrechte.
Koalitionsvertrag 2021 – 2026. Zukunftshauptstadt Berlin. Sozial. Ökologisch. Vielfältig. Wirtschaftsstark.
Frau Hübner lobte den Koalitionsvertrag, da dieser sich ausdrücklich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bekennt und Inklusion und Barrierefreiheit als Querschnittsaufgaben für alle Politikbereiche versteht. In der Diskussion wurde herausgestellt, dass wir Selbst Aktive es bedauern, dass der schrittweise Abbau von Sonderstrukturen zu wenig betont werde. Dieser Mangel zeigt, dass in unseren (politischen) Köpfen Inklusion noch nicht weit genug im Sinne von einer Gesellschaft für alle gedacht werde: selbstbestimmtes Wohnen anstatt fremdbestimmter besonderer Wohnformen, inklusive Schule anstatt von Förderschulen, ein inklusiver Arbeitsmarkt anstatt Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM). Von äußerster Wichtigkeit ist der parlamentarische Prozess zur Novellierung der Bauordnung: Wird diese dafür sorgen, dass die mit öffentlichen Geldern geförderten Neubauten alle barrierefrei sein werden? Angesichts des bereits bestehenden sehr hohen Mangels an bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum in Berlin ist dieses einfach zwingend. Auch müsse die vereinbarte Offensive für politische Bildung u.a. auch bei der Ausgestaltung des Jugenddemokratiefonds junge Menschen mit Behinderungen von Anfang an mit einbeziehen und diese für zivilgesellschaftliches Engagement und politische Beteiligungsprozesse empowern.
Landes-Gleich-Berechtigungs-Gesetz (LGBG)
Am 16. September 2021 hat das Berliner Abgeordnetenhaus das Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) neu beschlossen. Das LGBG ist die rechtliche Grundlage der Politik für Menschen mit Behinderungen in Berlin und dient dazu, die UN-Behindertenrechtskonvention hier umzusetzen. Das Gesetz selbst und die damit vorgeschriebene notwendige Bereitstellung von Ressourcen (Geld, Personal, etc.) ist aus inklusionspolitischer Sicht von zentraler Bedeutung: Der Berliner Senat und alle öffentlichen Stellen sind verpflichtet, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Rechte durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten.
Das LGBG regelt gemäß der Devise „Nichts über uns ohne uns“ die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an Entscheidungsprozessen und ihre Einflussnahme auf das politische und/oder verwaltungstechnische Ergebnisse (Partizipation). Mit Hilfe ihrer Präsentation „Partizipation im Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) Berlin – normative Grundlagen und praktische Erfahrungen“ verdeutlicht Frau Hübner die Grundsätze der Teilhabe und Partizipation u.a. in Gremien und Beiräten auf Landes- und Bezirksebene. Deutlich werden viele notwendige Verbesserungen.
Bisher sind die Menschen mit Behinderungen mit der politischen Partizipation in Berlin nicht sehr zufrieden. Das haben zahlreiche Befragungen ergeben, die für den 2021 veröffentlichten Bericht „Politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen in Berlin. Erfahrungen, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen“ (PDF-Download) durchgeführt wurden. Es ist die Aufgabe aller verantwortlichen Politiker*innen unser aller Aufgabe, bei der Umsetzung des LGBG die ernst gemeinte – über eine alibimäßige Beteiligung hinausgehende – Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in politische Entscheidungsprozesse besonders zu stärken. Damit Mitwirkung und Partizipation auf Augenhöhe gelingt, braucht es mehr finanzielle Ressourcen und mehr Barrierefreiheit – auch in den Köpfen von uns SPDler*innen.
Bessere Beteiligung von Menschen mit Behinderungen
Die Berliner AG Selbst Aktiv gratuliert der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Tempelhof-Schöneberg zur Stärkung der Beteiligungsrechte des bezirklichen Beirats von und für Menschen mit Behinderungen. Damit wird die Partizipation, Inklusion, Barrierefreiheit und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in ihrer Vielfalt auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gestärkt. Besonderer Dank gebührt Janis Hantke, SPD-Bezirksverordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Frauen-, Queer- und Inklusionspolitik, auf deren Initiative es zur Ergänzung der BVV-Geschäftsordnung gekommen ist. “Die neue Geschäftsordnung ist ein Vorbild für andere Bezirke”, betont Mechthild Rawert, Landesvorsitzende der AG Selbst Aktiv – Menschen mit Behinderungen in der SPD Berlin. “Die intensiven Bemühungen in Tempelhof-Schöneberg zeigen aber auch auf, wofür wir uns als AG Selbst Aktiv noch stark einsetzen müssen: Auch bezirkliche Beiräte von und für Menschen mit Behinderungen müssen in Zukunft durch Wahlen demokratisch legitimiert werden. Wir Selbst Aktive freuen uns auf die künftigen Diskussionen in den Berliner BVVen. Wir freuen uns auch auf eine diesbezügliche Beratung durch die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
Wir haben einen „Inklusionsplan der SPD 2017 – 2023“
Unser Antrag zur Erstellung eines innerparteilichen Berliner SPD-Inklusionsplanes wurde auf dem Landesparteitag am 20.05.2017 beschlossenen und die damit verbundenen 11 Ziele wurden in der „Berliner Stimme“ am 18.11.2017 erläutert. Grundlegende Ziele sind dafür zu sorgen, dass SPDler*innen mit und ohne Beeinträchtigungen gleiche Chancen bei politischen Entscheidungsprozessen und für ein aktives Parteileben haben und dass die Behindertenpolitik als Querschnittsaufgabe ihren menschenrechtlich gebotenen Stellenwert in Politik und Verwaltungshandeln erhält. Mitarbeiter*innen des Kurt-Schumacher-Hauses haben dankenswerterweise die damit verbundene Aufgaben für alle Gliederungen operationalisiert.
Aus der „Allianz der Willigen“ muss eine „Allianz der zur Umsetzung Entschlossenen“ werden. Eine hohe Verantwortung für ein zügig zu implementierendes Disability Mainstreaming trägt u.a. der SPD- und der Selbst Aktiv-Landesvorstand sowie die entsprechenden SPD-Leitungsgremien auf Kreis- und Abteilungsebene.
Gedenken der Opfer der “Euthanasie”-Morde am 27.1.2022
Kranzniederlegung und Rede am Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie”-Morde am 27.Januar 2022 durch Mechthild Rawert, Landesvorsitzende
Liebe Berlinerinnen und Berliner mit und ohne Beeinträchtigungen,
liebe Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv – Menschen mit Behinderungen in der SPD,
Holocaust-Gedenktag
am heutigen Holocaust-Gedenktag erinnern wir an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee vor 77 Jahren. Wir gedenken der weltweiten Opfer des nationalsozialistischen Unrechtsregimes. Wir schämen uns für die in der Vergangenheit existierende gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, schämen uns für den Antisemitismus und den Rassismus – die leider auch heute noch in verschiedensten Ausprägungen ihre Fratze zeigen.
Wir gedenken.
Wir trauern.
Wir mahnen.
Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ muss für uns alle kompromisslose Richtschnur unseres Handelns sein und bleiben. Wir dürfen nie wieder zuzulassen, dass Menschen ausgegrenzt, verfolgt und in ihrem Lebensrecht beschnitten werden“.
Wir Selbst Aktive fordern Inklusion von Anfang an. Denn Inklusion ist Demokratie. Unsere Politik und Gesellschaft müssen sich überall und zu jeder Zeit für eine diskriminierungsfreie Partizipation, Inklusion, Barrierefreiheit und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrer Vielfalt stark machen. So haben menschenverachtende Ideologien wie jene der Euthanasie heute und in Zukunft keine Chance.
Erinnerung und Wachsamkeit
Hier an diesem Ort in der Tiergartenstraße 4 befand sich ab April 1940 die Zentrale für die Organisation, die unter dem Decknamen „T4“ den Massenmord initiierte, koordinierte und durchführte. Die sogenannte Euthanasie war das erste systematische Massenverbrechen der Nazis. Sie gilt als Vorstufe zur Vernichtung der europäischen Juden.
Adolf Hitler gab mit einem auf den 1. September 1939 – dem Tag des Überfalls auf Polen, mit dem der Zweite Weltkrieg begann – zurückdatierten Schreiben unter dem Codenamen “Aktion T4” die Ermächtigung zum systematischen Massenmord und Zwangssterilationen an Menschen, deren Leben die Nationalsozialisten als nicht lebenswert betrachteten.
Bereits bis 1941 wurden 70.000 Menschen in Anstalten vergast oder durch Medikamente und Giftspritzen getötet. Die sogenannte Euthanasie war das erste systematische Massenverbrechen der Nazis. Sie gilt als Vorstufe zur Vernichtung der europäischen Juden. Zwischen 1939 und 1945 wurden im Deutschen Reich und im deutsch besetzen Europa rund 300.000 Patient*ìnnen aus öffentlichen Heil- und Pflegeanstalten und ihren extra eingerichteten „Hungerhäusern“ sowie „rassisch“ und sozial unerwünschte Menschen als „lebensunwert“ perfide ermordet.
Die Täter*innen lebten unter uns Deutschen, waren Ärzte, waren Pflegekräfte. Viele lebten auch nach der NS-Zeit als geachtete Bürger*innen weiter unter uns.
Dunkle Schatten der Vergangenheit
Lange wurden die NS-„Euthanasie”-Verbrechen an Kindern und Erwachsenen mit Beeinträchtigungen oder unheilbaren Krankheiten an verschiedenen Orten Deutschlands und Europas verharmlost und verschwiegen. Die Ermordung von Menschen mit Behinderungen gehört mit zu den dunkelsten Geschichten Deutschlands. Es ist unser aller Aufgabe, zu gedenken, zu erinnern und zu mahnen. Nur mit der Erinnerung und Wachsamkeit ist es möglich, dass sich so unfassbare, so abscheuliche Verbrechen an der Menschheit und an der Menschlichkeit nicht wiederholen.
Wie lang die Schatten der Vergangenheit dauern, möchte ich an zwei Aspekten deutlich machen:
Erstens: Während der NS-Diktatur wurden rund 400 000 Menschen von den Nationalsozialist*innen zwangssterilisiert. Die Zwangssterilisation wurde aus „rassenhygienischen“ Gründen durchgeführt. Dieser Zwangseingriff prägte das Leben der Überlebenden ein Leben lang. Sie haben lange für eine angemessene Entschädigung sprich höhere Rente gekämpft. Als NS-Verfolgte anerkannt wurden sie nicht.
Erst 2007 hat der Deutsche Bundestag das Zwangssterilisationsgesetz des NS-Regimes geächtet. Und erst mit der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsgesetzes 2021 gilt: Eine Betreuerin darf nur dann einer Sterilisation zustimmen, wenn die betreute Person das will, wenn er* oder sie* hierzu ausdrücklich Ja sagt.
Zweitens: Nach 1945 zählten die Opfer der Patient*innenmordaktion und Zwangssterilisation lange zu den vergessenen Opfern des Nationalsozialismus, die von der historischen Forschung kaum beachtet wurden. Die öffentliche Erinnerung an diese Massenmorde begann in Deutschland erst in den 1980-er Jahren. Erinnerung passiert nicht einfach so. Viele engagierte Menschen haben diese bewahrt und vermittelt. Auch Dank des Einsatzes vieler Bürger*innen beschlossen Bundesregierung und Bundestag 2011 die Einrichtung dieses öffentlichen Denkmals für die Opfer der Euthanasie und Zwangssterilisationen. Dieser Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie”-Morde wurde am 2. September 2014 eröffnet.
Ich möchte einige der ermordeten Berliner*innen vorstellen und Ihnen somit ein Gesicht geben. Die Informationen entstammen dem 2011 geschaffenen virtuellen Gedenk- und Informationsort www.gedenkort-t4.eu:
I. Siegfried Gatzke wurde 10 Jahre alt
Siegfried Gatzke wurde am 12. August 1930 in Berlin geboren und am 11. Juni 1940 in der T4-Tötungsanstalt Brandenburg/Havel ermordet.
In diesem Juni 1940 wurden mit ihm insgesamt 1.431 Menschen ermordet. Die Tötung der Menschen erfolgte mit Kohlenstoffmonoxid. Die Gaskammern waren als Duschen getarnt. Die Bedienung des Gashahns war den vorgesetzten Ärzten vorbehalten, im Laufe der Aktion wurde er jedoch auch häufig von nichtärztlichem Personal bedient.
Gedenken: Ein Stolperstein für Siegfried Gatzke wurde 2004 in der Courbierestraße 15 in Berlin-Schöneberg verlegt. Weitere Informationen
II. Herta Martha Wieland (geb. Ostwald) wurde 35 Jahre alt
Herta Martha Wieland (geb. Ostwald) wurde am 22.03.1909 in Berlin geboren und wurde am 25.03.1944 in Teupitz (Brandenburg) ermordet.
Herta Martha Ostwald hatte drei Geschwister. Sie heiratete am 7. März 1936 den Schlosser Helmut Hermann Karl Wieland. Sie zogen nach Treuenbrietzen und bekamen vier Kinder. Ihr Mann Helmut war seit 1941 im Krieg an der belgischen Front. Zusammen mit den Kindern zog sie erst nach Stahnsdorf, dann nach Potsdam um.
Am 19. März 1944 erfolgte aus heute unbekannten Gründen eine Einweisung in die Heil- und Pflegeanstalt Teupitz, 3 Kinder kamen ins Kinderheim, die Jüngste blieb bei ihr. In der Familie wurde später von epileptischen Anfällen gesprochen. In der Sie starb wenige Tage später, am 25.3.1944 um 8.45 Uhr Tod in der Heil- und Pflegeanstalt Teupitz. Ihr Mann war auf Fronturlaub und besuchte gegen Mittag noch einmal die Klinik: Da wird ihm nur ihr Tod und als Todesursache: „Entkräftung bei Geisteskrankheit“ mitgeteilt. Herta Martha Wieland war am Tag ihrer Einweisung 6 Tage vorher körperlich vollkommen gesund und bei Kräften. Die tatsächliche Todesursache war vermutlich eine Luminol- oder Luftspritze. Der Ehemann sagte später: „Die haben sie gespritzt”, wie sich eine Tochter erinnerte. Weitere Informationen
III. Walter Keiner wurde 26 Jahre alt
Walter Keiner wurde am 15. Juli 1904 in Berlin geboren und am 15.07.1940 in Brandenburg/Havel (Brandenburg) vergast.
Walter Keiner erkrankte im Alter von anderthalb Jahren an Hirnhautentzündung. Als Folge dieser Erkrankung wurde ihm ein Hirnschaden attestiert und er litt er seit früher Kindheit unter Epilepsie. Er war auf dem linken Ohr taub und auf dem rechten schwerhörig. Anlässlich seiner Aufnahme in die Wittenauer Heilstätte 1940 wurde die Intelligenz und sein Wissen bewertet. Dem 26-jährigen wurde das „Wissen und Intelligenz eines Neunjährigen“ bescheinigt.
Seit seinem fünften Lebensjahr war Walter Keiner (mit mehreren Unterbrechungen) in Anstalten untergebracht. Im Laufe seiner gesamten „Anstaltskarriere“ kam es immer wieder zu Beschwerden der Eltern über die Behandlung von Walter in den diversen Einrichtungen. Sie führten einen Kampf gegen Anstaltsleitungen, Pflegepersonal und Behörden, u.a. weil sie sich dagegen stellten, dass Walter geschlagen oder misshandelt wurde, darauf hinwiesen, dass Walter kein Fürsorgezögling sei, was ihnen die Einstufung „einsichtslose, querulantische Eltern“ einbrachte. Das Pflegepersonal beschrieb Walter als schwierigen, sehr reizbaren und jähzornigen Patienten. Die Eltern holten Walter in den 1930er-Jahren wiederholt für einige Tage nach Hause, zumeist an Feiertagen wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten. Ein Versuch, Walter ganz nach Hause zu holen, scheiterte im Jahr 1929.
Walter Keiner wurde als einer von mehr als 70.000 psychisch kranken und geistig behinderten Menschen vergast. Weitere Informationen
IV. Sigrid Röhling wurde 2 Jahre alt
Sigrid Röhling wurde am 03.04.1941 in Berlin geboren und am 21.07.1943 in Berlin ermordet. Sie hatte eine Schwester, die Mutter war mit dem dritten Kind schwanger, als sie für ihre letzten acht Monate ihres Lebens in die Städtischen Nervenklinik für Kinder „Wiesengrund“ gebracht wurde, wo sie auch starb.
Ihr erstes Lebensjahr verlebte Sigrid bei der Familie. Die Eltern beobachteten schon kurz nach ihrer Geburt Krampfanfälle, die ab dem fünften Lebensmonat zunehmend stärker und häufiger auftraten. Mit fünf Monaten kam sie deshalb zur Beobachtung ins Säuglingsheim Weißensee, wo eine geistige Behinderung (Debilitas) und Krampfanfälle festgestellt wurden. Mit zehn Monaten wurde sie in der Kinderpoliklinik der Charité vorgestellt. Hier lautete die Diagnose „Idiotie“.
Sigrid wurde dem „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“ gemeldet. Wenig später wurde sie einem der drei Gutachter, die für den „Reichsausschuss“ Kinder hinsichtlich ihres „Lebenswerts“ begutachteten; „lebensunwerte“ Kinder wurden in eigens eingerichtete „Kinderfachabteilungen“ zur Tötung eingewiesen.
Der Pflegebericht beschreibt Sigrids letzte Monate: Von Anfang an war sie ein sehr unruhiges und weinendes Kind. Sie hatte Häufig Fieberschübe und musste sich erbrechen. Es traten sich steigernde Krampfanfälle auf. Zwei Monate nach der Aufnahme in der Klinik wurde Sigrid auf den Heimkostensatz gesetzt, der viel geringer als der normale Kliniksatz war.
Sigrid gehörte im „Wiesengrund“ zu den Kindern, an denen ein neuer Tuberkuloseimpfstoff erprobt wurde. Dazu wurden Kinder mit abgetöteten Tuberkelbazillen geimpft, um die Reaktion auf die Impfung zu beobachten. Die Impfstellen entwickelten sich zu stark eiternden Geschwüren, die den Kindern unsägliche Qualen bereitet haben müssen. Außerdem wurden bei Sigrid Luftencephalografien vorgenommen, eine schmerzhafte und gefährliche Untersuchungsmethode, die dazu diente, Röntgenaufnahmen des Gehirns machen zu können. Nach der zweiten Encephalografie erlitt Sigrid einen schweren Krampfanfall, an dem sie verstarb.
Nach ihrem Tode wurde ihr Körper obduziert. Der Mutter, die Informationen über das Sektionsergebnis wünschte, wurde mit entschuldigenden Worten mitgeteilt, dass der Bericht noch nicht vorliege, jedoch kein erbliches Leiden bestanden habe.
Gedenken: Für Sigrid Röhling wurde ein Stolperstein vor dem Ort ihrer Ermordung am Eichborndamm 240 verlegt. Weitere Informationen
V. Wolfgang Götz Zerban wurde 3 Jahre als
Wolfgang Götz Zerban wurde am 26.01.1941 in Berlin geboren und am 23.07.1944 in Starogard Gdański (Pomorskie) ermordet.
Wolfgang Götz Zerban war das zweite von insgesamt 6 Kindern. Er wurde mit dem Down Syndrom geboren und wuchs die ersten beiden Lebensjahre im Elternhaus in Berlin Schmargendorf auf. Im Sommer 1943 wurde die Mutter mit ihren drei Kindern nach Tolkemit (Landkreis Elbing Westpreussen) evakuiert. Der Vater, ein Oberregierungsrat im Reichsarbeitsministerium, blieb in Berlin und besuchte seine Familie nur zeitweilig.
Mit dem vierten Kind schwanger ersuchte Wolfgangs Mutter im Herbst 1943 um seine Aufnahme in einer Anstalt, da sie offenkundig mit der Betreuung des Kindes in der prekären Situation und unsicheren Wohnsituation überfordert war und sich um das Wohl des ungeborenen Geschwisterkindes sorgte. Wolfgang kam in die sog. „Kinderfachabteilung“ der Heil- und Pflegeanstalt Konradstein in Preußisch Stargard.
Die Krankenakte beschreibt das zweijährige Kind als „boshaft“, „widerspenstig“ und „zerstörungswütig“. Für Wolfgang begann ein Martyrium mit mehreren Infekten, Hinweise auf eine medizinische Behandlung oder Linderung von Beschwerden finden sich nicht.
Auch Wolfgang Götz Zerban sollte ein Opfer der menschenverachtenden NS-Ideologie werden, die Behinderte für „lebensunwert“ hielt, die es aus rassenhygienischen Gründen „auszumerzen“ gelte. Er wurde zu einem sogenannten „Reichsauschusskind“: In einem Bericht an den „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ vom 31.3.1944 konstatierte der Anstaltsdirektor eine „Erziehungsunfähigkeit“ und schließt lapidar mit „Diagnose: Mongolismus, Prognose: Aussichtslos.“ Solche Meldebögen wurden In der Unterabteilung IIb der Kanzlei des Führers bearbeitet und dann an die drei vom Reichsausschuss bestellten Gutachter weitergegeben. Diese entschieden über jeden einzelnen Fall aufgrund der Meldebögen: Wolfgang Zerban wurde mit dem Merkzeichen „+“ als Euthanasiefall zur „Behandlung“ und damit Ermordung „freigegeben“.
Im Juni 1944 spricht die Krankenakte von „zunehmender Verschlechterung des Gesamtzustandes, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust.“ Als Todesursache findet sich in der Krankenakte Drüsentuberkulose.
Zur Erläuterung: Der „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“ war praktisch eine 1939 eingerichtete Tarnorganisation zur Durchführung zunächst der Kinder- und später auch der Erwachsenen-Euthanasie. Er war streng geheim und direkt bei der Kanzlei des Führers angesiedelt. Ab August 1939 war es für Ärzte und Hebammen Pflicht, „missgestaltete usw. Neugeborene“ und Kinder zu melden, angeblich zur „Klärung wissenschaftlicher Fragen“. Anhand der Meldebogen, ohne Kind oder Krankenakte gesehen zu haben, wurde in der Führer-Kanzlei von drei „Gutachtern“ des „Reichsausschusses“ entschieden, wer zur Tötung bestimmt war. Dazu wurden ab Oktober 1939 „Kinderfachabteilungen“ in bestehenden Anstalten eingerichtet. Weitere Informationen
VI. Marie Beuster (geb. Kersten) wurde 66 Jahre alt
Marie Beuster (geb. Kersten) wurde am 18.02.1878 in Berlin geboren und am 13.04.1943 in Meseritz (Międzyrzecz) (Województwo Lubuskie) ermordet.
Marie Kersten besuchte die Volksschule und erlernte den Beruf einer Zuschneiderin. 1901 heiratete sie und bekam 1904 einen Sohn. Nach Aussagen des Ehemannes ist die Ehe glücklich gewesen.
Am 18. Mai 1907 wurde die 29-jährige Marie Beuster das erste Mal in dien Wittenauer Heilstätten (heute Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik) aufgenommen. Die Diagnose des Arztes lautete: „Schizophrenie“. Sie wurde nach 278 Tagen „mit gebessertem Zustand“ entlassen. Die zweite Einweisung erfolgte erst mehr als 30 Jahre später, am 11. November 1939. Im Aufnahmebericht heißt es: „Wurde zwei Tage vor der Einweisung auffällig. Sprach sehr viel.“ Von August bis November 1940 war Marie Beuster wieder zu Hause, wurde dann aber erneut eingewiesen, da die Pflege durch den Ehemann nicht mehr gewährleistet werden konnte. In Wittenau wurde sie anfänglich mit Hausarbeiten, später mit dem Zupfen von Lumpen beschäftigt. Das Krankheitsbild von Marie Beuster wurde am 15. Januar 1943 wie folgt beschrieben: „Verschlechtert sich mehr und mehr, leistet kaum noch Arbeit. Vorgeschlagen zur Verlegung in die Provinz.“
Am 29. Januar 1943 wurde Marie Beuster in die Heil- und Pflegeanstalt Obrawalde bei Meseritz (rund 150 Kilometer östlich von Berlin, heute in Polen gelegen) deportiert. Die Anstalt Obrawalde war unter den Nationalsozialisten eine Tötungsanstalt, in der mehrere Tausend psychisch kranke Menschen ermordet wurden.
Die Umstände ihres Todes lassen darauf schließen, dass die nicht mehr arbeitsfähige, alte und kranke Frau kurz nach ihrer Ankunft in Obrawalde mit einer Überdosis Medikamenten vergiftet wurde. Weitere Informationen
VII. Helmut Deutschmann wurde 21 Jahre alt
Helmut Deutschmann wurde am 01.01.1921 in Berlin geboren und am 27.04.1944 in Meseritz (Międzyrzecz) (Województwo Lubuskie) ermordet.
Er hatte keinen Beruf und wohnte in der Feurigstraße 23 bei seinen Eltern. Am 9.1.1943 wurde er in Rahnsdorf von einem Straßenbahnschaffner aufgegriffen, als er ohne Geld die Straßenbahn bestieg. Der Schaffner übergab ihn der Polizei. Im Polizeigefängnis wurde er auf seinen Geisteszustand hin untersucht, das Ergebnis – „gemeingefährliche Geisteskrankheit“ – führte zur Überweisung in die Wittenauer Heilanstalten. Der Aufnahmearzt stellte fest, dass Helmut Deutschmann taubstumm war und weder lesen noch schreiben konnte. Seine Mutter setzte schließlich durch, dass er am 9.2.1943 entlassen wurde und wieder zu Hause wohnen konnte.
Nach ihrem baldigen Tod konnte sein Vater nicht mehr für ihn sorgen. Er wurde erneut nach Wittenau gebracht. Helmut Deutschmann galt als „schwieriger“ Patient, da er nicht lautsprachlich kommunizieren konnte. So wurde er am 11.3.1944 zur Verlegung nach Meseritz-Obrawalde vorgeschlagen, was am 26.4.1944 auch geschah. Nur einen Tag später starb er dort. Vermutlich wurde Helmut Deutschmann Opfer der in Meseritz-Obrawalde verübten Morde durch die Gabe von Überdosen von Medikamenten. Weitere Informationen
VIII. Dagmar Ullrich wurde 1 1/2 Jahre alt
Dagmar Ullrich wurde als uneheliches Kind am 26.10.1941 in Berlin geboren und starb am 10.01.1943 in Berlin.
Dagmar kam in der Landesfrauenklinik Neukölln im Mariendorfer Weg in einer normalen Geburt zur Welt. Das mehrfach behinderte Kind wurde zumeist privat betreut, war aber auch einige Wochen im Waisenhaus in der Alten Jakobstraße in Berlin-Kreuzberg. Auf Veranlassung des „Reichsausschusses zur Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“ wurde Dagmar Im Juni 1942 in die Städtische Nervenklinik für Kinder in Berlin-Wittenau aufgenommen.
Im Aufnahmebefund wurde Dagmar als geistig und körperlich nicht altersgemäß entwickeltes Kind mit einer auffallenden Mikrocephalie beschrieben. Auf die Ärztin der Städtischen Nervenklinik machte die Mutter „einen ganz geweckten, sympathischen Eindruck“, die im Aufnahmegespräch die Hoffnungslosigkeit des Falles einsah und wünschte, dass das Kind lieber nicht am Leben bliebe.
An Dagmar wurden im November 1942 drei Mal eine Luftencephalografie vorgenommen. Der Austausch des Gehirnliquors mit Luft diente der Herstellung möglichst kontrastreicher Röntgenbilder des Schädels. Dieser bei Kindern häufig vorgenommene Eingriff war für die Kinder nicht ohne Risiko, sehr schmerzhaft und oft mit mehrtägiger Übelkeit verbunden.
Am 29. Dezember 1942 wurde Dagmar, wie viele ihrer Leidensgenossen, mit abgetöteten TBC-Bakterien geimpft. Nach dieser Impfung war sie laut Pflegedokumentation mehrere Tage hintereinander sehr unruhig, was sich in stundenlangem Schreien und Weinen äußerte. Eine Nahrungsaufnahme verweigerte sie. Aufgrund der Unruhe erhielt sie mehrere Tage hintereinander Luminaletten (Schlafmittel).
Am 10. Januar 1943 um 16:30 Uhr verstarb Dagmar Ullrich in der Nervenklinik „Wiesengrund“. Weitere Informationen
Verantwortung: Wer ist ein Zeitzeuge? Wer ist eine Zeitzeugin?
Es ist unsere Aufgabe als Demokrat*innen, als Sozialdemokrat*innen wachsam gegenüber Unmenschlichkeit zu sein und uns aktiv gegen Ausgrenzung, Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu stellen.
Es gilt, jedem Menschen ein Gesicht zu geben, niemanden aufgrund von Behinderung, Geschlecht, Herkunft, Glauben, sexueller Identität zu diskriminieren. Wir lehnen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ab.
Jeder Einzelne ist ein Zeitzeuge, jede Einzelne ist eine Zeitzeugin.
Die überlebenden Opfer und Täter aus den Zeiten der NS-Diktatur sterben aus. Nicht aber die Verantwortung gegen eine nationalsozialistische Indoktrin anzukämpfen. Wir stehen in der Verantwortung, den Schrecken der Nazi-Zeit nicht dem Vergessen anheim gehen zu lassen. Wir alle stehen in der Verantwortung für das „Nie wieder“.
PM zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen 2021
AG Selbst Aktiv in der SPD Berlin: „Partizipation von Anfang an“
Politische Entscheidungsprozesse betreffen Menschen mit und ohne Behinderungen – allerdings häufig mit sehr unterschiedlichen Wirkungen. Damit tatsächlich alle Bürger*innen die gleichen Chancen auf Selbstbestimmung und soziale Teilhabe, auf Verwirklichung von Lebensträumen haben, müssen Verantwortliche in Politik und Verwaltung ressortübergreifend diese unterschiedlichen Wirkungen bei allen Entscheidungsprozessen im Blick haben.
Für uns Sozialdemokrat*innen sind Inklusion und Barrierefreiheit aktiv umzusetzende Querschnittsaufgaben in allen politischen Bereichen. Wir übernehmen Verantwortung dafür, dass vorhandene Benachteiligungen, Diskriminierungen und Barrieren für Menschen mit Behinderungen u.a. beim Wohnen und in der Mobilität, in Wirtschaft und Arbeit, im Gesundheitswesen, in Bildung und Digitalisierung zügig abgebaut und neue verhindert werden.
Als AG Selbst Aktiv – Menschen mit Behinderungen in der SPD Berlin setzen wir uns in unserer Partei, in Politik und Gesellschaft aktiv für Inklusion und eine umfassende Barrierefreiheit ein. Wir unterstützen Menschen und Organisationen, sich politisch einzubringen und somit Lebensbedingungen politisch selbst mitzugestalten. Wir stehen im kontinuierlichen Austausch mit politischen Entscheidungsträger*innen, um zu erfahren, wie diese das Partizipationsgebot der UN-Behindertenkonvention und des Landesgleichberechtigungsgesetzes in ihrer politisch-fachlichen Arbeit umsetzen.
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