Bei Selbst Aktiv engagieren sich Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen. Wir machen Politik für gleiche Rechte und gleiche Chancen für uns alle in Berlin.
Noch ist das alltägliche Leben für mehr als 600.000 Berliner:innen mit Behinderungen viel komplizierter und anstrengender als für die meisten. Warum? Es gibt zu viele Barrieren: in öffentlichen Einrichtungen, in der Bildung, am Arbeitsplatz, beim Wohnen und im Verkehr, im Gesundheitswesen und bei der Digitalisierung. Wir machen Politik für ein Berlin ohne Barrieren.
Unsere Demokratie braucht mehr Inklusion. Und Inklusion braucht mehr Teilhabe und wirkungsvolle Mitbestimmung von vielen Expert:innen in eigener Sache. Das gilt auch für die SPD. Daher unsere Bitte: Werde Selbst Aktiv und engagiere Dich. Mach auch Du mit uns sozialdemokratische Politik für mehr Inklusion, Teilhabe und Selbstbestimmung.
Europawahl 2024
- Einfache Sprache: Unser Programm für die Europawahl 2024
- Leichte Sprache: Wahlprogramm von der SPD zur Europa-Wahl 2024
Ziele der AG Selbst Aktiv
Mehr Selbstbestimmung
Als Expert:innen in eigener Sache wollen und können Menschen mit Behinderungen ihre Interessen selbstbestimmt vertreten und selbstverantwortlich wahrnehmen.
Mehr Teilhabe
Sie haben das Recht auf Partizipation in allen Lebensbereichen – auch in den Parteien und Parlamenten.
Mehr Bewusstsein für Barrierefreiheit
Wir alle tragen Verantwortung für eine Umwelt, die so gestaltet ist, dass Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen sie zu jeder Zeit gleich nutzen können.
Gute Bildungswege
Wir fordern mehr politischen Willen für ein inklusives Bildungssystem, in dem jedes Talent und jede Begabung gefördert wird.
Wohnen und Mobilität
Barrierefreiheit ist ein Qualitätsstandard für jedes Gebäude und den ÖPNV. Wir fordern dafür ausreichend höhere Investitionen.
Mitmachen!
Wenn Du in der AG Selbst Aktiv mitmachen möchtest, dann fülle die Online-Beitrittserklärung aus und sende sie ab.
Beitrittserklärung AG Selbst Aktiv
Du kannst statt des Online-Formulars auch die Beitrittserklärung als PDF herunterladen, ausfüllen und dann an den SPD-Landesverband Berlin, Müllerstraße 163, 13353 Berlin oder per E-Mail an selbstaktiv@spd.berlin schicken.
Vorstand
- Vorsitzende:
Thomas Koch und Mechthild Rawert - Stellvertretende Vorsitzende:
Janis Hantke und Sascha Lucke
Schriftführerin:
Nicole Ngo Libam - Beisitzer*innen:
- Erik Armbrüster, Ulf Autrum, Thérèse Berger-Homa , Alexander Michael Boster, Andreas Domann, Christian Horn und Regine Laroche
Kontakt
SPD Berlin
AG Selbst Aktiv
Müllerstraße 163
13353 Berlin
E-Mail: selbstaktiv@spd.berlin
Telefon: 030-4692-155
Die AG Selbst Aktiv auf Facebook:
Mitteilungen
Mitgliederversammlung 25.5.2023: Wir sagen NEIN zu Gewalt gegen Frauen* mit Beeinträchtigungen
Sehr informativ und gleichermaßen sehr berührend waren die Ausführungen von Pia Witthöft, Leiterin der Mutstelle Berlin, einer Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt an Menschen mit Lernschwierigkeiten, zum schwierigen Thema Gewaltschutz.
Spätestens seit der 2013 veröffentlichten Studie „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland“ wissen wir, dass Frauen mit Behinderungen viel öfter in ihrem Leben Gewalt erfahren, als andere Frauen und Mädchen. Besonders schrecklich ist, dass Frauen mit Behinderung und Beeinträchtigung zwei- bis dreimal häufiger sexuellem Missbrauch in Kindheit und Jugend ausgesetzt waren als der weibliche Bevölkerungsdurchschnitt. Und auch als Erwachsene erfahren sie überdurchschnittlich häufig sexuelle Übergriffe und Gewalt. Das bedeutet auch, dass Frauen, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben und arbeiten, in hohem Maße Gewalt ausgesetzt sind. Für den Gewaltschutz für Menschen mit Behinderungen sind besonders wichtig die UN-Behindertenrechtskonvention, die Istanbul-Konvention, das Sozialgesetzbuch IX.
Unsere Referentin ist Pia Witthöft, Psychologin, die bereits seit 10 Jahren in der Mutstelle (https://mittendrin.fdst.de/mutstelle-einfache-sprache/) arbeitet. Ihre Ausführungen hat sie mit einer sehr übersichtlichen 29-seitigen Präsentation unterstützt, die hier zu finden ist.
Innerhalt der Mutstelle Berlin arbeiten auch vier ehrenamtliche Peer-Expertinnen. Das ist sehr wichtig, da auf diese Weise erweiterte Zugänge zu den betroffenen Menschen gefunden werden. Beraten werden erwachsene Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung und deren Umfeld, u.a. Angehörige oder Fachkräfte. Diejenigen, die die Mutstelle aufsuchen
- kommen in der Regel 3-31 Tage nach einem Vorfall,
- sind zumeist Frauen im Alter von 20-45 Jahren,
- haben eine Vergewaltigung oder ähnlich schwere Form der sexuellen Nötigung erlebt haben,
- leben überwiegend in einer teilstationären/ambulanten Wohnform,
- sind zumeist Opfer von männlichen Tätern, die zu 80% aus dem sozialen Umfeld kommen und zu 35-55% selbst eine Beeinträchtigung haben.
Eine Beratung von Täter*innen erfolgt in der Mutstelle nicht.
Es gibt eine enge fachliche Zusammenarbeit mit anderen Beratungsstellen, Hochschulen aber auch Netzwerkpartner*innen aus der Polizei oder dem Gesundheitswesen. Geleistet werden auch Schulungen und Seminare zum Beispiel für Frauenbeauftragte aus den Werkstätten für Menschen mit Behinderungen. Das Ziel ist auch das Empowerment von Menschen mit Beeinträchtigung, in dem diese erlernen, sich selbst auch zu schützen, u.a. lernen, auch deutlich Nein zu sagen.
Was ist sexuelle Gewalt?
Sexuelle Gewalt bedeutet einen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung. Sexuelle Handlungen werden häufig als Mittel zur Unterwerfung und Demütigung benutzt. Bestehende Machtgefälle werden durch sexuelle Handlungen ohne Einwilligung bzw. gegen den erklärten Willen der anderen Person erzeugt und gefördert. Diese Form der sexuellen Handlungen führen immer zu Verletzungen der körperlichen und seelischen Integrität.
Intensive Diskussion mit Frau Witthöft:
- Wenn es auch auf Bezirksebene Angebote wie die Mutstelle geben sollte, wie müsste die Personalausstattung sein? Wir würden ideal finden, wenn dort 4 Personen tätig sind: eine Person aus der Eingliederungshilfe, eine Peer-Expertin, eine verstehende Assistenz und noch eine psychologische Fachkraft.
- Richtet sich die Mutstelle vorrangig an Frauen, an Menschen aus Einrichtungen? Wir beraten alle, die zu uns kommen, unabhängig davon ob aus Einrichtungen, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, aus dem betreuten Wohnen, etc..
- Werden auch Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen beraten? Die Mutstelle richtet sich vorrangig an Erwachsene. Für Mädchen als Opfer ist Wildwasser e.V. Berlin zu empfehlen und für Jungs als Opfer die berliner jungs – Hilfe für Jungen* bei sexualisierter Gewalt. Hier erfolgt eine mobile unterstützende Traumahilfe oder psychologische Unterstützung.
- Berlin ist in vielen Bereichen nicht barrierefrei. Schränkt das Schutzkonzepte für Frauen mit Beeinträchtigungen ein? Ja, in einigen Bereichen sogar sehr massiv, z.B. wenn die notwendige Beratungsstelle nicht barrierefrei ist, wenn es keinen Frauenhausplatz für Frauen mit Beeinträchtigungen gibt, wenn das Gesundheitswesen zu wenig Kompetenzen im Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen hat, etc.
- Die meisten Menschen erwerben ihre Beeinträchtigung im Laufe des Lebens. Sind Ihnen in der Gewaltschutzarbeit auch Personen bekannt, die ihre Beeinträchtigung im Lauf des Lebens erworben haben? Ja, mir fallen zwei Frauen-Beauftragte mit erworbener Behinderung ein. Diese Frauen haben ein diskriminierungsfreieres Leben kennengelernt und können nun aus mindestens zwei Perspektiven auf die Erfordernisse von Gewalt und Gewaltschutz schauen.
- Was kann getan werden, dass die alternde Gesellschaft sich stärker mit dem Thema Beeinträchtigung befasst? Unsere Gesellschaft verdrängt das Thema. Wir kommen häufig erst dann ins Handeln, wenn die Bedürftigkeit da ist. Häufig kann Bewusstsein für verkehrte Strukturen erzeugt werden, indem an Einzelfällen aufgezeigt wird, was es an Veränderung braucht.
- Wie ist es möglich, z.B. einen 12-järigen, der einmal schlechte Erfahrungen mit psychologischer Beratung, dazu zu bewegen, doch einen neuen Anlauf zu unternehmen? Auch in der Mutstelle sind solche Situationen bekannt, Termine werden gemacht und ständig wieder abgesagt. Wir schauen dann, wie wir das Setting anders machen können. Vielleicht ist es sinnvoller mit der Mutter oder der Fachkraft zu reden, oder erst nach anderen Kursen zu schauen, z.B. Selbstbehauptungskurse, Internet-Chats oder etwas, was das Selbstwertgefühl stärkt. Eine gute Lösung sind auch eher Kreativ-Therapien wie pferdegestütztes Arbeiten oder Ergotherapie, die mensch auch auf Rezept erhalten kann.
Bitte um politische Unterstützung
Frau Witthöft verweist eindringlich auf immer noch bestehende Schutzlücken und bittet die AG Selbst Aktiv, bittet die Politik, hier Abhilfe zu tun. So fehle für Berlin eine Fachstelle „Gewaltschutz inklusiv“. Im Namen der AG Selbst Aktiv verspricht Mechthild Rawert, entsprechende Unterstützung. Direkt im Anschluss an diese Mitgliederversammlung hat ein diesbezügliches Gespräch mit Mirjam Golm, Sprecherin für Gleichstellung und Frauen in der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus bereits stattgefunden.
Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)
Angesprochen wird auch die Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) auf Bundesebene, mit der der Diskriminierungsschutz erweitert und gestärkt werden soll. Wir alle merken, dass es eine Kluft gibt zwischen den Regelungen und Gesetzen zur Barrierefreiheit, Teilhabe und Inklusion und den immer noch gegebenen Alltagseinschränkungen, die eine Teilhabe von Menschen mit Behinderungen stark einschränken. Diskutiert wird, dass die Versagung von Barrierefreiheit, mindestens aber die Versagung angemessener Vorkehrungen als Diskriminierungstatbestand ins AGG aufgenommen werden soll. Hiermit würden alle Adressat*innen des AGG im Sinne der UN-BRK zur Barrierefreiheit verpflichtet. Es soll ein subjektives Recht auf Barrierefreiheit verankert werden. Ein solches subjektives Recht stärkt Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrem Recht auf Inklusion und verpflichtet staatliche und private Stellen noch stärker zu einer umfassenden Barrierefreiheit als es gegenwärtig der Fall ist.
Präsentation herunterladen:
Mitgliederversammlung 27.4.2023: Wir erwarten von der neuen Landesregierung mehr Inklusion und Barrierefreiheit
Wir Selbst Aktive wünschen der neuen Landesregierung eine gute Hand im Interesse aller Berliner*innen mit und ohne Beeinträchtigungen. Wir kündigen gleich an: Wir werden zum Regierenden Bürgermeister als auch allen Senator*in Kontakt aufnehmen, um die Durchsetzung der Querschnittsaufgaben Inklusion, Teilhabe und Barrierefreiheit zu stärken. Gleiches gilt insbesondere für alle Parlamentarier*innen der SPD-Fraktion. Wir gratulieren Lars Düsterhöft, dem Sprecher für Menschen mit Behinderungen in der Berliner SPD-Fraktion.
Wir wollen gute und inklusive Politik im Interesse der Berliner*innen
Auch wir Selbst Aktive diskutieren die politische Situation der vergangenen Monate in Berlin. Das Wahlergebnis von 18,4 Prozent am 12.2.2023 hat uns Sozialdemokrat*innen schwer erschüttert. Wir wollen das Vertrauen der Berliner*innen zurückgewinnen – grundsätzlich und auch bei den Europawahlen 2024, den Bundestagswahlen 2025 und den Abgeordnetenhauswahlen 2026. Wir arbeiten mit in der ganzjährig vom SPD-Landesvorstand eingesetzten „Wahlen-wieder-gewinnen- und Parteiorganisations-Kommission“. Wir werden die letzten Wahlen analysieren, uns noch mehr Gedanken über unsere Verankerung in der Stadtgesellschaft machen und entsprechende organisationspolitische Schlussfolgerungen ziehen. Es gilt: Gelebte Demokratie bedeutet inklusive Politik. Barrierefreiheit ist ein Qualitätsmaßstab der Daseinsvorsorge und einer qualitätsorientierten Infrastruktur und in jedem Politikfeld.
Selbstverständlich fragen wir Selbst Aktive uns unter anderem:
- Warum sollte eine sehbeeinträchtigte oder blinde Person die SPD wählen, wenn wir zu wenige oder keine Informationen in Brailleschrift oder entsprechenden digitalisierten Kommunikationsformen anbieten?
- Warum sollte die Gebärdensprachgemeinschaft die SPD wählen, wenn wir kaum Informationen in Gebärdensprache anbieten?
- Warum sollten uns mobilitätsbeeinträchtigte Menschen wählen, wenn sie den Eindruck haben, dass wir Sozialdemokrat*innen uns nicht ausreichend für barrierefreie Mobilität einsetzen?
- Warum sollten Menschen, die auf eine einfache, verständliche oder leichte Sprache angewiesen sind, die SPD wählen, wenn öffentliche Stellen keine oder zu wenige Bescheide, Allgemeinverfügungen, öffentlich-rechtliche Verträge und Vordrucke anbieten? Leider machen wir dieses auch als SPD viel zu wenig.
- Wie sollen unsere Genoss*innen mit Beeinträchtigungen chancengleich an den SPD-Gremien und Veranstaltungen teilnehmen? Viel zu häufig scheitert es an nicht barrierefreien Räumlichkeiten.
SPD- Landesparteitag (LPT) am 26.5.2023
Der AG Selbst Aktiv-Landesvorstand hat dem nächsten LPT einen Antrag zum Denkmalschutz vorgelegt. Unser Antrag 108/I/2023 „Denk-Mal barrierefrei – Denk mal an und für alle Menschen“ ist zu finden in der Rubrik Gleichstellung / Teilhabe: https://parteitag.spd.berlin/cvtx_antrag/denk-mal-barrierefrei-denk-mal-an-und-fuer-alle-menschen/. Wir wollen ihn aber in die Rubrik Bauen / Wohnen / Stadtentwicklung verschieben. Hier gehört er unseres Erachtens hin, um dafür zu sensibilisieren, dass Barrierefreiheit ein öffentliches Interesse ist und dem Gemeinwohl dient.
Alle dem LPT vorliegenden Anträge sind zu finden unter: https://parteitag.spd.berlin/veranstaltungen/i-2023-landesparteitag/ .
Wie können wir Selbst Aktive unsere Politik verbessern?
Wir alle möchten noch mehr Mitglieder und Interessierte für unsere monatlichen MVen begeistern – hier ist Energie pur für inklusive Politik!
Alexander M. Boster ist Mitgliederbeauftragter unserer Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv. Er führte eine Mitgliederbefragung durch und stellte die Ergebnisse nun vor: Insbesondere geht es um
- einen späteren Beginn der monatlichen Mitgliederversammlung
- mehr hybride, sprich mehr digitale Teilhabemöglichkeiten
- ein besserer Informationsfluss
- erleichterte Fahrmöglichkeiten für Mitglieder mit Beeinträchtigungen, um zu den SPD-Sitzungen gelangen zu können.
In der nächsten Vorstandssitzung werden wir über Uhrzeit und mehr digitale Möglichkeiten als auch über Erleichterungen bei den Fahrmöglichkeiten zu SPD-Sitzungen diskutieren. Organisieren können wir diese aber nicht. Wir informieren unsere Selbst Aktivler*innen mit einem monatlichen Newsletter und mit Berichten auf unserer Website https://spd.berlin/arbeitsgemeinschaften/selbst-aktiv/. Ebenso nehmen wir an Veranstaltungen Dritter teil und verteilen dort unsere Flyer. Selbstverständlich gehen wir auch in die SPD-Kreise bzw. Abteilungen, um über die AG Selbst Aktive zu informieren. Wir wollen in einem breiten Bündnis gemeinsam für die Interessen von Menschen mit Beeinträchtigungen eintreten. Richtig ist, dass wir unsere Arbeit in den Sozialen Medien verstärken sollten – dafür brauchen wir aber noch weitere Engagierte, die das können und machen wollen.
Wir arbeiten gemeinsam an einem SPD-Inklusionsplan
Die SPD hat letztes Jahr auf ihrem Landesparteitag einen SPD-Inklusionsplan beschlossen, damit unsere Parteiarbeit inklusiver wird – im Interesse der Genoss*innen und der Berliner*innen mit Beeinträchtigungen. Es liegt ein Konzept für Informationen und Handlungsanleitungen für jede Gliederung der Partei vor:
- Aktionsplan „Inklusion und Teilhabe in der SPD Berlin“
- Vorwort
- Das Mögliche tun! – Gemeinsam und solidarisch.
- Menschen mit Beeinträchtigungen – Bedarfe und Lösungen
- Inklusive Parteiarbeit in der SPD Berlin
- Barrierefreiheit in der SPD
- Abbau von Barrieren – ein Prozess mit Perspektive!
- Vertieftes Wissen und Netzwerk
- An wen kann ich mich wenden?
2. Unterstützungsangebote
- Informationsveranstaltungen
- Entwicklung einheitlicher Kriterien
- Liste barrierefreier Räumlichkeiten
Wir wollen zusammen mit dem SPD-Landesvorstand und den Mitarbeiter*innen des Kurt-Schumacher-Hauses fachliche Informationen geben und für Qualitätssicherung sorgen.
Wir wissen, dass unser Konzept der Barrierefreiheit anspruchsvoll ist. Und es braucht vieler fachkompetenter Personen – Grafiker*innen, Gebärdensprachdolmetscher*innen und viele andere mehr.
Einladung zur Mitarbeit im AK „Disability Mainstreaming“ bzw. „Barrierefreie Mobilität“
Auf dieser Mitgliederversammlung haben wir zwei Arbeitskreise gegründet:
- den AK Disability Mainstreaming und
- den AK Mobilität.
Alle Interessierten mit und ohne Beeinträchtigungen sind eingeladen, sich zu melden unter der Emailadresse zielgruppen.berlin@spd.de.
Disability Mainstreaming ist ein umfassender Ansatz, mit dem ein Perspektivenwechsel erreicht werden soll: Die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen sollen in alle Politikbereiche, von der Planungsphase, bis zur Implementierung, Überwachung und Auswertung einbezogen werden. Jedwedes politische und gesellschaftliche Handeln ist danach zu befragen, in welcher Weise es zur Gleichstellung und Teilhabe behinderter Menschen beiträgt oder sie verhindert.
Der AK Mobilität wird von Thomas Koch geleitet. Es geht darum, eine enge Kooperation mit dem Fachausschuss XI Mobilität aufzubauen, damit eine barrierefreie Mobilität sehr viel stärker in diesem Politikfeld verankert wird. Interessierte melden sich bitte bei Thomas: thomas.koch@spd-in-hermsdorf.de .
Künstliche Intelligenz
Andiskutiert wird auch die Frage, ob Künstliche Intelligenz (KI) Inklusion, also die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen oder schweren Erkrankungen, im Alltag erleichtern kann Ja oder Nein. Es gibt derzeit sehr interessante Modelle, die derzeit ausprobiert und nach Vor- und Nachteilen untersucht werden. Abschließende Haltungen gibt es noch nicht. Wir werden die andauernden gesellschaftlichen Diskussionen begleiten.
Einladung zur Teilnahme an folgenden Veranstaltungen
5.5.2023 Europäischer Protesttag zur Gleichstellung behinderter Menschen
14 Uhr: Demonstration vom Brandenburger Tor zum Roten Rathaus
14:45 Uhr Beginn der Kundgebung
Die AG Selbst Aktiv ist zusammen mit der AWO mit einem Stand vertreten.
25.5.2023 Mitgliederversammlung der AG Selbst Aktiv im Willy Brandt Haus
Thema: Gewaltschutz in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe
Menschen mit Behinderung sind deutlich häufiger von sexualisierter
Gewalt betroffen. Warum ist das so? Was ist dagegen zu tun?
22.6.2023 Mitgliederversammlung der AG Selbst Aktiv im Willy Brandt Haus
Thema Wie muss barrierefreie Mobilität besonders aus der Sicht von blinden
und sehbehinderten Menschen gestaltet werden?
Werden wir Menschen mit Behinderungen von der Politik gesehen? – Mitgliederversammlung am 23. März 2023
Das desaströse Wahlergebnis der SPD bei der Wiederholungswahl am 12.2.2023 ist auch für die Mitglieder der AG Selbst Aktiv Berlin bedrückend – und für die nächste Wahl 2026 eine Herausforderung.
Nach Berichten aus dem SPD-Landesvorstand, der CDU/SPD Facharbeitsgruppe „Arbeit und Soziales“ sowie aus mehreren Bezirken diskutierten die Mitglieder der AG Selbst Aktiv die Frage, die derzeit alle Berliner Sozialdemokrat*innen umtreibt: Welche strategischen und inhaltlich-organisationalen Entscheidungen muss die SPD Berlin fällen, um bei der nächsten Wahl 2026 wieder die führende progressive Kraft zu werden?
Deutlich wird der Ärger, dass Inklusion und Barrierefreiheit im Wahlkampf bei allen Parteien keine Rolle gespielt hat. Die Belange der über 630.000 Berliner*innen mit sichtbaren oder unsichtbaren Beeinträchtigungen wären somit trotz der 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechtskonvention, trotz des 2017 in Kraft getretenen Bundesteilhabegesetzes 2017 und trotz des 2021 novellierten Berliner Landesgleichberechtigungsgesetzes „unsichtbar“ geblieben. Darüber herrsche in der behindertenpolitischen Community großer Frust.
Für kommende Wahlkämpfe wird gerade von der SPD eine deutliche Parteilichkeit für Inklusion, Selbstbestimmung, Teilhabe und Partizipation von Menschen mit sichtbaren oder unsichtbaren Beeinträchtigungen in all ihrer Vielfalt in allen Politikfeldern erwartet. Wir Sozialdemokrat*innen müssten mit einem klar erkennbaren politischen Willen dafür sorgen, dass behindertenpolitische Vorhaben mit gleicher Verve vertreten werden wie gender-, identitäts-, migrations- oder klimaschutzpolitische Ziele. Vordringlich ist auch das barrierefreie und bezahlbare Wohnen, eine barrierefreie Mobilität und eine barrierefrei angelegte Verwaltungsreform im Interesse aller Berliner*innen.
Verkehrswende braucht Mobilitätsgerechtigkeit – Mitgliederversammlung am 23. Februar 2023
Mobilität ist nicht nur eine klimapolitische oder wirtschaftliche, sondern ganz besonders auch eine soziale Frage. Neben Verfügbarkeit und Zugänglichkeit, Zeitaufwand und Kosten beleuchtet das „Mobilitätsbarometer“ der Aktion Mensch gerade auch die sozialen Aspekte von Mobilität. Die bundesweite Studie basiert auf einer Befragung von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen und wurde in Zusammenarbeit mit Betroffenen entwickelt und durchgeführt. Defekte Fahrstühle, hohe Kosten und großer Zeitaufwand, fehlende oder unverständliche Hinweise und Ausschilderungen, mangelndes Sicherheitsgefühl durch fehlende Orientierung: Menschen mit Beeinträchtigungen werden durch solche Barrieren stärker als Menschen ohne Beeinträchtigung behindert, wenn sie von A nach B wollen. Wobei es große regionale Unterschiede gibt, in erster Linie zwischen ländlichen Gebieten und großstädtischen Regionen wie Berlin, wo das Mobilitätsangebot durchweg vielfältiger und besser ist. Leider ist die Studie wegen der relativ geringen Zahl der Befragten (1.500 Menschen mit, 500 ohne Beeinträchtigung) nicht aussagekräftig für die unterschiedliche Situation in der Berliner Innenstadt und den Außenbezirken. Eine eigene Studie für Berlin wäre da hilfreich. Große Unterschiede gibt es auch zwischen den verschiedenen Altersgruppen; da die Befragung ausschließlich digital durchgeführt wurde, ist die ältere Generation in der Studie vermutlich nur ungenügend berücksichtigt.
Mobilität bedeutet Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Großer Zeitaufwand und hohe Kosten, fehlende Angebote und mangelhafte Zugänglichkeit der Verkehrsmittel können Menschen mit Beeinträchtigung dazu bringen, auf aktive Freizeitgestaltung zu verzichten und lieber zu Hause zu bleiben. Verbreitet ist, besonders auch bei Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, ein Gefühl der Unsicherheit. Fehlende Informationen und Ausschilderungen, unverständliche Durchsagen und fehlendes oder als unfreundlich empfundenes Personal machen die Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur unerfreulichen Belastung. Solche Unsicherheiten empfinden durchaus auch Menschen ohne Beeinträchtigung, aber Menschen mit Beeinträchtigung sind davon öfter betroffen und stärker behindert.
Bei allen Einwänden und Nachfragen im Detail bleibt festzuhalten: Mobilität kann ohne die soziale Dimension nicht gedacht werden. Und auch wenn das im Wahlkampf leider von energie- und klimapolitischen Diskussionen in den Hintergrund gedrängt wurde: Eine Verkehrswende kann nur gelingen, wenn Mobilität inklusiv gedacht und barrierefrei geplant und realisiert wird. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um politische für Mobilitätsgerechtigkeit zu streiten: Mobilität – und damit gesellschaftliche Teilhabe für alle, und nicht ein Privileg für einige.
MV am 26.1.2023: Noch viel zu tun bei der Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes
Gleich zwei Referenten diskutierten in unserer Mitgliederversammlung am 26. Januar 2023 mit uns Selbst Aktiven die Frage: Was ist zu tun, um einen inklusiven Arbeitsmarkt zu fördern?
Für ihre Teilnahme danken wir
- Takis Mehmet Ali, Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales und Beauftragter für die Belange von Menschen mit Behinderungen der SPD-Bundestagsfraktion
- Stefan Schenk, Stellvertretender Vorsitzender im Berliner Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen, Mitgründer des Projektes „stattWERKstatt“, ein Netzwerk für inklusive Wege in den Beruf für Menschen mit Behinderung, und einer der Koordinatoren des Berliner Behindertenparlamentes
Ein Fazit vorweg: Für einen inklusiven Arbeitsmarkt muss noch sehr sehr viel getan werden! Vieles muss sich noch ändern in Gesellschaft und Politik.
Input von Takis Mehmet Ali
Im Koalitionsvertrag sind viele Maßnahmen zur Förderung von Inklusion und Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigungen vereinbart. Takis begrüßt daher den Ende 2022 von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts ( https://www.fokus-sozialrecht.de/gesetzentwurf-zum-inklusiven-arbeitsmarkt ). Unter dem Titel „Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes“ werde es noch weitere Gesetze geben. Dieser Gesetzentwurf sei ein erstes wichtiges Vorhaben: Eingeführt werden soll eine vierte Stufe bei der Ausgleichsabgabe.
Bei der Ausgleichsabgabe handelt es sich um einen Kostenausgleich gegenüber den Arbeitgeber*innen, die ihrer Pflicht nachkommen, nicht um eine Strafe. Immerhin sehen sich diese meist mit höheren Kosten und Mehraufwand konfrontiert, da schwerbehinderten Arbeitnehmer*innen beispielsweise ein einwöchiger Zusatzurlaub oder die behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes zusteht. So soll ein Wettbewerbsnachteil vermieden werden. Hauptsächlich werden mit der Ausgleichsabgabe Leistungen im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben und zur Arbeitsförderung schwerbehinderter Menschen finanziert. Außerdem werden Projekte unterstützt, die sich für die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben einsetzen.
Das parlamentarische Verfahren hat gerade erst begonnen. Er will weitere Verbesserungen durchsetzen, u.a.:
- Der geplante Wegfall der Bußgeldvorschrift sei nicht einsichtig.
- Gestoppt werden soll die Möglichkeit für Unternehmen, Bußgelder oder Ausgleichsabgaben bei der Steuer abzusetzen.
- Mittel der Ausgleichsabgabe sollen ausschließlich der Förderung des inklusiven Arbeitsmarktes dienen. Deshalb ist die vor allem in Bayern und Baden-Württemberg genutzte Möglichkeit, mit diesem Geld auch den Bau von Wohneinrichtungen mit einer 24-Stunden-Betreuung zu fördern, beendet werden.
Da die Verwaltung dieses Gesetzes bei den Bundesländern liegt, handelt es sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz, d.h. es muss auch vom Bundesrat verabschiedet werden.
Er sei in 2022 in allen Bundesländern gewesen, um sich über die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) zu informieren. Hier liege noch ein erhebliches Verbesserungspotential.
Hinsichtlich der Werkstätten sei es wichtig, sich diese auch historisch anzuschauen. So sei seit 1985 der Personalschlüssel unverändert, kein Wunder, dass die Mitarbeiter*innen den heutigen Forderungen nach breiterer Förderung nicht nachkommen könnten. Die Zukunft der Werkstätten müsse eine andere sein als in der Vergangenheit. Er wolle, dass noch in dieser Legislatur ein Werkstatt-Reformgesetz verabschiedet wird. Sein besonderer Fokus liegt dabei auf Menschen mit Schwer- und Mehrfach-Behinderung.
Zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes und einer Reform der Werkstätten müsse über alles gesprochen werden, u.a. neue Personalschlüssel, Flexibilität bei der Größe der Werkstätten auch unter 120 Plätzen, mehr direkte Betreuung und Begleitung durch die Firmen, Barrieren bei der Umsetzung des Persönlichen Budgets, Verbreitung des Rehabilitations-pädagogischen Wissens in Unternehmen und Verwaltungen,
Er werde einen Antrag stellen, damit der Deutsche Bundestag noch in 2023 eine Aktuelle Stunde zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes durchführt.
Takis bittet für die Ende Februar stattfindende Koa-Runde um weitere Anregungen zur Verbesserung dieses Gesetzentwurfes. Gute Vorschläge zur besseren Teilhabe am Arbeitsmarkt hat z.B. die Lebenshilfe vorgelegt (vgl. https://www.lebenshilfe.de/informieren/arbeiten/teilhabe-am-arbeitsleben/ ).
Diskussion
Thomas Koch, Vorsitzender der AG Selbst Aktiv Reinickendorf, verweist auf die von ihm durchgeführte Veranstaltung in 2022, in der festgestellt wurde, dass die derzeitigen Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM) nicht den Zielen der UN-Behindertenrechtskonvention für einen selbstbestimmten inklusiven Arbeitsplatz entsprechen. U.a. gibt es seit langem Kritik an der Bezahlung in den WfbM. Viele Werkstattbeschäftigte empfinden das Entgeltsystem als ungerecht. Der Mindestlohn gilt für sie trotz Vollzeitbeschäftigung nicht, weshalb viele auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen sind. Er erinnert auch daran, dass der Bundestag diese Kritik aufgegriffen und von der Bundesregierung eine Studie zur Entwicklung eines transparenten, nachhaltigen und zukunftsfesten Entgeltsystems in WfbM gefördert hat. Gleiches gilt für die Verbesserung der Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Mittlerweile liegt der erste Zwischenbericht dieser Studie seit Oktober 2021 und der zweite Zwischenbericht seit September 2022 vor. Der Abschlussbericht wird für Sommer 2023 erwartet. Neben der Entgeltfrage sind auch rentenpolitische Herausforderungen zu lösen.
Input Stefan Schenk
Zum breiten Thema inklusiver Arbeitsmarkt habe auch das erstmals am 3.12.2022 durchgeführte Berliner Behindertenparlament Anträge verabschiedet ( https://www.behindertenparlament.berlin/antraege/2022 ), die nun dem Senat vorliegen.
Er sei Mitbegründer des Projektes „stattWERKstatt“, ein Netzwerk für inklusive Wege in den Beruf für Menschen mit Behinderung ( https://www.inclusive-solutions.org/seite/570433/stattwerkstatt.html ). Ziel sei es, gerade jungen Menschen beim Übergang Schule und Beruf Alternativen zur Werkstatt auf dem ersten Arbeitsmarkt aufzuzeigen. Damit soll diesen jungen Menschen die Umsetzung des Wunsch- und Wahlrechts ermöglicht werden.
Durchbrochen werden soll der Automatismus von Arbeitsämtern, werkstattfähige junge Menschen nur in die Werkstätten zu schicken. In den Beratungen werden viel zu wenige Alternativen aufgezeigt, u.a. das Instrument des persönlichen Budgets. Insbesondere im Non-profit-Bereich gibt es viele Möglichkeiten zur Beschäftigung von jungen Menschen mit Beeinträchtigungen. Hierzu liegen Erfolgsgeschichten vor (vgl. https://www.inclusive-solutions.org/seite/570457/erfolgsgeschichten.html ).
Diskussionsbeiträge
Es braucht mehr Inklusionsberater*innen u.a. auch bei den IHKen, die gerade klein- und mittelständischen Firmen über die realen Förder-Möglichkeiten der Beschäftigung von Menschen mit Beeinträchtigungen informieren, u.a. über die geförderte Ausstattung von Arbeitsplätzen. Viele kleinere Betriebe sind sich ihrer sozialen Verantwortung durchaus bewusst. Gerade sie bräuchten mehr Beratung, da es zahlreiche Ängste gibt. Ganz wichtig sei auch die Stärkung der Inklusionsbetriebe.
Überhaupt bzw. besser finanziert werden müssen umfangreiche wissenschaftliche Studien. Nur eine intensivere Forschung zu den tatsächlichen Barrieren für Menschen mit Behinderungen kann zukunftsorientierte Antworten geben. Wir wissen gar nicht genau, was z.B. für Menschen mit starker geistiger Beeinträchtigung oder Down-Syndrom eine Barriere ist. Die Länder kommen bei der inklusiven frühkindlichen und schulischen Bildung nicht wirklich weiter. Es brauche mehr passgenaue Förderinstrumente, um ein Unternehmen barrierefrei zu machen.
Auch bei der Förderung von Start Up´s sei das Thema Inklusion zu verankern.
Kritisch angemerkt wird die Möglichkeit seitens der Werkstätten, Werkstatt-Beschäftigte gemäß ihres individuellen Leistungsvermögens auf Außenplätzen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts einzusetzen. Die fachliche Begleitung erfolge dabei aber weiterhin durch die Werkstatt.
Wer Alternativen zu den Werkstätten haben will, muss alternative Arbeitsplätze auch finden. Die Digitalisierung unserer Gesellschaft macht es nicht einfacher, da in fast allen Tätigkeitsbereichen sogenannte einfache Arbeiten immer mehr wegfallen.
Die existierende Form der Schwerbehindertenquote wird kritisiert. Oft wird diese Quote allein dadurch erfüllt, dass langjährig Beschäftigte nach einer längeren Krankheit – z.B. Bandscheibenvorfall, Herzinfarkt, Krebs usw. – als Schwerbeschädigte anerkannt werden und einen GdB von 30-50% haben. Die so ermittelte Zahl täusche zum Teil darüber hinweg, dass niemand eingestellt wurde, der über 50% behindert ist. Dazu gehörten die von Geburt an beeinträchtigten Menschen mit Mehrfachbehinderungen bzw. kognitiven Einschränkungen. Hier gebe das System der Ausgleichsabgabe keinen Anreiz, Menschen mit Beeinträchtigungen neu einzustellen.
Modelle wie „stattWerkschaft“ werden begrüßt, da sie am Anfang des Berufslebens starten.
Kritisiert wird, dass Beschäftigte, die über das Budget für Arbeit finanziert werden, nicht vollumfänglich sozialversichert sind.
„Basisgeld“ oder „Mindestlohn“, Rolle des sogenannten „Rentenprivilegs“: Bei den Reformen zum gleichgestellten Erwerbsleben muss immer berücksichtigt werden, wie es später mit der Rente aussieht. In diesem Lebensalter sind auch die Eltern nicht mehr da, die zumeist eine große Unterstützung leisten.
Plädiert wird für einen gesellschaftlichen Blickwechsel: Leistungssportler*innen bringen hohe Leistungen und verdienen gut. Menschen mit Beeinträchtigungen erbringen eine ähnliche Leistung wie diese. Schließlich müssen sie ihre Beeinträchtigungen erst mal überwinden. Sie müssten eigentlich Leistungsprämien u.a. bei den Rentenzahlungen, erhalten, dass sie es trotzdem schaffen.
Verwiesen wird auf die wachsende Zahl der Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Hier fehlten häufig Beschäftigungsmodelle.
Verschiedenes
Vereinbart wird ein Besuch in einer der Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.
Die AG Selbst Aktiv beteiligt sich mit Informationsständen am aktuellen Wahlkampf, u.a. in Treptow-Köpenick und Spandau.
Die Berliner SPD verteilt während des Wahlkampfes selbstverständlich auch Informationen in Leichter Sprache: 260 Exemplare des Flyers zum „BERLINER ENTLASTUNGS-PAKET“ liegen in allen Kreisbüros
Viele Menschen machen sich Sorgen.
Weil alles teurer wird.
Deswegen gibt es ein Entlastungs-Paket.
Entlastung heißt:
Eine schwere Lage wird leichter gemacht.
Darum kümmert sich die Partei SPD.
SPD heißt: Sozial-Demokratische Partei Deutschlands.
Die SPD hat dieses Heft herausgegeben.
Es gibt auch einen neuen Selbstdarstellungsflyer der Berliner AG Selbst Aktiv. Jedes SPD-Kreisbüro hat 80 Exemplare erhalten. Die übrigen liegen uns vor.
Jahresabschluss-Treffen mit Lars Düsterhöft (MdA) am 16.12.2022: Ein Jahr Inklusionspolitik in der Ampel: Es bleibt genug zu tun!
Dankenswerterweise fand dieses Treffen erstmals seit 2019 auf Initiative von Lars Düsterhöft, Sprecher für Menschen mit Behinderung der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, wieder statt. Die Freude wieder im Berliner Abgeordnetenhaus einen Jahresrückblick vornehmen und über wichtige inklusionspolitische Themen zu diskutieren, war riesig. Mit dabei waren zahlreiche Genossinnen und Genossen sowie Vorstandsmitglieder der AG Selbst Aktiv; entschuldigt waren u.a. Stefan Schaul, Beauftragter für Menschen mit Behinderung in Treptow-Köpenick, sein Spandauer Kollege Sargon Lang sowie Catharina Hübner vom Deutschen Institut für Menschenrechte.
Nach den erfolgreichen Koalitionsverhandlungen von Rot-Grün-Rot galt im ersten Halbjahr 2022 zunächst noch der alte Haushalt. Die erste neue Haushaltsaufstellung der Ampel-Koalition für 2022/2023 war ein schwieriger Prozess, zumal dieser zunächst im Zeichen von Einsparungen stand. Dadurch wurden bereits beschlossene Projekte wie zum Beispiel die Schulgeld-Befreiung für Pflegeberufe erst einmal blockiert. Erst während der laufenden Beratungen zeichnete sich die Möglichkeit von Mehrausgaben ab. Für eine ganze Reihe wichtiger Projekte konnten erst im Sommer Zusagen zur Finanzierung erfolgen. Dazu gehörten auch die im Landesgleichbehandlungsgesetz (LGBG) vereinbarten Maßnahmen u.a. der Landesfachstelle Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen, eine Kampagne für Inklusion, die Erstellung des Teilhabe-Berichts, die Schlichtungsstelle und der Partizipationsfonds. Aufgrund der Kurzfristigkeit wurde schnell absehbar, dass es zu Problemen bei der Einrichtung und Umsetzung in 2022 kommen wird, die auch in 2023 noch andauern werden. Nachweislich war es die SPD-Fraktion, die sich für die gute finanzielle Ausstattung dieser Maßnahmen stark gemacht hat! Grüne und Linke hatten sich auf andere Schwerpunktvorhaben konzentriert.
Spätestens seit dem Herbst 2022 wurde die politische Arbeit der Ampel-Koalition überschattet von der Frage nach einer möglichen, nun für den 12. Februar 2023 festgelegten Wahlwiederholung. Der Wahlkampf begann und läuft nun in vollen Zügen.
Beherrschendes Thema 2022 war allerdings die Bewältigung der verschiedenen Krisen: Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die Unterbringung der auch nach Berlin kommenden Geflüchteten, die sich anbahnende Energiekrise mit ihren erwartbaren wirtschaftlichen und sozialen Folgen, die nach wie vor noch existierende Pandemie bzw. Epidemie, etc.: Es galt wirksame Landesprogramme zur Abfederung der vielschichtigen Notlagen zu entwickeln: u.a. das 9-Euro-Ticket und das langfristige 29-Euro-Ticket, mit dem gleichermaßen Geld schnell zu den Menschen kommt als auch ein Beitrag zur Verkehrswende geleistet wird. Die SPD steht dazu, auch wenn die Grünen dieses Ticket nicht dauerhaft wollen. Positiv wirken auch die in Berlin vielfach abgeschafften oder im Vergleich zu anderen Bundesländern reduzierten vielfachen Gebühren. Zusätzliche Leistungs-Erleichterungen wie die Ausweitung des Wohngelds brauchen neue Antragsverfahren – und stellen daher insbesondere die Bezirksverwaltungen vor massive Herausforderungen.
Wir Sozialdemokrat*innen – Partei als auch Fraktion – stehen zu unseren Politikvorhaben zur Stärkung der Selbstbestimmung und Teilhabe für alle Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen: Wir wollen u.a. eine inklusive Verkehrspolitik, dazu gehört auch der Ausbau der Inklusionstaxis, wollen mehr inklusive Bildung von Anfang an, wollen mehr barrierefreien (Neubau-) Wohnraum schaffen.
In der Diskussion wurden weitere berlinweite als auch bezirkliche Aufgaben aus der Arbeit der AG Selbst Aktiv angesprochen:
- So stellt sich aktuell die Frage nach der Barrierefreiheit der Wahlen: Will man Menschen mit Beeinträchtigungen nicht von vornherein zur Briefwahl „nötigen“, dann müssen die Wahllokale selbst barrierefrei zugänglich und ausgestattet sein. Durch ausreichend vorgehaltene Fahrdienst-Kapazität muss auch der Transport zu den Wahllokalen hin und zurück gewährleistet werden. Hier braucht es noch eine stärkere politische Unterstützung.
- Ein drängendes Problem ist auch der Fachkräfte-Mangel in der Eingliederungshilfe. Einige Träger befürchten, dass sie aus diesem Grunde ggf. stationäre Einrichtungen schließen müssen. Lars Düsterhöft berichtete, dass dieser Fachkräftemangel am 8.12.2022 Gegenstand einer Anhörung im Sozialausschuss gewesen ist. Debattiert werden u.a. die Anpassung der Fachkräfte-Quote oder Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Eine bessere Bezahlung ist sicherlich in einigen Bereichen noch notwendig – aber diese Herausforderungen sind mit Geld allein nicht zu lösen. Langfristig müssen Strukturen verändert werden.
- Der Fahrdienst ist ein für alle Betroffenen wichtiges und immer wieder ärgerliches Thema. Zusätzliche Mittel zur Abdeckung der gestiegenen Kosten sind bereitgestellt. Das Hauptproblem ist aktuell die nicht ausreichende Anzahl von Fahrzeugen und Fahrer*innen. Das Finanzierungsmodell verlangt eine extrem hohe Auslastung der vorhandenen Flotte, so dass eine Ausweitung so gut wie unmöglich ist.
- Die medizinische Versorgung von Menschen mit Behinderung, besonders im Bereich der niedergelassenen Ärzt*innen, ist unzureichend und stellt für die Betroffenen ein immer drängenderes Problem dar! Das Ziel muss sein, barrierefreie Räume für Arztpraxen zu schaffen bzw. Praxen zum Umzug in barrierefreie Räumlichkeiten zu bewegen, z.B. durch entsprechende Förderprogramme. Neben barrierefreien Räumen geht es auch um barrierefreie Behandlungsmöglichkeiten. Die dafür erforderlichen Kompetenzen und Ausrüstungen sind nicht immer vorhanden. Lars Düsterhöft will sich diesem Thema verstärkt widmen.
- Notwendig ist auch der Ausbau der Medizinischen Zentren für Erwachsene mit Behinderungen (MZEB), von denen es in Berlin immer noch wenige gibt.
MV am 24.11.2022: Disability Mainstreaming und Disability Budgeting – Wir wollen eine gerechtere Verteilung der Haushaltsmittel
Begonnen wurde mit einer Gedenkminute an unsere Schriftführerin Antje Szardning, die am 14.10.2022 unerwartet verstorben ist. Mitglieder des Landesvorstandes der AG Selbst Aktiv werden an der Beerdigung am 25.11.2022 teilnehmen. Liebe Antje, du warst eine Kämpferin. Wir vermissen dich sehr. Wir werden dich nicht vergessen. Informationen zu Antje sind auf unserer Selbst Aktiv-Website zu finden.
Informiert wurde über Geschehnisse und Aktivitäten auf bundes-, landes- und bezirklicher Ebene sowie über die Fortschritte und weiteren Planungen des Selbst Aktiv-Landesvorstandes in Zusammenarbeit mit Mitgliedern und externen Expert*innen. Einige Berichte sind im kommenden Newsletter nachlesbar. Debattiert wurde über
- den SPD-Inklusionsplan: Es hat diesbezüglich erste Treffen gegeben.
- unseren Arbeitskreis Deutsche Gebärdensprache (AK DGS), der am 18.11.2022 zum Thema „Kommunalpolitischen Beteiligung für Taube, gehörlose, stark hörgeschädigte Menschen in den BVVen“ als hybride Veranstaltung mit Verordneten verschiedener SPD-Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlungen letztmalig stattfand. Wir werden hierzu eine Dokumentation erstellen.
- Wahlkampfaktivitäten vor der Wahlwiederholung am 12.2.2023. Angeschrieben werden sollen dafür die sozialdemokratischen Kandidat*innen auf Landes- und Bezirksebene.
Wir Selbst Aktive freuen uns über die Einladung von Lars Düsterhöft (MdA) zu einem parlamentarischen Abend am 16.12.2022, 18 Uhr.
Ergebnis dieser Mitgliederversammlung
Wir wollen einen „Arbeitskreis Disability Mainstreaming / Disability Budgeting“ gründen und an den Selbst Aktiv-Landesvorstand andocken. An diesem sollen Selbst Aktive aber auch Mitglieder des Landesbeirates für Menschen mit Behinderungen, Finanzexpert*innen von der Landes- und Bezirksebene und ggf. Mitglieder der beim Pankower Bezirksbürgermeister angesiedelten Gender Budgeting Geschäftsstelle teilnehmen. In anderen Bundesländern soll nachgefragt werden, ob und wie weit diese ggf. schon mit der Umsetzung sind. Unser Ziel ist die Vorlage eines Selbst Aktiv-Antrages zum 2. Landesparteitag 2023.
Teilhabe für Alle als politische Aufgabe der Haushaltspolitik auf Landes- und Bezirksebene
In das Gesellschaftskonzept „Disability Mainstreaming“ führt Mechthild Rawert ein. Der Begriff „Disability Mainstreaming“ ist vergleichsweise jung und in der politischen Debatte ebenso wie das „Disability Budgeting“ noch kaum gebräuchlich. Er lehnt sich an den Begriff „Gender Mainstreaming“ an, der 1995 im Zusammenhang mit Entwicklungspolitik auf die internationale politische Agenda kam und nun auf allen föderalen Ebenen in Deutschland einen politischen Anspruch auf Gleichstellung der beiden Geschlechter Frau und Mann darstellt.
Der Frage, ob das neue Konzept Disability Mainstreaming mit dem Ziel der Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderungen übertragbar ist oder ob die Voraussetzungen zur Querschnittsaufgabe Gleichstellung von Frauen und Männern – heute würde mensch von einer Vielzahl der Geschlechter sprechen – doch zu verschieden sind, hat sich Dr. Karin Grüber vom Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft bereits 2007 in einem Artikel zugewandt. Wichtig wahrzunehmen ist, dass es innerhalb der Kategorie Behinderungen/Beeinträchtigungen mehr Variationen gibt als in Bezug auf die Kategorie Geschlecht, Ethnizität oder Sexualität. Wir Selbst Aktive sind sicher, dass wir heute von den insbesondere in Berlin erarbeiteten strukturell wirkenden Ergebnissen zum Gender Budgeting profitiert können – wenn der politische Wille gegeben ist.
Die Berliner SPD will das Konzept „Disability Mainstreaming und Disability Budgeting“ umsetzen
Wir Sozialdemokrat*innen wünschen uns mehr Maßnahmen zur Gleichstellung von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung – von unseren Amts- und Mandatsträger*innen und von uns selbst als Parteimitglieder. Das haben wir mit unserem Beschluss auf dem SPD-Landesparteitag am 12.11.2022 deutlich gemacht: Einstimmig beschlossen wurde der von der AG Selbst Aktiv eingebrachte Antrag 154 „Disability Mainstreaming und Disability Budgeting“, dessen Anforderungen nun realisiert werden sollen. Dieser ist hier https://parteitag.spd.berlin/app/uploads/Antragsbuch-Teil-4-1.pdf nachzulesen.
Disability Mainstreaming ist ein Konzept, das darauf abzielt, die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrer Vielfalt umfassend und in allen Politikbereichen mitzudenken. Inklusion, Teilhabe und Partizipation von Menschen mit Behinderungen ist keineswegs allein eine Heraufforderung für die Sozialpolitik, sondern eine von allen Politikressorts zu verantwortende Querschnittsaufgabe. Wie notwendig diese Querschnittsaufgabe in allen Politik- und Lebensbereichen ist, zeigen immer wieder deutlich die Teilhabeberichte des Bundes bzw. des Landes Berlin.
Die Teilhabe aller Menschen in ihrer Vielfalt in allen Bereichen zu ermöglichen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Infolgedessen ist sie mit den entsprechenden notwendigen und auskömmlichen finanziellen, personellen und sächlichen Ressourcen (Disability Budgeting) im Bundeshaushalt als auch den Länder- und Kommunalhaushalten zu beschließen.
Berlin ist bis heute eines der wenigen Bundesländer in Deutschland, das die Umsetzung von Gender Budgeting im Landeshaushalt explizit formuliert hat und dabei ist, Gender Budgeting in die normale Haushaltspolitik zu integrieren. Zur Forcierung des Gender Budgeting gibt es seit Oktober 2022 bei der Senatsverwaltung für Finanzen die Leitstelle Geschlechtergerechte Haushaltssteuerung.
Impuls von Oliver Schworck
Referent ist Oliver Schworck, seit 16 Jahren Bezirksstadtrat in Tempelhof-Schöneberg, aktuell Leiter der Abteilung für Jugend und Gesundheit. Zuvor arbeitet er als Dipl.-Finanzwirt im Finanzamt und in der Haushaltsabteilung der Senatsverwaltung für Finanzen.
Oliver bestärkt die AG Selbst Aktiv. Es sei „sehr wichtig und mutig, sich Disability Mainstreamig und Budgeting zu widmen, es anzugehen und zu versuchen, Wege zur Umsetzung zu finden – aber es wird ein dickes Brett“. Auch beim Gender Budgeting habe es lange gedauert, bis der Auftrag von der Berliner Verwaltung aufgegriffen wurde.
Zum Berliner Haushaltsrecht https://www.berlin.de/sen/finanzen/haushalt/ gehört, dass das Abgeordnetenhaus alle zwei Jahre einen Doppelhaushalt beschließt. Dieser wird zuvor von den Senats- und Bezirksverwaltungen aufgestellt und enthält in der Regel Titel, die jeweils eine Bezeichnung und einen bestimmten Betrag enthalten, den die Verwaltung dann später für die jeweilige Aufgabe ausgeben kann.
Zusätzlich gilt für die Haushalte auf Bezirksebene noch das Prinzip der Budgetierung. Vor einer Kosten-Leistungsrechnung drücken sich die Senatsverwaltungen noch. Mit der Budgetierung werden die einzelnen Dienstleistungen der Bezirksverwaltungen in Euro ausgewiesen. Jeder Bezirk hat im Durchschnitt rund 300 solcher Produkte. Jedes Produkt umfasst alle mit einer Dienstleistung zusammenhängenden Kosten. Ein Beispiel „Bereitstellung von Medien und Bereitstellung in Stadtbibliotheken“: hier sind alle Aufwendungen enthalten vom Bleistift über den Schreibtischstuhl, die Personalkosten aber auch die Immobilien-, Betriebs- und Wartungskosten. Dank der zusammengestellten Produkterstellung wird ausgewiesen, wie teuer die Erstellung eines Wohngeldbescheides, eine Eheschließung, die zur Zurverfügungstellung eines Schulplatzes, etc. ist. Das Abgeordnetenhaus weist den Bezirken eine Globalsumme zu, die über den Median der einzelnen Produkte in den Bezirken errechnet wird. Zusätzlich gibt es noch bestimmte Auflagen, die hier nicht weiter ausgeführt werden sollen. Der Bezirk entscheidet dann über die einzelnen Ausgaben.
Die Senatsverwaltung für Finanzen erstellt Broschüren „Was kostet wo wie viel?” https://www.berlin.de/sen/finanzen/haushalt/downloads/artikel.6347.php#headline_1_1
, in denen die Kosten und Leistungen der Hauptverwaltung und der Bezirke im Vergleich über alle Berliner Bezirke und im Vergleich zum Vorjahr analysiert werden. Der Produktkatalog der Berliner Bezirke ist hier https://www.berlin.de/ba-pankow/politik-und-verwaltung/geschaeftsstelle-produktkatalog/ nachzulesen.
Und wie kommt Gender in den Haushalt?
Es hat mehrere Jahre gebraucht, bis in den Bezirken zusätzliche geschlechtsspezifische Statistiken erstellt und analysiert wurden, in denen je nach Leistungsangebot die Nutzung nach den binären Geschlechtern „weiblich“ und „männlich“ ausgewiesen werden konnten. So wissen wir jetzt, dass zum Beispiel in den Stadtbibliotheken in Tempelhof-Schöneberg die Bücher zu 63% von Frauen, 35% von Männern und zu 2% von Institutionen ausgeliehen werden. Wir wissen auch, dass die Kurse der Volkshochschulen von 75% weiblichen und 25% männlichen Nutzer*innen genutzt werden. Noch erfolgen die genderspezifischen Analysen grundsätzlich allerdings zu schleppend. Zudem fehlt es an vielen Stellen noch an Konsequenzen: Wird ein großes Ungleichverhältnis festgestellt, müsste ein Programm zur Förderung eines Ausgleichs zwischen den Geschlechtern aufgelegt werden. Das erfolgt aber noch viel zu selten.
Die Auswahl der analysierten Produkte erfolgt durch die landesweite Arbeitsgruppe Gender Budgeting https://www.berlin.de/sen/finanzen/haushalt/gender-budgeting/artikel.11915.php . Diese trifft sich seit 2003 regelmäßig unter Federführung der Abteilungsleiter*in Haushalt der Senatsverwaltung für Finanzen in enger Kooperation mit der Abteilung Frauen und Gleichstellung der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Diese Arbeitsgruppe erarbeitet die konzeptionellen und strategischen Grundlagen für eine ständig weiterzuentwickelnde Implementierung des Gender Budgeting in der Berliner Verwaltung.
Um die Zielstellung eines gendersensiblen Haushaltes sichtbarer zu machen, gibt es seit 2013 jedes Jahr einen von der AG Gender Budgeting initiierten und an die Verwaltungen gerichteten Gender-Budgeting-Wettbewerb. Leider beteiligen sich nur wenige Verwaltungen daran. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg nahm bereits mehrfach teil, hat auch schon zweimal gewonnen. Ein eingereichtes Projekt war u.a. die Einrichtung einer gesundheitlichen Beratung für junge Frauen und Mädchen in Jugendfreizeiteinrichtungen.
Antrag 154 auf dem Landesparteitag am 12.11.2022
In dem Antrag steht u.a. auch, dass allen Amtsträger*innen Disability Mainstreaming und Disability Budgeting ins Stammbuch geschrieben werden muss. Für die Querschnittsaufgabe Gleichstellung von Menschen mit und ohne Behinderungen ist jede*r zuständig. Disability Mainstreaming und Disability Budgeting, Gender Mainstreaming und Gender Budgeting sind top down-Aufgaben. Nur wenn die Leitung sagt, dass es konsequent einzuführen ist, wird die Durchführung auch geschehen. Eine Verwaltung funktioniert nicht basisdemokratisch.
Zusätzlich zu den einzelnen Produkten müssen weitere Aspekte betrachtet werden, u.a. die Investitionen und andere Facetten eines Haushaltes. Mensch muss sich klarwerden, welche Produkte mit welchen geschlechtsspezifischen Statistiken zu qualifizieren ist, um zu entsprechenden Erkenntnissen zu kommen.
Eine Implementierung in das normale Haushalts(aufstellungs)verfahren ist richtig und wichtig. Bisher ist z.B. Barrierefreiheit in der Bauunterhaltung ein Sonderposten und damit nicht fest implementiert im System. Obwohl es Auflagen in der Bauunterhaltung zur Barrierefreiheit gibt, gibt es keine vergleichende Statistik, keine Daten oder Programme über die tatsächliche Umsetzung oder über Maßnahmen zum Nachteilsausgleich.
Oliver´s Fazit
Es wird darum gehen, die bestehenden Systeme daraufhin zu überprüfen, ob, wo und wie Disability Mainstreaming und Disability Budgeting so in das Haushaltswesen einzubauen ist, dass daraus ein Auftrag für die Verwaltung entsteht sowie eine Nachweispflicht beim Nachholen von Barrierefreiheit. Er ist gerne bereit dabei mitzuarbeiten.
Diskussion
- Reichen die Maßnahmen und Mittel zur Herstellung von Barrierefreiheit in den Haushalten? Das Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) schreibt in § 11 Teilhabe in allen Lebensbereichen Absatz (3) vor, dass öffentlich zugängliche Bestandsbauten der öffentlichen Stellen mittelfristig barrierefrei umzugestalten sind, soweit dies bautechnisch und unter Ausschöpfung verfügbarer Mittel möglich ist. Bis zum 1.1.2024 müssen die Senatsverwaltungen und bis zum 1.1.2026 die Bezirke Berichte über den Stand der Barrierefreiheit dieser Bestandsbauten erstellen. Auf diese Berichte müssen die öffentlichen Stellen verbindliche und überprüfbare Maßnahmen- und Zeitpläne zum Abbau der Barrieren in den Bestandsbauten erstellen. Wie weit ist hier die Umsetzung?
Nein, die Mittel reichen derzeit nur für kleine Dinge. Für ein entsprechendes Programm zur Herstellung von Barrierefreiheit müsste der Betrag merklich erhöht werden und mit der Auflage versehen sein, dass diese bereitgestellten Mittel nur für diesen Zweck verwendet werden dürfen. Hinsichtlich der geforderten LGBG-Umsetzung müssen die zuständigen Verwaltungen befragt werden.
- Gehört Barrierefreiheit nicht zu den Aufgaben des Länderfinanzausgleiches? Was passiert auf Bundesebene?
Oliver glaubt nicht, dass wir dafür an den Länderfinanzausgleich müssen. Fraglich ist, ob andere Bundesländer hier soviel besser sind als das Land Berlin. Eine solche Frage müssen aber die Haushälter*innen beantworten. Wichtig ist doch bei jeder Haushaltsaufstellung von Anfang an die entsprechenden Ansprüche und Forderungen und eine zweckgebundene Mittelbindung zu formulieren.
In der vorigen Legislatur ist auf Bundesebene ein Bericht zu gleichwertigen Lebensverhältnissen https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/engagement-und-gesellschaft/deutsche-stiftung-fuer-engagement-und-ehrenamt/gleichwertige-lebensverhaeltnisse erstellt worden. Daraus ist u.a. ersichtlich, dass in Berlin die Barrierefreiheit in allen Bereichen weit besser umgesetzt ist als in den meisten ländlichen Regionen. Im Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird demnächst ein Bundesprogramm mit Maßnahmen aller Bundesministerien koordiniert.
- Zur Herstellung von Barrierefreiheit fehlen oft nicht nur die Mittel, sondern vor allem auch das sachkundige Personal. Wie kann diesem Fachkräftemangel gerade auch im Baubereich entgegengewirkt werden?
Ja, wir brauchen für die Umsetzung – ggf. auch zusätzliches – gutes und motiviertes Personal. Schon jetzt ist es schwierig, Stellen in den Bezirksämtern fachgerecht zu besetzen.
- Wie weit wird Barrierefreiheit bei der Verwaltungsreform mitgedacht? Wie wird ein barrierefreies internes oder externen Produkt definiert?
Oliver selbst ist 1998 in die Finanzverwaltung gegangen, um an der Berliner Verwaltungsreform mitzuarbeiten. Dieser Prozess ist langwierig, ist heute noch nicht abgeschlossen. Ja, es ist eine Option, Barrierefreiheit für ein internes Produkt – Umbuchungen im jeweiligen bezirklichen Haushalt – auszuweisen. Das wiederum bedeutet aber Mehraufwand für die jeweiligen Verwaltungen. Diese Variante sei dennoch zu prüfen.
Wir brauchen ein System, dass die Ausgaben zur Barrierefreiheit sichtbar macht. Zu klären ist auch, ob Barrierefreiheit von vorneherein in die Produkte integriert und bei Nichteinhaltung sanktioniert werden muss. Ob Strafe der richtige Weg ist, ist fraglich, da dieses am Ende weniger Geld für den Bezirk bedeutet. Besser wären positive Verstärkungen, z.B. im Rahmen von Anreizmethoden, sprich zusätzliche Gelder. Oliver steht für Anreizmetholden. Dieser Mechanismus ist auch eingeübt in den Verwaltungen.
Impuls von Julia Würtz
Unsere Mitdiskutantin ist Julia Würtz, im Bereich Politik für Menschen mit Behinderung in der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales (SenIAS) tätig. Sie war bereits Referentin unserer Mitgliederversammlung am 22.9.2022, als wir über die Umsetzung des im Oktober 2021 in Kraft getretenen LGBG diskutierten.
Von ihr gelobt wird der von Selbst Aktiv eingebrachte und vom SPD-Landesparteitag beschlossene Antrag 154. Solche Parteibeschlüsse seien wertvoll, da sie Handlungsaufträge beinhalten. Ein weiterer Hebel ist die Kontaktaufnahme mit den Menschen in der Arbeitsgruppe der Senatsverwaltung für Finanzen und mit denen im Landesbehindertenbeirat. Wichtig ist die Platzierung des Themas Disability Budgeting.
Auch SenIAS muss für seine Maßnahmen und Vorhaben den Mittelbedarf im jeweiligen Landeshaushalt anmelden. Dabei sind auch die Anforderungen des Gender Budgeting zu erfüllen, wie übrigens auch bei vielen anderen Vorgängen, u.a. Senatsvorlagen. Sie befürwortet ausdrücklich, dass die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen sehr viel stärker als Querschnittsaufgabe aller Amts- und Mandatsträger*innen herausgestellt wird. Zu bedenken sei aber, dass dieser neue Arbeitsschritt für die Verwaltungen zu neuen Arbeitsschritten führen und dass seitens der Vielzahl der vulnerablen Gruppen vergleichbare Forderungen erhoben würden. Diese Rahmenbedingungen machen es schwer, einen Weg zu finden, der die Gruppe der Menschen mit Behinderungen im Haushalt sichtbarer macht. Von Vorteil wäre auf jeden Fall, dass eine Hauptausschluss- oder Senatsvorlage das Bewusstsein schärft, um ggf. Anpassungen vorzunehmen in der Verwaltung selbst aber auch bei den entsprechenden Partner*innen.
Gemäß LGBG muss es sowohl auf Landes- als auch Bezirksebene in den jeweiligen Verwaltungen Koordinierungsstellen und Arbeitsgruppen geben. Zu vermeiden ist, dass diese Strukturen bei den Behindertenbeauftragten angesiedelt werden. So ist das LGBG nicht zu verstehen.
In der für die Bezirke zur Verfügung stehenden Globalsumme sind Mittel zur Umsetzung des LGBG enthalten. Ob und was die Bezirke damit machen, ist zumindest ihr unbekannt. Wichtig sei, dass alle Bezirke das gleiche Verständnis dazu entwickeln. Hier ist auch der Rat der Bürgermeister*innen gefragt.
Diskussion
- Es gibt Probleme mit der Bewilligung der Kosten für den Fahrdienst durch ein bezirkliches Sozialamt. Während die Kosten für den Weg in die Werkstatt für Behinderte übernommen werden, soll dieses für ein Praktikum auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht geschehen. Was ist zu tun?
Wenn jemand sich in seinen Rechten nicht gestärkt fühlt, ist die Kontaktaufnahme mit der Beauftragten für Menschen mit Behinderungen auf Landes- bzw. Bezirksebene anzuraten. Zudem gibt eine Anti-Diskriminierungsstelle.
- Klimagerechtes Bauen ist modern, barrierefreies Bauen nicht. Wie ist diese politische Aufgabe zu stärken?
Barrierefreies Bauen ist von Vorteil für viele Menschen, keineswegs nur für Menschen mit Beeinträchtigungen: Eltern mit Kleinkindern, Senior*innen mit Rollatoren, Reisende mit schweren Koffern, Fahrradfahrende. Jede*r profitiert vorübergehend oder dauerhaft von Barrierefreiheit. Für Menschen mit Beeinträchtigungen ist es allerdings die Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben.
- Wie wird Barrierefreiheit im Bereich Mobilität gesteuert? Wie kann die BVG in die Aufgabe Barrierefreiheit einbezogen werden?
Es gibt für das Absenken von Bordsteinen Sondermittel, die aber orientiert sind nach Haupt- und Nebenstraßen, also entweder Aufgabe der Landes- oder Bezirksebene ist. Die Zuständigkeiten sind klar geregelt – Bürger*innen allerdings nicht bekannt und letztlich bedeutungslos. Die BVG kümmert sich auch um den Abbau von Barrieren. Ansprechpartner*in ist die Beauftragte* für Fahrgäste Senioren und Fahrgäste mit Behinderungen.
- Wie weit ist der im LGBG verankerte Partizipationsfonds in seiner Umsetzung?
Der Partizipationsfonds ist bei SenIAS ein prioritäres Projekt. Derzeit sitzen Kolleg*innen an der entsprechenden Rechtsverordnung, den dazugehörigen Förderrichtlinien und der Beiratsbesetzung. Geprüft wird noch, wer Anträge auf Mittel hieraus beantragen kann. Die Wahlwiederholung bindet derzeit zahlreiche Personalressourcen in den Verwaltungen.
Wir Selbst Aktive trauern: Antje Szardning ist tot
Am 14. Oktober 2022 ist Antje Szardning verstorben. Sie wurde nur 56 Jahre alt. Wir Selbst Aktive sind über ihren plötzlichen Tod unendlich traurig. Ihrer Mutter und ihren vielen Freund*innen wünschen wir viel Kraft.
Antje war eine lebensfreudige und sehr auf ihre Selbständigkeit bedachte Frau. Trotz ihrer schweren Beeinträchtigung hat sie ihr Leben selbst in die Hand genommen. Antje reiste gerne und wollte die Welt entdecken. Auch in Berlin und Umgebung fand sie immer wieder reizvolle Motive, die sie in ihren schönen Fotografien festhielt. Daran ließ sie uns oft teilnehmen und schickte uns ihre Fotos.
Antje wollte unabhängig sein und oft kam sie nicht mit dem Fahrdienst zu unseren oder anderen Treffen, sondern nahm ihr Dreirad und radelte quer durch Berlin. Antje war ein Vorbild. Sie hat allen gezeigt, dass eine Behinderung niemanden von Engagement und einem selbstbestimmten Leben abhalten muss.
Antje wurde am 1. April 1966 in Brandenburg/Havel geboren. Sie studierte an der TU Dresden Lebensmitteltechnologie und arbeitete als Fachlehrerin an der Betriebsschule des Backwaren-Kombinates Berlin. Das war ihr noch nicht genug: Sie schloss ihr zweites Studium an der TU Berlin mit dem Staatsexamen als Lebensmittelchemikerin ab und arbeitete anschließend als Sachgebietsleiterin für Gemeinschaftsverpflegung am Veterinär- und Lebensmittelaufsichtsamt Leipzig.
Antje wurde 1997 erwerbsunfähig geschrieben. Sie ließ sich dadurch aber nicht verdrießen, übte in ihrer Branche verschiedene Ehrenämter aus und veröffentlichte zahlreiche Artikel über Ernährungs- und Gesundheitsthemen, so auch in der Berliner Behindertenzeitung, in deren Redaktion sie Mitglied war. Ihre Artikel sind immer auf große Resonanz gestoßen. Sie verstand es einfach, auch komplizierte und mitunter lange Texte kurz und prägnant zusammenzufassen.
Gesellschaftspolitisches Engagement war Antje sehr wichtig. Sie trat 2006 der SPD bei, war in der Pankower Abteilung 15 organisiert und in der ASF engagiert. Bis 2011 war Antje stellv. Bürgerdeputierte im Ausschuss Arbeit, Gesundheit, Soziales der Bezirksverordnetenversammlung Pankow von Berlin. Äußerst wichtig war ihr auch die Mitarbeit im Beirat für Menschen mit Behinderungen Pankow. Hier vertrat sie die Pankower SPD-Fraktion sowie den Berliner Behindertenverband „Für Selbstbestimmung und Würde e.V.“ und übernahm das Amt der Schriftführerin.
Antje war immer aktiv, war immer solidarisch, wenn es darum ging, Inklusion, Barrierefreiheit und ein selbstbestimmtes Leben durchzusetzen. Seit 2002 engagierte sie sich im vormaligen „Netzwerk“ Selbst Aktiv. Sie trat dann 2009 der Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv Berlin – Menschen mit Behinderungen in der SPD Berlin bei und wurde seit 2012 immer wieder als Schriftführerin und damit als Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstandes der AG gewählt. Antje war auch hier eine Antreiberin im politischen Einsatz zur Stärkung der Rechte mit Behinderungen, insbesondere auch im Bereich Mobilität und Erinnerungskultur. Weder Wind noch Kälte konnte sie mit ihrem Dreirad davon abhalten, an der Kranzniederlegung am Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie”-Morde am 27. Januar 2022 teilzunehmen.
Antje wird am 25. November 2022 um 13 Uhr in Zepernick beerdigt.
Liebe Antje, du warst eine Kämpferin. Wir vermissen dich sehr. Wir werden dich nicht vergessen.
Karin Sarantis-Aridas, Gründerin, Landesvorsitzende und nun Ehrenvorsitzende der Berliner AG Selbst Aktiv
Rainer-Michael Lehmann, langjähriger Landesvorsitzender der AG Selbst Aktiv Berlin
Mechthild Rawert, Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv – Menschen mit Behinderungen in der SPD Berlin
Anträge der AG Selbst Aktiv Berlin auf dem SPD-Landesparteitag am 12.11.2022
Wir Selbst Aktive wollen, dass die SPD zum Leuchtturm der Inklusion in Berlin wird. Die AG Selbst Aktiv Berlin versteht sich als politischer Motor einer inklusiven Teilhabepolitik für alle. Deshalb mischen wir uns ein: Erstens in den zahlreichen Gremien der SPD, u.a. im SPD-Landesvorstand (LPT) und zweitens in die Positionierung unserer sozialdemokratischen Politik in und für Berlin. Die SPD ist eine transparente Partei. Unsere Anträge finden Sie bereits jetzt in den fünf Antragsbüchern unter: https://parteitag.spd.berlin/veranstaltungen/lpt-12-11-2022/ . Die allermeisten Anträge sind bereits mit einem Votum der Antragskommission versehen. Fakt ist aber, die gewählten Delegierten entscheiden und beschließen: Jede*r Antrag kann von der sogenannten Konsensliste wieder runtergenommen werden – in der Regel mit dem Ziel diesen öffentlich auf dem LPT zu debattieren und entweder den Antrag selbst oder aber das Votum der Antragskommission zu ändern. Die Mitgliederversammlung der AG Selbst Aktiv hat entschieden Die AG Selbst Aktiv Berlin hat in ihrer Mitgliederversammlung im September vier Anträge zu unterschiedlichen Politik-Schwerpunkten verabschiedet und zur Beschlussfassung an den Landesparteitag überwiesen. Es handelt sich hierbei um:
- Antrag 16/II/2022 im Antragsbuch 1, Rubrik Organisation, Seite 43 Thema: Abbau von Kommunikationsbarrieren zwischen Hörenden und Gehörlosen/Schwerhörigen in der SPD https://parteitag.spd.berlin/app/uploads/Antragsbuch-Teil-1-3.pdf Empfehlung der Antragskommission: Überweisen an: Landesvorstand Es geht um die Anerkennung und den verstärkten Einsatz der Deutschen Gebärdensprache, um die Kommunikation von Hörenden und tauben, stark gehörlosen und schwerhörigen Menschen zu verbessern. Gehörlose und schwerhörige Menschen haben ein vergleichbares gesetzliches Recht auf politische Teilhabe und Partizipation wie alle anderen auch. Auch die SPD selbst muss sich den Anforderungen einer barrierefreien Kommunikation stellen und entsprechende Vorkehrungen bei Parteiveranstaltung treffen und Regelungen finden, die auch Kandidaturen ermöglichen. Die Vergütung der Gebärdensprachdolmetscher*innen soll nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) erfolgen.
- Antrag 152/II/2022 im Antragsbuch 4, Rubrik Inklusion, Seite 358 Thema: Beteiligungssteuerung und Berichtspflichten für landeseigene Unternehmen ausweiten – Keine Ausgleichsabgaben für niemanden! https://parteitag.spd.berlin/app/uploads/Antragsbuch-Teil-4-1.pdf Empfehlung der Antragskommission: Annahme Wir Selbst Aktive kritisieren, dass bei einigen landeseigenen Unternehmen seit mehreren Jahren Ausgleichsabgaben gezahlt werden. Das bedeutet: Diese Unternehmen erfüllen nicht noch nicht einmal die Pflichtquote an Beschäftigten mit Schwerbehinderung. Wir wollen, dass in den Beteiligungsunternehmen des Landes Berlin Verfahren zum Disability Mainstreaming zu entwickeln sind, die die Einstellung und Karriereförderung von Menschen mit Beeinträchtigungen sicherstellen. Wir wollen auch, dass entsprechende gesetzliche Berichtspflichten für den Beteiligungsbericht und seine unterjährigen Erfordernisse zu etablieren sind und die Ausgleichsabgaben drastisch erhöht werden.
- Antrag 153/II/2022 im Antragsbuch 4, Rubrik Inklusion, Seite 360 Thema: Kein Rückbau barrierefreier Sportanlagen https://parteitag.spd.berlin/app/uploads/Antragsbuch-Teil-4-1.pdf Empfehlung der Antragskommission: Annahme In Berlin ist noch viel Luft nach oben bezüglich einer umfassenden Barrierefreiheit in den Sportanlagen. Wir Selbst Aktive wollen, dass der Rückbau von barrierefreien Sportanlagen gesetzlich untersagt wird – egal, ob dieser Umbau mit privaten oder öffentlichen Geldern finanziert wurde.
- Antrag 154/II/2022 im Antragsbuch 4, Rubrik Inklusion, Seite 362 Thema: Disability Mainstreaming und Disability Budgeting https://parteitag.spd.berlin/app/uploads/Antragsbuch-Teil-4-1.pdf Empfehlung der Antragskommission: Annahme Das Konzept Disability Mainstreaming zielt darauf ab, die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrer Vielfalt umfassend und in allen Politikbereichen mitzudenken. Die gesellschaftliche Teilhabe für alle ist mit den entsprechenden notwendigen und auskömmlichen finanziellen, personellen und sächlichen Ressourcen (Disability Budgeting) im Bundeshaushalt als auch den Länder- und Kommunalhaushalten zu beschließen. Wir Selbst Aktive wollen für eine gute Implementierung des Konzeptes Disability Mainstreaming /Disability Budgeting anwendungsorientierte Forschungsaufträge und die Stärkung des Ansatzes des „Universal Design“ bzw. des „Design for all“ von Anfang bei öffentlichen Einrichtungen, Dienstleistungen und Aufträgen. Für uns ist es selbstverständlich, dass Selbstvertreter*innen in ihrer Vielfalt und ihren vielfältigen Kommunikationserfordernissen dabei einbezogen werden.
MV am 27.10.2022: Barrierefreie Mobilität in Berlin: Noch viel Luft nach oben!
Barrierefreie Mobilität ist sowohl für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen eine Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Deshalb wurde auf dem SPD-Landesparteitag der von der AG Selbst Aktiv vorgelegte Antrag 168/I/2022 „Mobilität von Menschen mit Beeinträchtigungen in Berlin verbessern“ ( https://parteitag.spd.berlin/app/uploads/pdf/I_2022//Antrag_168I2022_Mobilitat_von_Menschen_mit_Beeintr-2.pdf ) beschlossen. Die Hauptforderungen u.a. an alle sozialdemokratischen Mandats- und Amtsträger*innen sind:
- Im Rahmen der gewollten Verkehrswende die Mobilitätsinfrastruktur barrierefrei ausbauen.
- Eine Strategie zur besseren Kompatibilität vorhandener Verkehrsmittel erstellen.
- Die Digitalisierung von Anfang an mitdenken.
- Lösungen im Einzelfall schaffen.
- Die Partizipation von Menschen mit Behinderungen in verwaltungs- und politikübergreifenden Prozessen ernst nehmen und sichern.
Für unsere Mitgliederversammlung freuen wir uns auf die Impulsreferate unserer zwei nachweislich für eine vollständige Barrierefreiheit im ÖPNV kämpfenden Expert*innen
- Kathrin Geyer, langjähriges Mitglied und seit dem 1.5.2020 Vorsitzende des Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen, und Vorstandsmitglied der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Landesverband Berlin e. V.
Aktuelle Aktivitäten der AG Selbst Aktiv
Informiert wird über
- die laufenden Gespräche mit Mitgliedern des SPD-Landesvorstandes (LV)) und des Kurt-Schumacher-Hauses über die Entwicklung eines SPD-Inklusionsplanes
- Erinnerungen an die Berichtspflicht der Senats- und Bezirksämter, des Abgeordnetenhauses und der Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) gegenüber dem Landesparteitag (LPT).
- die Treffen des Arbeitskreises Deutsche Gebärdensprache (AK DGS) und dem geplanten Erfahrungsaustausch am 18.11.2022 mit Vertreter*innen der SPD-Fraktionen zum Einsatz von Gebärdendolmetscherinnen in unseren BVVen. Gefragt wird auch nach der Bedeutung des Landesgleichberechtigungsgesetzes (LGBG) für das Bezirksverwaltungsrecht.
- die Vertretung der AG Selbst Aktiv in folgenden Gremien: SPD-LV, Landesgleichstellungskommission, Landes-Antragskommission, etc.
- die von der AG Selbst Aktiv dem SPD-LPT am 12.11.22 vorgelegten vier Anträge: Die Antragskommission schlägt drei zur Annahme und einen zur Überweisung an den SPD-LV vor.
Wir haben uns als Selbst Aktive zudem zu folgenden Themen mit Schreiben an unsere sozialdemokratischen Amts- und Mandatsträger gewandt:
- Fristgerechte barrierefreie Umgestaltung der öffentlich zugänglichen Bestandsbauten der öffentlichen Stellen – § 11 Absatz 3 LGBG
- Inklusive Erwachsenenbildung
Genaueres ist hierzu im Newsletter 9-2022 nachzulesen.
Wir Selbst Aktive wollen eine umfassende Barrierefreiheit im ÖPNV
Mechthild Rawert führt ein mit dem Hinweis auf den Offenen Brief „Rechte von Menschen mit Behinderungen bei Nachfolgeangeboten für das 9-Euro-Ticket gewährleisten“ ( https://www.berlin.de/lb/behi/service/veroeffentlichungen/lesenswertes/rechte-von-menschen-mit-behinderungen-bei-nachfolgeangeboten-f-r-das-9-euro-ticket-gew-hrleisten-1253199.php?fbclid=IwAR0fu_L1ZDuYJkzhjU5qq4RMc__kGtJGJe-LfJbhJky1zOaZAWnhfYKPMFw ) von Christine Braunert-Rümenapf, Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen an Senatorin Bettina Jarasch, Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz (UMVK). Gebeten wird u.a. um eine Analyse der Erfahrungen aus der Zeit des 9-Euro-Tickets, da das erhöhte Fahrgastaufkommen für Menschen mit Rollstuhl, Kinderwagen, Rollatoren auch mit vielfältigen Nachteilen verbunden gewesen ist.
Impuls von Stephan Machulik
Begrüßt wird Stephan Machulik, MdA, Sprecher für Verkehr gleich mit der Bitte, eine parlamentarische Anfrage zu dieser Analyse und den daraus folgenden Konsequenzen für das Berliner 29-Euro-Ticket bzw. das bundesweite 49-Euro-Ticket zu stellen. Stephan verspricht dieses.
Barrierefreiheit sei leider ebenso ein Randthema wie die Qualität des ÖPNV insgesamt. Das 9-Euro-Ticket sei sozialpolitisch ein Erfolg gewesen, aber nicht verkehrspolitisch. Leider verfügt Berlin über keine Mobilitätsdaten wie in anderen Großstädten darüber, wer wann wo einsteigt. Das sei ein großes Manko, da somit keine datenunterlegten Planungen gemacht werden könnten.
Das 2021 vom Deutschen Bundestag novellierte Personenbeförderungsgesetz (PBefG) sieht vor, bis zum 1. Januar 2022 für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs vollständige Barrierefreiheit zu erreichen. Dadurch, dass von den Belangen „der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen“ gesprochen wird, wird auf ein Design für Alle mit Erleichterungen für alle Nutzer*innen des ÖPNV abgestellt. Wir alle wissen: Dieses Ziel ist nicht erreicht. Stephan und die SPD-Fraktion versuchen, die Senatsverwaltung UMVK stärker dafür zu sensibilisieren.
Stephan bezweifelt, ob die im „Berlin inklusiv – Berliner Maßnahmenplan 2020 bis 2025 zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“ (file:///C:/Eigene%20Dateien/Mechthild/Downloads/berliner_massnahmenplan_210503-2.pdf ) erwähnten Maßnahmen fristgerecht umgesetzt werden – und dass obgleich zahlreiche Verbände und Vereine wie z.B. FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland, sehr engagiert unterwegs seien. Leider werde im Mobilitätsausschuss nicht über den Maßnahmenplan 2025 bis 2030 gesprochen. Und wieder sei das Ärgernis: Es fehlen solide Daten zur Entwicklung von realistischen Konzepten für die barrierefreie Mobilität.
Berlin hat mit seinem Mobilitätsgesetz wesentliches schon geleistet. Koalitionsintern gibt es noch viele Fragen zum Wirtschaftsverkehr und zur Mikromobilität. Gemeint ist damit die neue individuelle Fortbewegung u.a. mit den E-Scootern auf den letzten Kilometern. In welchem Umfang die neue Mikromobilität als Baustein nachhaltiger Mobilität einen Beitrag zur angestrebten Verkehrswende leisten kann, müssen Studien zu den (Umwelt-)Wirkungen von Elektrokleinstfahrzeugen und deren Sharing-Angeboten erst noch zeigen. Stephan rechnet nicht mit einer Verabschiedung noch in diesem Jahr, dann komme der Wahlkampf, die Wahlwiederholung, eine Regierungsneubildung, die Haushaltsaufstellung – wahrscheinlich ist erst Ende 2023 damit zu rechnen.
Gerade das Fehlen gesetzlicher Regelungen und Schutzvorschriften in diesem Mobilitätssektor ärgert Menschen mit Behinderungen sehr. Obgleich es der Idee von E-Scootern widerspricht, dass diese zum Teil rücksichtslos einfach überall abgestellt werden, gelang es der Senatsverwaltung bisher nicht, dieses Verhalten zu bändigen.
Er unterstütze mittlerweile, dass Verbände für mehr barrierefreie und sichere Mobilität klagen. Mensch dürfe nie Ruhe geben, für die Rechte der Menschen mit Beeinträchtigungen zu kämpfen. Leider wurden in der Vergangenheit viele Fehler gemacht. Barrierefrei bedeute auch immer diskriminierungsfrei – und davon sind viele der Planungen noch weit entfernt, u.a. bei der Bestellung bestimmter Bus-Fahrzeugtypen, die noch mit Rampe und nicht mit elektrischer Senkung arbeiten, zu kleinen Flächen für Rollstühle, Kinderwagen und Rollatoren in U- und S-Bahn, bei mangelnden Aufzügen, etc.
Sonderfahrdienste und Neue Apps
„Muva“ ist der Berlkönig-Nachfolger und ein Sonderfahrdienst, der derzeit vor allem in Ostbezirken erprobt wird. Per App oder Anruf können Fahrgäste gegen einen Aufpreis zum Ticket Fahrten zum nächsten Bahnhof oder flexibel zum gewünschten Ziel buchen. Bisher werde dieses vielfach als eine Art Partybus genutzt. Spannend sei die Nutzung bei der Ausweitung auf das ganze Berliner Stadtgebiet.
Das Projekt ärgere das Taxigewerbe, weil uber dieses schon knallhart bedrängt. Taxis übernehmen viele Sonderfahrten, auch Routen für Buslinien. Sie sind immer bemüht, alles barrierefrei zu gestalten. Die bisherige Förderung zum Umbau von Taxis zu Inklusionstaxis sei ausgelaufen und neue Richtlinien noch nicht erlassen.
Wichtig wäre die Entwicklung einer Deutschlandweiten App für die Zeiten des 49-Euro-Tickets – nicht nur für junge Menschen mit guten Augen, um Kleingedrucktes auch auf dem Smartphone zu lesen. Zuständig dafür ist der Verkehrsminister.
In Berlin haben wir die „Jelbi-App“ ( https://www.jelbi.de/), ein Projekt der BVG in Zusammenarbeit mit vielen Partnern, welches ÖPNV- und Sharing-Angebote für Berlin unter einem Dach bündelt. Auch hier sind noch weitere Erneuerungen notwendig, z.B. um alle Fahrscheine kaufen und zeitnah sehen zu können, wann die einzelnen Fahrdienste losfahren.
Gerechte Verteilung von öffentlichen Flächen
Bei der nachhaltigen Verkehrswende geht es auch um die gerechte Verteilung des öffentlichen Raums für die unterschiedlichen Nutzer*innengruppen und Verkehrsmittel. Aus Stephans Sicht werden die Füßgänger*innen und ihre Mobilität und Sicherheit viel zu wenig berücksichtigt.
Impuls von Kathrin Geyer
„Ich habe den Eindruck, dass sich vieles im Kreis dreht und nicht vorankommt“ – so die erste Aussage von Frau Geyer. Im Rahmen einer nachhaltigen Verkehrswende müsse die Mobilitäts-Infrastruktur so aufgebaut werden, dass alle Verkehrsmittel von allen Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen gleichberechtigt zu nutzen sind. Dringend empfiehlt sie eine bessere Zusammenarbeit der Landes- und der Bezirksebene. Gleichberechtigte Partizipation in der Mobilität könne nur so funktionieren. Dazu brauche es u.a.
- sichere Einstiegsmöglichkeiten für alle
- zwei Aufzüge an den Bahnsteigen, falls einer ausfällt
- Möglichkeiten zur spontanen Nutzung und nicht erst nach wochenlanger vorheriger Anmeldung
- ein Fußgänger*innen-Verkehrskonzept
- digitale Hinweise und auch Apps, die beim Umsteigen von Verkehrsmitteln behilflich sind und ggf. mit Piktogrammen auf Ersatzverkehr, etc. hinweisen
- der Ausbau von mehr Inklusionstaxis wie z.B. in London
- Konzepte zur Mikro-Mobilität, insbesondere sanktionierende Regelungen für die E-Scooter
- neben Apps auch eine Telefonzentrale, die von Menschen in Notfällen angerufen werden kann
- eine Preisstruktur, die niemanden von der Mobilität ausschließt.
In Berlin gäbe es einen großen Anteil von Menschen, die kein Fahrrad fahren. Diese müssten sich dafür auch nicht rechtfertigen. Vielmehr brauche es für diese eine sichere Trennung zwischen Fuß- und Radwegen, es brauche an beiden Seiten Poller. Auch dass Parks als Erholungsräume und nicht als Fahrradschnellstrecken zu nutzen sind, müsse selbstverständlich sein.
Derzeit gäbe es den Autoverkehr in der Stadt. Entscheider*innen dürften dieses nicht negieren und nur Rad- und Fußwege anlegen. Für Menschen mit Beeinträchtigungen ist auch das Auto als Verkehrsmittel bedeutsam. Dafür braucht es mehr Behindertenparkplätze.
Frau Geyer kritisiert sehr, dass bei der Entwicklung digitaler Konzepte aber auch bei Baumaßnahmen die Betroffenen viel zu wenig einbezogen werden. Es müsse selbstverständlich sein, dass Behindertenverbände und der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen in Planungen und Ausführungen einbezogen sind. Zudem gehöre Barrierefreiheit in jede Ausbildung.
Das Land müsse die Rahmenbedingungen bei den Sonderfahrdiensten verbessern. Es gäbe viele Menschen, die keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen können. Leider gibt es zu wenig Personal, u.a. da woanders besser verdient werde.
Richtig sei, dass eine inklusive Stadt Geld kostet – Exklusion kostet aber auch und ist zudem sehr ungleich und damit ungerecht verteilt.
Diskussion
- Es braucht zügige Verbesserungen bei den Behindertenparkplätzen, u.a. wie in Leipzig, wo jeder zweite Parkplatz ein Behindertenparkplatz ist, u.a. wie in einem Modell in Österreich, mit dem per App ausgewiesen wird, wo sich der nächste personenungebundene Behindertenparkplatz befindet. Häufig gäbe es bei personengebundenen Parkplätzen Probleme, die Rednerin muss z.B. jeden 4./5. Tag die Polizei rufen. Gewünscht wird ein Gesamtkonzept, bei dem „Menschen mit Behinderungen nicht in die Röhre schauen“. Leider gäbe es keinen Rechtsanspruch auf Sonderparkplätze. Außerdem besteht für Neubauquartiere, ggf. mit Tiefgarage, häufig eine geringe Neigung, Sonderparkplätze zu gewähren. Dies ist eine weitere Diskriminierung von Menschen mit Beeinträchtigungen auf dem Wohnungsmarkt. Nicht alle können sich zudem die Miete für einen Stellplatz leisten. Auf Landes- und Bezirksebene entfallen durch die Einrichtung von Fahrradstraßen Parkplätze, also auch Behinderten-Parkplätze. Wir müssen die Anwohner*innen mit Beeinträchtigungen stärker schützen. Es braucht klarere gesetzgeberische Maßnahmen, dass der Anspruch auf einen Behindertenparkplatz in der Nähe bestehen bleibt, auch wenn Fahrradstraßen eingerichtet werden.
Antwort Stephan Machulik: Sonder- und Behindertenparkplätze sind zu 80% Aufgabe der Bezirke. In Spandau sind viele personenungebundene Sonderparkplätze eingerichtet worden, andere Verkehrsteilnehmer*innen sollen in die Parkhäuser fahren oder den ÖPNV nutzen. Es gäbe keine Entschuldig dafür, personenungebundene Parkplätze zuzuparken. Für die Polizei handelt es sich dabei um ruhenden Verkehr, für den die bezirklichen Ordnungsämter zuständig sind. Für den flächenmäßig großen Bezirk Spandau sind dies 8 Mitarbeiter*innen, die aber auch keine 24/7-Schichten fahren. Es braucht mehr deutlich sichtbare Umsetzfahrzeuge auf den Straßen, so dass alle sehen können: Falschparken kostet. Das gilt auch für die Eckenparker*innen, die Rollstuhlfahrenden den Weg versperren. Die SPD hat sich im Koalitionsvertrag stark gemacht für mehr Personal und eine bessere Karriere bei der Polizei und in den Ordnungsämtern. Behindertenparkplätze sollten für die Betroffenen nicht von Flächen in Tiefgaragen abhängig macht werden.
- Einigen Fahrer*innen der Sonderfahrdiensten würden Schulungen fehlen, „fahren wir die Rowdys“, was auch zu Verletzungen bei den Insassen führt.
Antwort Frau Geyer: Sonderfahrten werden von schwerstbehinderten Personen genutzt, die nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein können. Die Rahmenbedingungen für die Fahrer*innen dieser Dienste müssen sich verbessern. Dazu würden vom Landesbehindertenbeirat Gespräche mit dem Senat geführt.
- Es darf nicht alles nur über Apps auf Smartphones laufen. Viele Menschen können diese taktil nicht bedienen. Außerdem wird gefragt, warum es nicht möglich ist, Fahrräder auch im Bus mitzunehmen.
Antwort Frau Geyer: Warum muss es das eigene Fahrrad sein? Das Konzept des Sharings bedeutet auch Fahrzeugwechsel, um z.B. den individuellen Arbeitsweg etc. mit mehreren Verkehrsmitteln aber mit einem Ticket zu ermöglichen. Dazu braucht es aber die entsprechende Infrastruktur in den Innen- und Außenbezirken.
- Im letzten Herbst wurde das Landesgleichstellungsgesetz novelliert. Senats- und Bezirksverwaltungen sind zur Einrichtung von Koordinierungs- und Arbeitsgruppen verpflichtet, um Menschen mit Beeinträchtigungen überall frühzeitig und umfassend einzubeziehen. Laut der Studie „Politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen in Berlin“ ( https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/politische-partizipation-von-menschen-mit-behinderungen-in-berlin ) des Deutschen Institut für Menschenrechte sind die Vertreter*innen in diesen „verfassten Gremien“ sehr unzufrieden mit der tatsächlichen Umsetzung. Wer unterstützt diese Gremien? Von den MdA´s wird erwartet, dass diese sich verstärkt auch um diesen Aspekt des LGBG kümmern und einmal nachfragen, was in den Verwaltungen diesbezüglich passiert. Nachgefragt werden soll auch, was mit den für 2022 im Landeshaushalt eingestellten Geldern zur Umsetzung gesamtstädtischer Aufgaben geschieht.
Antwort Stephan Machulik: Er werde bezüglich der Gelder 2022 und der Qualität der Gremien nachfragen. Als Spandauer verweist er auf „Spandau inklusiv“. Die gesamte Verwaltung sei vom Prinzip der Inklusion und Barrierefreiheit durchdrungen. Sie wird sukzessive barrierefrei umgebaut, es gäbe kein Amt, in dem nicht jemand sei, die/der* sich darum kümmere.
- Es gibt ein grundsätzliches Ärgernis über die fehlenden statistischen Daten für den öffentlichen Raum und für Verkehr. Schwierig wird es auch, weil viele Herausforderungen zwar miteinander im Zusammenhang stehen, aber nicht in gleicher Zuständigkeit sind. Hinsichtlich Sensibilisierung, Dialog und Herstellung von Barrierefreiheit hinken die Ämter für Verkehr und öffentlichen Raum hinterher. Es gäbe nicht einmal genug Personal, um neue Stellen auszuschreiben und so die Kompetenzen in Barrierefreiheit zu stärken.
Einige Bezirke haben noch nicht einmal statistisch erfasst, was sie selbst in Auftrag gegeben haben, u.a. an welchen Stellen Bordsteinkanten abgesenkt wurden. Das macht es schwer, über ein Konzept von prioritären Wegeverbindungen zu diskutieren. Wo anfangen?
Die MdA´s als Berliner Gesetzgeber sollten Konzepte zur Behebung dieses Missstandes erlassen.
Antwort Stephan Machulik: Er verweist auf Amsterdam, wo jede Person beim Einchecken erfasst wird und in anonymisierter Form Mobilitätsdaten erhoben werden. So könne zielgenauer geplant werden, u.a. wo muss schneller getaktet werden, etc.. Er hoffe, dass dieses auch irgendwann einmal in Deutschland, in Berlin möglich sei. Derzeit sei sehr häufig zu beobachten, dass nicht das Geld fehlt sondern gute Ideen und gutes Personal.
MV am 22.9.2022: Die Umsetzung des Landesgleichberechtigungsgesetz vorantreiben – Die politische Teilhabe gehörloser Genoss*innen absichern
Mit vier Programmpunkten hatte diese Mitgliederversammlung ein äußerst anspruchsvolles Programm:
- Berichte und Hinweise aus der sozialdemokratischen Arbeit
- Verabschiedung von vier Anträgen für den SPD-Landesparteitag
- Das Landesgleichberechtigungsgesetz und daraus resultierende Strukturen der Teilhabepolitik für Menschen mit Beeinträchtigungen
- Die politische Interessensvertretung von gehörlosen Menschen in der Politik: in Parteien, Parlamenten und Verbänden –
Wir danken Margret Meyer für die Schriftsprach- und Sabrina Klieber und Christiane Lemke für die Gebärdensprachdolmetschung. Und wir danken unseren Referent*innen für ihre sachkundigen Impulse. Diese sind für unsere Selbst Aktiv-Arbeit sehr hilfreich.
- Berichte und Hinweise aus der sozialdemokratischen Arbeit
Auf dem letzten SPD-Landesparteitag haben die Delegierten beschlossen, dass wir als Haupt- und Ehrenamtliche einen SPD-Inklusionsplan für eine barrierefreie Partizipation für alle für unsere Partei entwickeln sollen. Ziel ist: Alle Genoss*innen mit und ohne Beeinträchtigungen haben die gleichen Chancen auf politische Mitgestaltung. In der AG Selbst Aktiv wurde hierzu ein Arbeitskreis gebildet – weitere Aktive sind willkommen.
Bei der Entwicklung des parteirelevanten SPD-Inklusionsplanes spielt auch der Barriereabbau für Taube Menschen eine große Rolle. Der Arbeitskreis Gebärdensprachdolmetschung (AK DGS) wird im Rahmen von zwei Sitzungen im Oktober (Online) und November (Präsenz) fortgeführt. Schwerpunkt wird die gleichberechtigte Teilhabe von tauben Menschen an den Bezirksverordneten-Versammlungen (BVV) sein. Beide Veranstaltungen finden mit Gebärdensprachdolmetscher*innen statt. Zur Vorbereitung dient der Bericht des Deutschen Institut für Menschenrechte zu den Bezirklichen Koordinierungsstellen im Land Berlin (vgl. den Link (PDF))
Terminankündigung
Die nächste Selbst Aktiv-Mitgliederversammlung findet am 27. Oktober 2022 im Willy-Brandt-Haus statt. Zum Thema „Barrierefreie Mobilität“ sind eingeladen Stephan Machulik, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Faktion im Berliner Abgeordnetenhaus, und Gerlinde Bendzuck aus dem Landesbehindertenbeirat.
II. Verabschiedung von vier Anträgen für den SPD-Landesparteitag am 12.11.2022
Einstimmig hat die Mitgliederversammlung der AG Selbst Aktiv folgende Anträge beschlossen:
- Abbau von Kommunikationsbarrieren zwischen Hörenden und Gehör-losen/Schwerhörigen in der SPD
- Kein Rückbau barrierefreier Sportanlagen
- Disability Mainstreaming und Disability Budgeting – Realisierung in der und durch Bundespolitik sowie die Berliner Landes- und Bezirkspolitik vorantreiben
- Beteiligungssteuerung und Berichtspflichten für landeseigene Unternehmen ausweiten – Keine Ausgleichsabgaben für niemanden!
Diskussion:
Die zu verbessernde Beteiligungssteuerung in den landeseigenen Unternehmen zeigt, dass die bundes- als auch landesseitigen gesetzlichen Regelungen zum Schutz vor Diskriminierung noch umfassender zu regeln und vor allem im privaten als auch öffentlichen Bereich noch stärker zu kontrollieren sind. Zu stärken sind Beratungs- und Beschwerdestrukturen und das Verbandsklagerecht.
Disability Mainstreaming und Disability Budgeting sind ein dringendst zu etablierendes Konzept. Teilhabepolitik für alle ist viel mehr als „nur“ Sozialpolitik, ist eine von allen Parteien, Fraktionen und Ressorts umzusetzende Querschnittsaufgabe.
III. Das Landesgleichberechtigungsgesetz und daraus resultierende Strukturen der Teilhabepolitik für Menschen mit Beeinträchtigungen
Anhand ihrer Präsentation „Behindertenpolitische Strukturen im Land Berlin auf Grundlage des neuen Landesgleichberechtigungsgesetzes“ erläutert Julia Würtz, Koordinatorin des Focal Point, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, zentrale behindertenpolitische Rechtsvorschriften für das Land Berlin. Mit dem Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) nimmt Berlin laut Deutschem Institut für Menschenrechte (DIMR) bundesweit eine Vorreiter*innenrolle in der gesetzlichen Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ein. Allerdings sind mit der Umsetzung nun auch Mammutaufgaben verbunden.
Wer ist für was verantwortlich?
Der Focal Point ist die zentrale Steuerungsstelle zur Umsetzung des LGBG. Das Team ist zudem für zahlreiche gesamtstädtische Aufgaben zuständig.
In jeder Senatsverwaltung und jeder Bezirksverwaltung sind die Beteiligungsgremien Koordinierungsstellen und Arbeitsgruppen Menschen mit Behinderung einzurichten. Wichtig ist hierbei, dass die politische Hausspitze sich im Sinne eines Top down-Ansatzes hierum auch selbst kümmert.
Die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung steht zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft und arbeitet eng mit dem Landesbehindertenbeirat als Vertretungsorgan der Zivilgesellschaft zusammen. Sie muss über Gesetzesvorhaben und Verordnungen informiert werden und hat ein Mitspracherecht.
Mit den existierenden bzw. sich noch im Aufbau befindlichen Strukturen gemäß LGBG wird versucht, Behindertenpolitik / Teilhabepolitik für Menschen mit Beeinträchtigungen als Querschnittsthema zu verankern. Die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigungen sollen sich in den Beteiligungsstrukturen der Verwaltungen widerspiegeln.
Diskussion
Wer sind die Impulsgeber*innen innerhalb der jeweiligen Strukturen gemäß LGBG? Bei allen Entscheidungsprozessen in einer Senatsverwaltung, die Menschen mit Behinderung betreffen – also so gut wie alle – sind die in jeder Verwaltung existierenden Arbeitsgruppe Menschen mit Behinderungen zu beteiligen. In diesen AG´s sitzen Vertreter*innen der jeweiligen Verwaltung, Selbst- und Interessenvertreter*innen sowie die politische Hausleitung. Die jeweiligen Themen sind vorrangig durch die Verwaltung einzubringen – hier liegt noch Verbesserungsbedarf.
Sind die Mitglieder des Landesbehindertenbeirates als Vertreter*innen der Zivilgesellschaft nicht auch häufig durch die notwendigen zahlreichen Anforderungen überfordert? Das ist so! Die Studie „Politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen in Berlin – Erfahrungen, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen“ (vgl. den Link: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/detail/politische-partizipation-von-menschen-mit-behinderungen-in-berlin ) des DIMR zeigt deutlich, dass es weitere Unterstützungsmechanismen und Assistenzen braucht, damit die politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen als Kernanliegen der UN-BRK im Lebensalltag auch tatsächlich umgesetzt werden kann.
Kann die AG Selbst Aktiv Berlin als eine Gliederung der SPD dem Landesbehindertenbeirat beitreten? Nein. Die Mitglieder des Landesbehindertenbeirates werden von der Landesbehindertenbeauftragten vorgeschlagen und im Einvernehmen mit den Verbänden durch den Senat benannt. Bisher sind keine Parteigliederungen im Landesbehindertenbeirat vertreten. Parteien haben einen anderen Status als Vereine oder Verbände. Das gilt auch für das Stellen von Förderanträgen. Dieses ist Parteigliederungen oft nicht möglich. Hier empfiehlt sich eine themenspezifische enge Kooperation mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Kann die AG Selbst Aktiv Berlin beim Berliner Behinderten-Parlament (vgl. den Link: https://www.behindertenparlament.berlin/ ) mitmachen? Eine Teilnahme in den zahlreichen Foren ist sicherlich möglich. Das Behinderten-Parlament als Teil einer lebendiger Zivilgesellschaft versucht, direkt Einfluss auf die Politik im Abgeordnetenhaus zu nehmen und so für mehr Sichtbarkeit spezifischer Interessen zu sorgen. Der Landesbehindertenbeirat als Teil verfasster Gremienstruktur ist dagegen nah an den Strukturen und Prozessen der Verwaltung. Überall braucht es aber noch mehr engagierte Selbstvertreter*innen.
Wie und wo können sich Mitglieder der AG Selbst Aktiv als „Lobbyist*innen“ der Menschen mit Behinderungen überall in der SPD einsetzen? Jede Genoss*in kann und sollte sich in allen Gremien – also auch außerhalb der AG-Struktur – für unsere Interessen stark machen. Als AG machen wir es über Anträge und ständiges Nachfragen, über Gespräche mit unseren sozialdemokratischen Landesvorsitzenden, mit Senator*innen und Staatssekretär*innen.
Wie und wo können sich Mitglieder der AG Selbst Aktiv als „Lobbyist*innen“ der Menschen mit Behinderungen einsetzen? Auf bezirklicher Ebene werden gemäß LGBG die gleichen Strukturen noch aufgebaut. Interessierte Engagierte sollten es auch auf der jeweiligen Bezirksebene versuchen.
Was sind die gesamtstädtischen Aufgaben des Focal Point? Dazu gehört u.a. die Fachstelle für Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen. In erster Linie richtet sich diese an die verschiedenen Verwaltungen bei Fragen einer umfassenden Barrierefreiheit. Wenn die Haushaltsmittel es zulassen, können auch die Zivilgesellschaft, die Verbände und die Wirtschaft beraten werden. Weitere gesamtstädtische Aufgaben sind u.a. der Teilhabebericht, der Berliner Maßnahmenplan, die bei der Landesbeauftragten zu implementierende Schlichtungsstelle oder die Einrichtung eines Partizipationsfonds.
Derzeit werden die Richtlinien zum Partizipationsfonds erarbeitet, damit (insbesondere kleinere) Berliner Verbände und Organisationen niedrigschwellige Maßnahmen zum Beispiel für Weiterbildung und Assistenz, Empowerment und Coaching gefördert bekommen. Damit soll die aktive Mitwirkung, Mitbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen und ihrer Verbände bei der Gestaltung von Politik und Gesellschaft auf Augenhöhe gestärkt werden. Über die Mittelvergabe entscheidet dann ein Beirat. Ob eine Parteigliederung wie die AG Selbst Aktiv antragsberechtigt ist, ist noch offen.
IV. Die politische Interessensvertretung von gehörlosen Menschen in der Politik: in Parteien, Parlamenten und Verbänden –
Der erste Impulsgeber ist Martin Vahemäe-Zierold, seit dem 1.8.2022 Beauftragter für Queer, Diversity und Antidiskriminierung im Bezirksamt Mitte. Er ist seit seiner Geburt taub. Seine Muttersprache ist die Gebärdensprache. Parallel zum Ratifizierungsprozess der UN-Behindertenrechtskonvention 2008/2009 wurde er u.a. aufgrund zahlreicher Klagen von gehörlosen Jugendlichen mit dem Berliner Bildungssystem zum Mitbegründer von „jubel3 mit Gebärdensprache (Jugend Berlin lacht, lernt und lebt mit Gebärdensprache)“ – vgl. den Link https://jubel3.de/ .
Seine politische Heimat fand er bei Bündnis 90/Die Grünen in Berlin-Mitte. Für sein parteiliches Engagement wurden derzeit keine Gebärdensprachdolmetscher*innen eingesetzt. Er besorgte sich Kommunikationsassistent*innen, die anfangs für ihn ein bis zwei Stunden ehrenamtlich arbeiteten. Als auch diese nach einem Honorar fragten, stellte er einen Kostenübernahmeantrag beim bezirklichen Vorstand. Anfangs bewilligten ihm die bezirklichen Grünen ein Barrierefreiheitsbudget von 2000 Euro für kleine Honorare. Auf erneutem Antrag hin wurde dieser Betrag 2010, 2011 vom Bezirksvorstand Mitte auf 10.000 Euro angehoben.
Bei der Wahl im September 2011 kandidierte Martin Zierold für die Bezirksverordneten-Versammlung (BVV) Berlin-Mitte. Die 10.000 Euro waren im Wahlkampf schnell aufgebraucht, das Geld reichte nicht mehr für die Teilnahme an zahlreichen Wahl-Veranstaltungen, für Netzwerkbildungen, regelmäßigen Infoständen, etc.. Diskriminierend waren Aussagen wie „Du musst ja nicht überall dabei sein“.
Über den 14. Listenplatz gelang ihm dennoch der Einzug in die BVV. Anfangs gab es dort keine Mittel für Gebärdendolmetschung. Nach einem Antrag bei der Senatsverwaltung für Finanzen wurden Mittel freigestellt. In den BVV-Sitzungen als auch in seinen drei Ausschüssen „Schule“, „Transparenz und Bürgerbeteiligung“ und „soziale Stadt, Verkehr, Grünfläche“ übersetzten ihm zwei Gebärdensprachdolmetscher*innen abwechselnd die Debatten. Ein Kommunikationsassistent notierte ihm zusätzlich Zwischenrufe sowie was in den Reihen seiner Fraktion gesprochen wurde.
„Ich habe in meiner politischen Arbeit viel Diskriminierung erfahren“, so Martin Zierold. Finanziert wurden zwar die offiziellen BVV-, Fraktions- und Ausschusssitzungen – aber nicht die parlamentarische Vor- und Nacharbeit. Dies bedeutet, an vielen Entscheidungsprozessen nicht beteiligt zu sein. Er kandidierte kein zweites Mal. „Energie und Kraft gingen zur Neige.“
Martin Vahemäe-Zierold studierte anschließend und arbeitete u.a. in der Berliner Landesantidiskriminierungsstelle (LADS).
Diskussion
Hat der in Berlin vorhandene Mangel an Gebärdendolmetscher*innen die politische Arbeit beeinträchtigt? Aufgrund der Langfristigkeit der BVV-Termine konnten Gebärdensprachdolmetscher*innen teilwiese ein Jahr voraus gebucht werden. Die Suche nach Gebärdensprachdolmetscher*innen für Termine unter einem Monat ist anstrengend. Schwierig waren daher kurzfristig angesetzte Außentermine, Netzwerk-Arbeit, Telefonate und sonstige Veranstaltungen. In Berlin gibt es cirka 7.000 Taube und rund 100 Gebärdendolmetscher*innen.
Der zweite Impulsgeber ist Daniel Büter, Referent für politische Arbeit im Deutschen Gehörlosen-Bund e.V..,
Der Deutsche Gehörlosen-Bund (DGB) mit seinen 16 Landesverbänden ist die Interessenvertretung der Gehörlosen in Deutschland. Diese stellen 0,1% der Gesamt-Bevölkerung, also etwa 80.000 taube Menschen. Barrieren für diese existieren durch den großen Mangel an Gebärdendolmetscher*innen, von denen es nur rund 850 bundesweit gibt.
Bei der Bundesversammlung des Deutschen Gehörlosen-Bundes e.V. in Kiel am 29./30. Oktober wurde die „Kieler Erklärung zur Stärkung der politischen Teilhabe von Gehörlosen“ mit den Forderungen
- „die politische Teilhabe von Gehörlosen auf Augenhöhe mit allen anderen Bürger/-in-nen,
- die Änderung des § 78 Absatz 1 und 5 SGB IX,
- die Streichung der Formulierung „aus besonderem Anlass“ in § 82 SGB IX bei den „Leistungen zur Förderung der Verständigung“ und
- die Abschaffung der Einkommens- und Vermögensabhängigkeit von Leistungen zur Sozialen Teilhabe (Wegfall der Einkommens- und Vermögensgrenzen)“
beschlossen (vgl. den Link https://www.gmu.de/kieler-erklaerung/ .
Besonders ärgerlich sind die bürokratischen Antragsverfahren und dass – aufgrund von Bundesgesetzen – vor der Beantragung von Assistenzleistungen erst Nachbar*innen, Freund*innen und die Familie nach umsonst zu erbringenden Gebärdensprachkompetenzen gefragt werden müssen. Bei tauben Personen müsse der Nachweis Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen GL für die Bewilligung ausreichen.
Bedauerlicherweise verpasste die gehörlose SPD-Bundestagskandidatin Heike Heubach, Wahlkreis Augsburg-Land, 2021 mit dem Listenplatz 24 der SPD Bayern den Einzug in den Deutschen Bundestag. Sie ist nun erste Nachrückerin, da 23 Sozialdemokrat*innen in den Deutschen Bundestag eingezogen sind. Auch Heike Heubach machte negative Erfahrungen hinsichtlich ihrer Kandidatur: Der von ihr für den Wahlkampf gestellte Antrag auf Assistenzleistungen beim Integrationsamt wurde nach einem Jahr erst kurz vor der Bundestagswahl bewilligt. Das hat innerparteilich als auch im Hinblick auf Veranstaltungen mit Bürger*innen zu Benachteiligungen geführt. Der Gehörlosen-Bund hätte sich sehr gewünscht, dass eine taube Person Mitglied des Deutschen Bundestag ist und fordert von den Parteien für taube Kandidat*innen ein Wahlkampf-Budget.
Diskussion
Die Forderungen der „Kieler Erklärung“ sind Grundlage des vom SPD-Landesparteitag am 19.6.2022 beschlossenen Antrages 134/I/2022: Chancengleichheit in der (partei-)politischen Teilhabe für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen. Er wurde überwiesen an die SPD-Fraktionen auf Landes- und Bundesebene sowie an den Senat und den Bundesparteitag 2022.
Sowohl Martin Vahemäe-Zierold als auch Daniel Büter wird für ihren „harten politischen Kampf“ gedankt. Sie haben als Pioniere auf zahlreiche Versorgungs- und Teilhabelücken in Politik, Gesellschaft und Verwaltung offengelegt. Damit trugen sie zur Bewusstseinsbildung bei. Im Mittelpunkt sozialdemokratischer Politik muss die Ermöglichung von Teilhabe für alle stehen – und nicht die Kosten.
MV am 25.8.2022: Nur miteinander sind wir in aller Vielfalt stark
Was erwarten Berliner Selbst- und Interessens-Vertreter*innen von der AG Selbst Aktiv und der SPD Berlin im Hinblick auf ein selbstbestimmtes Leben und gesellschaftliche Teilhabe für alle? So lautet die Grundfrage, mit der die AG Selbst Aktiv auf Berliner Verbände zugeht. Ich danke Herrn Thomas Künneke, Projektreferent in der Bundesgeschäftsstelle der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL,) und Frau Dr. Verena Staats, Geschäftsführerin des Allgemeiner Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e.V. für ihre anregenden Vorträge, die zu zahlreichen Diskussionsbeiträgen führten.
Anschließend gab es Berichte und Hinweise auf die nächsten Mitgliederversammlungen (MV).
Hinweis auf ABSV-Aktion: Gelbe Karte für E-Roller auf Gehwegen
Anlässlich der Woche des Sehens und zum Internationalen Tag des weißen Stocks am 15. Oktober werden viele Unterstützer*innen gesucht, um achtlos auf Gehwegen abgestellten E-Rollern die gelbe Karte zu zeigen. Infos und Kartenbestellung sind erhältlich unter www.absv.de/e-wie-e-roller .
ISL: Selbstbestimmung – Selbstvertretung – Inklusion – Empowerment
Die ISL verfolgt einen beeinträchtigungsübergreifenden Ansatz, der alle Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen einbezieht. Thomas Künnecke zeigt eine Präsentation – hier verfügbar auch für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen und fordert mehr politische Macht für Menschen mit Beeinträchtigungen ein. Auch in der SPD sollen Menschen mit Behinderungen zahlreicher an die Entscheidungsmacht kommen.
Bei der ISL arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen. Großen Wert wird auf Peer Support, auf die Beratung von Menschen mit Beeinträchtigungen für Menschen mit Beeinträchtigungen gelegt. Dieses geschieht u.a. auch in einer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geförderten und vom ISL getragenen EUTB-Beratungsstelle (EUTB = Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung).
Für die ISL sind Barrierefreiheit und angemessene Vorkehrungen von hoher Bedeutung auf dem Weg zur Nicht-Behinderung. Diese Maßnahmen dienen dazu, Menschen mit Benachteiligungen nicht zu benachteiligen.
Thomas Künneke mahnt mehr „Unterstützte Entscheidungsfindung“ u.a. in der Berliner Eingliederungshilfe an. Ziel der Unterstützten Entscheidungsfindung ist, dass jeder Mensch die eigenen Vorstellungen und Wünsche zu den eigenen Lebens-Entscheidungen selbst äußern und umsetzen kann (vgl. LINK https://www.isl-ev.de/index.php/aktuelles/projekte/unterstuetzte-entscheidungsfindung ). Dieses Selbstbestimmungsrecht kann aber nur verwirklicht werden, wenn alle Beteiligten dieselbe Sprache sprechen. Dafür müssen beeinträchtigungsbedingte Bedarfe fachgerecht berücksichtigt werden, zum Beispiel durch das Dolmetschen in Deutsche Gebärdensprache, in Leichte Sprache oder durch computergestützte Kommunikation. Diese hohe Fachlichkeit wird regelmäßig auch benötigt, um die Betroffenen individuell mit ausreichend Kenntnis und Erfahrung auszustatten und so eine selbstbestimmte, autonome Entscheidung überhaupt erst zu ermöglichen.
Noch fehlten dafür vielfach innovative Modelle mit der dazugehörigen notwendigen Zeit – sowohl in der rechtlichen Betreuung (vgl. Link https://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2021-03-12/die_betreuungsrechtsreform_kommt_endlich_mehr_selbstbestimmung_f ) als auch den Assistenz-, Betreuungs- und Hilfeplanungen in der Eingliederungshilfe, auf den Ämtern, etc.
Angemahnt wird auch eine bessere Umsetzung des Budget für Arbeit. Die Umsetzungszahlen seien in Berlin noch ungenügend. Viele Menschen mit Behinderungen, die das Arbeitgeber-Modell nutzen, haben Schwierigkeiten ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Immer mehr Menschen mit erheblichen Assistenzbedarf berichten, dass es kaum gelingt, ein trägerübergreifendes Budget bewilligt zu bekommen. Die (Kosten-)Träger scheinen nicht in der Lage zu sein, den Anforderungen des SGB IX gerecht zu werden. Die ISL spricht sich eindeutig für das Budget für Arbeit aus und berät auch dazu.
Unzufriedenheit wird auch geäußert im Hinblick auf den unzureichenden Ausbau der inklusiven Bildung, der barrierefreien Mobilität, des Gewaltschutzes insbesondere für Mädchen und Frauen, eines inklusiven barrierefreien Gesundheitswesens mit ausreichen Psychotherapiemöglichkeiten auch für Menschen mit Beeinträchtigungen. Zentrales Thema ist derzeit auch Behinderung und Migration/ Flucht – auch hier braucht es dringendst noch weitere Hilfen.
Gelobt wird das neue Berliner Landes-Gleich-Berechtigungs-Gesetz (LGBG). Angemahnt wird aber eine zügigere Umsetzung der einzelnen Maßnahmen. Vor allem wollen Menschen mit Beeinträchtigungen mehr als eine „Buffet-Beteiligung“. Sie wollen tatsächlich mitwirken, tatsächlich mitentscheiden.
Diskussion:
- Gut, dass die SPD eine Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv hat. Diese braucht aber noch wie andere AGen auch ein Stimmrecht.
- Es braucht mehr Unterstützung für die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und in entsprechenden Berliner Gremien des Gesundheitswesen.
- Die Entstigmatisierung insbesondere von Menschen mit psychischen Erkrankungen muss noch stärker gefördert werden.
- Die Antragsbarrieren u.a. in Behörden und Ämtern sind viel zu hoch (Bürokratie, Zeitdauer, etc.). Das betrifft vor allem auch die Bewilligung für Assistenz für den Arbeitsmarkt. Viele kleine Betriebe oder Träger können nicht monatelang in finanzielle Vorleistung gehen.
- Notwendig ist die vierte Stufe der Ausgleichsabgaben. Vor allem müsse damit aufgehört werden, dass diese als Vor-Steuern berechnet werden. So greift der Strafmechanismus nicht. Starker Ärger besteht darüber, dass auch die Berliner Landesbetriebe Ausgleichsabgaben zahlen statt Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen.
- Die Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sollten nicht belohnt werden, wenn sie in Inklusionsbetriebe vermitteln. Inklusionsbetriebe gehören nicht zum ersten Arbeitsmarkt.
ABSV: Bauliche und digitale Barrierefreiheit sind große Themen für uns
Der Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e.V. ist eine Selbsthilfe-Organisation und hat in Berlin rund 2100 zumeist ältere und hochaltrige Mitglieder. Ein Grund für den hohen Altersdurchschnitt ist die alter(n)sbedingte Makuladegeneration. Organisiert werden u.a. Beratungs- und Kulturangebote auf Landes- und bezirklicher Ebene.
„Ohne Barrierefreiheit im öffentlichen als auch privaten Raum gibt es für unsere blinden und sehbeeinträchtigten Mitglieder keine Teilhabe“, so Frau Dr. Verena Staats. Ein großes Thema ist daher die Umsetzung des im Mai 2021 verabschiedeten Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BSFG) – vgl. LINK https://www.mechthild-rawert.de/inhalt/2021-05-20/ein_starkes_barrierefreiheitsst_rkungsgesetz_bedeutet_mehr_sozia -. Ziel dieses Gesetzes ist die Umsetzung des European Accessibility Act (EAA-Richtlinie). Hersteller, Händler, Dienstleistungserbringer, etc. sind als Wirtschaftsakteure verpflichtet, nur solche Produkte und Dienstleistungen bereitzustellen, anzubieten oder zu erbringen, die den Barrierefrei-Anforderungen entsprechen.
Erwartet wird vom Land Berlin, dass bereits in dieser Legislatur auf Landesebene umfangreiche Regelungen zu einer zentralen Marktüberwachung für das BSFG auf der Landesebene etabliert werden. Diese dürfe nicht auf die bezirklichen Gewerbeämter verschoben werden.
Neben der baulichen Barrierefreiheit ist vor allem die barrierefreie Kommunikation – u.a. mit den Behörden – von zentraler Bedeutung. Das Landesgleichberechtigungsgesetz garantiert zwar dieses Recht – die Umsetzung ist allerdings noch unzureichend. Die Mitarbeiter*innen in den Behörden müssen in Fortbildungen dringendst umfassender über die Rechte der Betroffenen z.B. auf Brailleschrift oder Leichte Sprache informiert werden. Leider wird vielfach der Datenschutz als Barriere vorgeschoben.
Zur Bewältigung und Teilhabe am digitalen Wandel existieren mittlerweile zahlreiche technische Lösungen auf dem Markt. Gewährleistet werden muss aber auch, dass die Kosten nicht von den Betroffenen selbst zu zahlen sind.
Ein großes politisches Thema ist für den ABSV die barrierefreie Mobilität. Es darf nicht sein, dass in Berlin die starke Fahrradlobby die vulnerablen Gruppen aus dem öffentlichen Raum verdrängt. Akustische und taktile Signale sind verstärkt im öffentlichen Raum und im ÖPNV zu etablieren.
In Berlin nimmt sowohl die Zahl der Sehbehinderten als auch der Menschen mit Hör-Beeinträchtigung zu. Ohne Assistenz können viele taubblinde Menschen nicht das Haus verlassen, zum täglichen Einkauf oder für einen Arztbesuch. Für diese Assistenzleistungen gibt es zu wenig ausgebildete Menschen, z.B. in den speziell für Taubblinde entwickelten Kommunikationsformen (u. a. taktile Gebärdensprache, Lormen, Fingeralphabet). Nicht nur der ABSV fordert eine entsprechende Ausbildungsstätte in Berlin, ggf. zusammen mit Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Um in den mittlerweile zahlreichen Gremien auf Landes- und bezirklicher Ebene – z.B. in den Mobilitäts-, Teilhabe, Arbeitsgruppen in den Behörden oder den Behindertenbeiräten – gut mitwirken zu können, schult der ABSV seine Mitglieder für diese Teilhabe. Gesucht werden aber immer wieder auf Ehrenamtliche, die dieses zivilgesellschaftliche Engagement ausüben wollen.
Diskussion
- Die Anwesenden mit Sehbeeinträchtigung berichten von zahlreichen Barrieren an ÖPNV-Haltestellen.
- E-Scooter sind für blinde und sehbeeinträchtige Menschen als unvermutete Barriere ein ernsthaftes Sicherheitsproblem, für viele Passant*innen ein Ärgernis. Was unternehmen Senat und Abgeordnetenhaus, um wegen Blinden den öffentlichen Raum mit Gesundheitsschutz zu ermöglichen?
- Fußgänger*innen brauchen als schwächste Verkehrsteilnehmer*innen mehr Schutz im Berliner Straßenverkehr.
- Bezirkliche Ordnungsämter sind völlig überlastet. Eingriffe in die Straßenverkehrsordnung werden daher zu wenig sanktioniert.
- Der Landesvorstand wird einen von einem Selbst Aktiv-Mitglied noch zu stellenden Antrag in Bezug auf die Mitnahme von Fahrrädern/Dreirädern für Menschen mit Beeinträchtigungen bei der Deutschen Bahn unterstützen (Hilfsmittel/Mitnahme als notwendiges Transportmittel)
Zivilgesellschaftliches Engagement für Menschen mit Behinderungen stärker fördern
Kritisiert wird die unzureichende Unterstützung von Menschen mit Behinderungen in den ehrenamtlichen Gremien. Zwar gäbe es in Berlin mittlerweile viele Gremien, Arbeitsgemeinschaften und Beiräte. Es werde viel zu wenig berücksichtigt, dass für viele Menschen mit Behinderungen auch das zivilgesellschaftliche Engagement mit zahlreichen Belastungen verbunden sei. Um so ärgerlicher sei, dass dort, wo sie sich engagieren und mitwirken, ihre Empfehlungen und Forderungen von der Politik auf jeder föderalen Ebene zu wenig ernst genommen werden. Es bedarf verbesserter Strukturen, damit die tatsächliche Wirkung im politischen Leben schlagkräftiger wird. Hoffnung wird auf den im Landes-Gleich-Berechtigungs-Gesetz verankerten Partizipationsfonds gesetzt.
Sascha Lucke, Mitglied der SPD-Fraktion in der BVV Treptow-Köpenick, verweist auf ein grundlegendes Problem: Gerade kleine Vereine sind so damit beschäftigt Projekte zu akquirieren, dass ihnen die Kraft für die engagierte Suche nach ehrenamtlichen Mitgliedern und Menschen für die Vorstände fehlen.
Mechthild Rawert verweist auf den erfreulichen Besuch von Selbst Aktiv-Landesvorstandsmitgliedern bei Ana-Maria Trăsnea, Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement am 16.8.2022. Ein ausführlicher Bericht ist den Selbst Aktiv-Mitgliedern mit dem Newsletter 07/2022 zugegangen. Aus Sicht von Selbst Aktiv enthält die Berliner Engagementstrategie 2020-2025 – vgl. den LINK https://www.berlin.de/buergeraktiv/beteiligen/engagementstrategie/ – noch zu wenig unterstützende Maßnahmen für die vielfältige Gruppe der Menschen mit Beeinträchtigungen.
PLANUNGEN für die nächsten Mitgliederversammlungen 2022
Dem Landesvorstand der AG Selbst Aktiv ist augenblicklich ein Arbeitskreis Deutsche Gebärdensprache angeschlossen. Thema ist die Partizipation Tauber und schwerhöriger Menschen in unserer Partei bzw. in durch die SPD besetzten Ämtern und Mandaten. Voraussichtlich finden bis Ende des Jahres noch 1-2 weitere Treffen statt. Interessierte sind willkommen.
Angemeldet wird der Bedarf an einen AK Leichte Sprache. Alles ist möglich, aber wer nimmt daran aktiv teil? Alle Selbst Aktive sind ehrenamtlich tätig. Derzeit verteilt sich die politische Gestaltungsarbeit auf zu wenige Schultern.
22.9.2022: u.a. (partei-)politische Teilhabe für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen, – mit Gebärdensprachdolmetschung – u.a. als Referent Martin Vahemäe-Zierold, Mitarbeiter im Bezirksamt Mitte
letzte Gelegenheit, Anträge für den SPD-LPT am 12.11.22 zu beschließen
Herbstferien / 27.10.2022: Barrierefreie Mobilität: Zusage von Stephan Machulik, MdA, Sprecher für Verkehr – Behindertenparkplätze/E-Scooter/ÖPNV vgl. Juso-Antrag
24.11.2022: Teilhabe als politische Aufgabe für den Berliner Landeshaushalt: Anfrage u.a. bei Lars Düsterhöft (MdA), Sprecher für Menschen mit Behinderungen.
16.12.2022: Es findet auf Initiative von Lars Düsterhöft (MdA, SPD) im Berliner Abgeordnetenhaus ein Parlamentarischer Abend statt.
22.12.2022: keine MV
MV am 23. Juni 2022: Leichte Sprache ist der Türöffner für Teilhabe für alle
Diese Mitgliederversammlung war eine Premiere: Nach langer Zeit fand endlich wieder eine Präsenz-Veranstaltung statt. Wir freuen uns auf einen lebendigen Austausch in Zukunft.
Unsere Mitgliederversammlung findet künftig an jedem vierten Donnerstag von 17.30 Uhr bis 19.30 Uhr im Willy-Brandt-Haus statt.
Leichte Sprache ist eine Grundvoraussetzung für Partizipation
Unsere Referent*innen kommen von der Lebenshilfe e.V. Berlin:
- Sascha Ubrig ist seit 2015 der erste hauptamtliche Selbst-Vertreter bundesweit. Er ist Ansprechpartner für die alle Mitglieder der Lebenshilfe. Als Interessensvertreter vertritt er deren Wünsche auch in Gremien, Veranstaltungen und bei Demonstrationen.
- Anja Hahlweg ist Leiterin des Büros zur Selbst-Vertretung.
- Wencke Pohl ist Sozialreferentin bei der Lebenshilfe.
Die Lebenshilfe e.V. Berlin e.V. hat den Berliner „Koalitionsvertrag für die Jahre 2021 bis 2026 in Leichter Sprache“ – vgl. https://www.leichte-sprache.berlin/de/aktuelles/meldungen/2022/Koalitionsvertrag_LS.php – erstellt. Die Lebenshilfe hat dieses getan, weil die Politik es nicht getan hat.
Sascha Ubrig kritisiert, dass die Politik Menschen mit geistiger Behinderung, Menschen mit Lernschwierigkeiten, Menschen, die nicht gut lesen und schreiben können, Menschen, die Deutsch erst erlernen und auch viele ältere Menschen vergisst. Dabei wollen auch die vielen Menschen, die Leichte Sprache brauchen, über alles informiert werden, was in Berlin stattfindet. Sie möchten wissen, was die Politik zu Themen wir Arbeit und Sport, Kultur und Wirtschaft, Bildung und Klima vorhat. Sie interessieren sich für mehr als nur die sozialen Themen.
Leichte Sprache hat eigene Regeln. Die Lebenshilfe e.V. Berlin hat ein Büro für Leichte Sprache. Hier werden Texte von gelernten Menschen übersetzt und geachtet wird auch auf die Bildsprache. Die Texte werden dann von einer Peer-Gruppe geprüft. Wichtig zu verstehen ist: Leichte Sprache ist keine Kindersprache.
Über die Bedeutung der Leichten Sprache gibt es den Song „Hey, hör mir zu!“ des Rappers Graf Fidi – vgl. https://www.eltern-beraten-eltern.de/song-ueber-leichte-sprache-hey-hoer-mir-zu .
Erstellt wurde auch die Postkarte „STOPP Leichte Sprache“, mit der die Verwendung der Leichten Sprache angemahnt werden kann, in Veranstaltungen aber auch von den Ämtern.
„Wir wollen der Politik und den Parteien auf die Finger schauen“
„Wir Menschen mit Beeinträchtigungen wollen nicht ausgeschlossen werden.“ Wenn die Parteien Menschen mit Beeinträchtigungen nicht gezielt ansprechen, heißt das, „sie nehmen sie uns nicht ernst. Wir wollen auch für unsere Rechte kämpfen. Von alleine kommen die ja nicht darauf.“
Um in Parteien mitzuwirken, braucht es Ansprache und Informationen in Leichter Sprache. Wenn Politik nicht verstanden wird, interessiert man sich auch nicht dafür. Gewünscht wird, dass Parteien auf Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, Menschen mit Lernschwierigkeiten zu gehen, sie nach ihren Wünschen fragen, sich einfach mal mit ihnen unterhalten. Die Interessen von Menschen mit Beeinträchtigungen sind ebenso vielfältig wie die von Menschen ohne Behinderungen.
Die Berliner SPD hat ihr Wahlprogramm auch in Leichter Sprache veröffentlicht. Politische Beteiligung ist viel mehr als „nur“ wählen gehen.
Leichte Sprache – ein Muss für die Verwaltung, ein Muss auch für das Gesundheitswesen
Zu den Pflichten öffentlicher Stellen gehören barrierefreie Kommunikationsformen, u.a. die Leichte Sprache und auch die Deutsche Gebärdensprache. Das schreibt u.a. das Landesgleichberechtigungsgesetz vor.
Sascha Ubrig kritisiert stark, dass viel zu viele Bescheide öffentlicher Verwaltungen als auch Schreiben der Bürgerämter in Schwerem Deutsch verfasst sind. So werden viele Menschen daran gehindert, für sich selbst zu entscheiden und über die Bedingungen des eigenen Lebens mitzubestimmen. Aber auch Menschen mit Beeinträchtigungen wollen auf Augenhöhe sein, wollen auf den Ämtern keine Angst haben.
Sascha Ubrig fordert, dass Mitarbeiter*innen der Verwaltungen eine Fortbildung in Leichter Sprache machen sollen. Am besten sei es, wenn Leichte Sprache bereits Bestandteil von Ausbildungen wird. Ausbildende sollen von Anfang an lernen, wie ein Schriftstück in Leichter Sprache zu verfassen ist.
Gerade im Gesundheitswesen drücken sich fast alle in Schwerer Sprache aus. Bescheide der Krankenkassen können alleine nicht verstanden werden, hierzu braucht es helfende Betreuer*innen. Selbst die Anweisungen zur Einnahme der Medikamente sind häufig nicht zu verstehen. Schlimm sei es, wenn von vorneherein über den eigenen Kopf hinweg nur mit der Assistenzkraft gesprochen werde.
Berichte und Ideen
Die AG Selbst Aktiv beteiligte sich an der Demonstration und der Kundgebung anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen.
Wir waren auf dem SPD-Landesparteitag am 19. Juni 22 sehr erfolgreich. Alle sechs Anträge der AG Selbst Aktiv sind beschlossen worden.
Mit den Staatssekretär*innen Ülker Radziwill und Christian Gaebler, Senatsverwaltung Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, ist für den Herbst eine gemeinsame Veranstaltung zum Thema barrierefreies und bezahlbares Wohnen vereinbart worden.
Vorgeschlagen wurde die Idee, Lebensgeschichten von Genoss*innen mit Beeinträchtigungen festzuhalten und zu veröffentlichen. Das könnte parteiintern zur Sensibilisierung für die Wünsche und Interessen von Menschen mit Beeinträchtigungen beitragen. Vielleicht ein Kalender: 12 SPD-Kreise, 12 Monate.
Aus der sehr informativen Vorstellung der Anwesenden heraus wurden zwei politische Wünsche deutlich, die behandelt werden müssten:
- Gesundheit, Pflege und Behinderung
- inklusive Bildung und die dafür notwendigen Richtlinien u.a. für den Förderunterricht.
Gerne kämen wir als Landesvorstand den Wünschen nach Behandlung einer Vielzahl von Themen nach. Um themenspezifische Arbeitskreise, die an den Landesvorstand angedockt werden, zu gründen, brauchen wir das aktive Engagement unserer Mitglieder und/oder eine enge Kooperation mit anderen Arbeitsgemeinschaften und Gliederungen der SPD. Wer Ideen hat, wer mitmachen möchte, melde sich bitte. Dieses gilt auch für die Entwicklung eines neuen Inklusionsplanes für die SPD.
Wir danken unseren Referent*innen für den Vorschlag, dass auch die SPD für ihre haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden eine Fortbildung in Leichter Sprache machen solle, damit alle durch Einladungen und Informationen angesprochen werden.
Anstehende Termine
Selbst Aktive nehmen am SoVD Inklusionslauf am 25.6.22 auf dem Tempelhofer Feld teil.
Am 29.6.22 wird sich die AG Selbst Aktiv beim Neumitgliedertreffen der Berliner SPD im Rahmen eines Markt der Möglichkeiten und einer Schifffahrt vorstellen.
Am 30.6.22 findet die Online-Veranstaltung „Berliner Bezirke: Politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen“ des Deutschen Institut für Menschenrechte statt.
Der Online-Workshop „Selbst Aktiv – Gebärdensprache“ findet in digitaler Form am 30.7.22, 14 Uhr statt. Die Suche nach Gebärdensprachdolmetscher*innen läuft auf Hochtouren.
Termin der nächsten Mitgliederversammlung
Im Juli findet keine Mitgliederversammlung der AG Selbst Aktiv statt.
Unsere nächste Mitgliederversammlung findet am 25. August 2022, 17.30 Uhr, wieder im Willy-Brandt-Haus statt.
Pressemitteilung: Sport Vorbild für eine inklusive Gesellschaft
Sport ist für viele Berliner:innen Teil ihres Lebens. Über 670.000 Menschen treiben Sport im Verein. Darüber hinaus üben viele in kommerziellen Studios oder individuell ihren Sport aus. Aus Anlass des SoVD-Inklusionslaufs in Berlin erklären:
Raed Saleh, Landesvorsitzender der SPD Berlin: „Berlin gehört zu den weltweit größten Sportmetropolen und wird mit den Special Olympics World Games im nächsten Jahr auch zu Deutschlands Hauptstadt der Inklusion. Denn immer stärker wird Sport gemeinsam von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen ausgeübt. Sport kann für eine inklusive Gesellschaft Vorbild sein und jede Förderung des inklusiven Sports stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir wollen mit dem Geist des Sports zeigen, wie wertvoll Inklusion für alle sein kann.“
Deshalb setzt sich die SPD Berlin dafür ein, den organisierten Sport besonders zu fördern und auch weiterhin sicherzustellen, dass gebührenfrei Zeiten in Sporthallen, auf Sportplätzen und in Hallenbädern für Vereine zur Verfügung stehen. Über die Fördervereinbarung mit dem Landessportbund sichern wir mit 565 Millionen Euro im Doppelhaushalt 2022/23 die Finanzierung des organisierten Sports in Berlin.
Mechthild Rawert, Vorsitzende der AG Selbst Aktiv – Menschen mit Behinderungen in der SPD Berlin: „Ich freue mich sehr darüber, dass wir als Team „RotRunners Selbst Aktiv“ beim SoVD-Inklusionslauf aktiv dabei sind. Ich freue mich auf die Weite des Tempelhofer Feldes, bietet dieses doch das, was wir uns alle so dringend wünschen: das Spüren von Weite, die Möglichkeit, altbekannte Menschen wiederzusehen und Neue kennenzulernen können. Ich freue mich auf das abwechslungsreiche Musik- und Bewegungsprogramm und selbstverständlich auch auf die vielen in Freundschaft ausgetragenen Wettbewerbe für Jüngere und Ältere, für Kurz- und Langstreckenläufer*innen. Es ist einfach für alle etwas dabei. Kommt zu uns an den Stand, lasst uns fröhlich sein.“
Für die SPD Berlin ist klar: Sport ist für alle da. Sport treiben darf weder an finanzieller Not scheitern noch daran, dass es nicht ausreichend Sportflächen gibt. Unabhängig von Alter, Behinderung, Bildungsstand und Berufen, Religion, Herkunft oder sexueller Identität treiben Menschen miteinander Sport, insbesondere in den über 2.500 Berliner Sportvereinen.
Terminhinweis:
9:30 Uhr Grußwort von Raed Saleh am Infostand der Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv der SPD Berlin.
Die SPD-Laufgruppe RotRunners wird am SoVD-Inklusionslauf am 25. Juni 2022 mit Läufer:innen unter dem Teamnamen „RotRunners Selbst Aktiv“ teilnehmen.
Der SoVD-Inklusionslauf 2022 ist eine Bewegungs- und Sportveranstaltung für Menschen mit und ohne Behinderung auf dem ehemaligen Flughafengelände Tempelhof, dem Tempelhofer Feld.
Zahlreiche Anträge der AG Selbst Aktiv Berlin auf dem SPD-Landesparteitag am 19.6.2022
Der Wandel in der Behindertenpolitik ist unumkehrbar – dafür haben wesentlich u.a. die Einfügung des Benachteiligungsverbotes für Menschen mit Behinderung 1994 ins Grundgesetz und die 2009 auch von Deutschland ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention mit ihrem Ziel der Inklusion gesorgt. Die UN-BRK ist seitdem geltendes Recht in Deutschland, welches von allen staatlichen Stellen umgesetzt werden muss. Von hoher Bedeutung sind aber auch die gesetzlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern, zum Beispiel das Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) in Berlin. Fakt ist: Es ist noch viel zu bewirken.
Die AG Selbst Aktiv Berlin versteht sich als politischer Motor einer inklusiven Teilhabepolitik für alle: „Wir wollen in einer Gesellschaft leben, in der alle mitmachen können.“ Behindertenpolitik ist eine Querschnittsaufgabe in jedem Lebensbereich und für jedes Politikressort. Wir wollen in und außerhalb der SPD das Bewusstsein für einen auf Rechten basierenden Paradigmenwechsel schärfen:
- Nicht mehr ausgrenzende öffentliche Fürsorge, sondern uneingeschränkte Teilhabe.
- Nicht mehr abwertendes Mitleid, sondern völlige Gleichstellung.
- Nicht mehr wohlmeinende Bevormundung, sondern das Recht auf Selbstbestimmung.
Alle können dabei sein – die SPD Berlin ist transparent
Am Sonntag, den 19. Juni 2022, findet der erste Landesparteitag (LPT) 2022 der Berliner SPD statt. Auf der Tagesordnung stehen die turnusmäßige Neuwahl des Berliner Landesvorstands sowie die Beratung von vielen Anträgen. Gastrednerin ist Klara Geywitz, Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen.
Der bereits um 9.30 Uhr im Estrel Berlin beginnende LPT wird auf der Homepage der SPD – https://spd.berlin/ – im Livestream übertragen. Unter dem Hashtag #LPT22 wird laufend in den sozialen Netzwerken berichtet. Die Anträge, über die der LPT entscheidet, sind seit längeren öffentlich einsehbar unter https://parteitag.spd.berlin/veranstaltungen/lpt-2022-i/ – mittlerweile auch mit den Voten der Antragskommission.
Der Landesparteitag ist das höchste Beschlussorgan unserer Berliner SPD
Der Landesparteitag hat das Recht, dem Landesvorstand Weisungen zu erteilen und von ihm Rechenschaft zu verlangen. Auf dem LPT entscheiden gewählte Delegierte aus allen Berliner Bezirken über die aktuell wichtigen politischen Fragen und über Richtlinien unserer politischen Arbeit. Alle zwei Jahren wählen die Delegierten u.a. den Landesvorstand, die Berliner Delegierten zum Bundesparteitag sowie die Vertreter*innen im Parteikonvent.
Der Landesparteitag tritt mindestens zweimal im Jahr zusammen. Über die politische Ausrichtung wird auf der Grundlage von auf Delegierten- bzw. Mitgliederversammlungen beschlossenen Anträgen aus den Kreisen, Arbeitsgemeinschaften, Fachausschüssen oder auch aus dem Landesvorstand entschieden.
Bedeutung der Empfehlungen der Antragskommission
Im Vorfeld eines Landesparteitages tagt die Antragskommission. Diese setzt sich aus gewählten Vertreter*innen der Kreise, Arbeitsgemeinschaften und Fachausschüsse zusammen. Für diesen LPT hat die Antragskommission an drei Abenden über alle fristgerecht eingegangenen Anträge debattiert. Das war notwendig, da das Antragsbuch 415 Seiten umfasst. Anträge, über die in einer ersten Diskussion kein einvernehmliches Votum erzielt werden kann, werden in Unterarbeitsgruppen weiter debattiert. Zumeist wird dann eine neue „Fassung der Antragskommission“ erstellt, über die die Antragskommission dann erneut debattiert und entscheidet.
Jeder einzelne Antrag erhält ein Votum: Annahme, Ablehnung, Erledigt, Überweisen an …, etc. . Anträge, die von zumindest einer überzeugenden Mehrheit der Mitglieder der Antragskommission ein gemeinsames Votum erhalten, kommen auf eine sogenannte Konsensliste. Über diese entscheidet der Landesparteitag dann in Gänze. Selbstverständlich kann jeder einzelne Antrag von der Konsensliste genommen werden, wenn jemand mit dem Votum nicht einverstanden ist. Der LPT debattiert und entscheidet dann über diese Einzelanträge.
Anträge der AG Selbst Aktiv Berlin auf diesem Landesparteitag
Die AG Selbst Aktiv Berlin hat in ihren Mitgliederversammlungen Februar, März und April zahlreiche Anträge zu unterschiedlichen Politik-Schwerpunkten verabschiedet und zur Beschlussfassung an den Landesparteitag überwiesen.
Alle unsere eigenen bzw. die unsere Teilhabepolitik betreffenden Anträge befinden sich auf der Konsensliste vgl. https://parteitag.spd.berlin/2022/06/konsensliste-%c2%b7-stand-16-06-2022/
unter Organisation
- Antrag 02/I/2021: Die innerparteiliche Benachteiligung der Arbeitsgemeinschaften beenden. Gleichstellung aller 11 SPD-Arbeitsgemeinschaften
Dieser wurde von uns zurückgezogen und in der AG Selbst Aktiv erneut diskutiert. - Antrag 03/II/2021: Umsetzung der UN- Behindertenrechtskonvention in der SPD – SPD Aktionsplan Inklusion 2022-2026
Der Antrag der AG Selbst Aktiv wird an den SPD-Landesvorstand überwiesen. Ziel ist die gemeinsame Erarbeitung von mehr Instrumenten zur Förderung der Teilhabe für alle. - Antrag 10/I/2022: Barrierefreiheit: Die SPD setzt Zeichen. Die SPD ist Vorbild.
Der Antrag der KDV Tempelhof-Schöneberg wird zur Annahme empfohlen und dient der Stärkung von Teilhabe für alle in der SPD. - Antrag 19/I/2022: Stärkung der politischen Partizipation und Repräsentanz von Menschen mit Beeinträchtigungen in und durch die SPD
Der Antrag der AG Selbst Aktiv wird in der geänderten Fassung der Antragskommission zur Annahme empfohlen. Damit ist der ähnliche Antrag 12/I/2022 der KDV Friedrichshain-Kreuzberg erledigt.
unter Bauen/Wohnen/Stadtentwicklung
- Antrag 39/I/2022: Planen und Bauen für eine inklusive (Stadt-)Gesellschaft
Der Antrag der AG Selbst Aktiv wird in der Fassung der Antragskommission zur Annahme empfohlen. Ziel ist der Ausbau des Qualitätsstandards Barrierefreiheit als Teil einer modernen Infrastruktur. - Antrag 135/I/2022: Keine Barrieren mehr für niemanden
Der Antrag der KDV Tempelhof-Schöneberg wird in der Fassung der Antragskommission zur Annahme empfohlen und dient dem Ausbau des Qualitätsstandards Barrierefreiheit in Berlin.
unter Geflüchtetenpolitik
- Antrag 94/I/2022: Bedarfe von Flüchtenden und Geflüchteten mit Beeinträchtigungen sichern
Der Antrag der AG Selbst Aktiv wird zur Annahme empfohlen und dient der Unterstützung von Geflüchteten mit Behinderungen und dafür notwendiger Strukturen. Bei Annahme dieses Antrages erledigt sich ein fast gleich lautender Antrag der KDV Tempelhof-Schöneberg.
unter Gleichstellung und Teilhabe
- Antrag 134/I/2022: Chancengleichheit in der (partei-)politischen Teilhabe für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen
Der Antrag der AG Selbst Aktiv wird von der Antragskommission zur Annahme empfohlen. Er dient der verbesserten zivilgesellschaftlichen und (partei)politischen Teilhabe von Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen.
unter Inneres/Recht
- Antrag 121/I/2022: Selbstbestimmungsrecht stärken – Vorsorge ausbauen
Der Antrag der KDV Friedrichshain-Kreuzberg wird zur Annahme empfohlen. Damit ist der gleichlautende Antrag 133/I/2022 der AG Selbst Aktiv Berlin erledigt.
unter Mobilität
- Antrag 162/I/2022: Treppenlifte für Rollstühle, Kinderwagen und mobilitätseingeschränkte Personen am S-Bahnhof Marienfelde
Der Antrag der KDV Tempelhof-Schöneberg wird zur Annahme empfohlen und dient der besseren Mobilität auch von mobilitätseingeschränkten Personen. - Antrag 168/I/2022: Mobilität von Menschen mit Beeinträchtigungen in Berlin verbessern
Der Antrag der AG Selbst Aktiv wird zur Annahme empfohlen. Er verweist auf vielfältige Aufgaben zur Verbesserung der Barrierefreiheit in der Berliner Mobilitätsinfrastruktur.
Europäischer Protesttag: Gewaltschutz für Frauen mit Behinderungen stärken
Bereits zum 30. Mal finden in Berlin Aktionen anlässlich des Europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen statt.
Die AG Selbst Aktiv Berlin nahm mit ihren Fahnen an der Demonstration vom Brandenburger Tor bis zum Roten Rathaus teil und war auch vor dem Roten Rathaus bei der Kundgebung mit einem Informationsstand beteiligt. Dies ermöglichte uns, mit vielen Interessierten ins Gespräch zu kommen.
Fachkompetente Frauen auf dem Podium
Den Gewaltschutz insbesondere für Frauen und Mädchen auch in der Eingliederungshilfe ausbauen – war eine der Kernforderungen auf der Abschlusskundgebung. Unter der Moderation von Ursula Engelen Kefer, Vorsitzende des Sozialverband Deutschland – Landesverband Berlin-Brandenburg e.V., diskutierten hierzu
- Katharina Holl, Netzwerk behinderter Frauen Berlin: Das Netzwerk ist berlinweit die einzige Selbsthilfe- und Beratungsstelle sowie politische Interessenvertretung für und von behinderte/n und chronisch kranke/n Frauen* und Mädchen*. Frau Holl ist seit 2018 stimmberechtigtes Mitglied im Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen und seit stellv. Vorsitzende im Berliner Teilhabebeirat. Sie ist zusammen mit Pia Witthöft in der AG (Schutzmaßnahmen für) Frauen mit Behinderungen bei der BIG Koordinierung aktiv, wo aktuell an der Vernetzung von Frauenschutzeinrichtungen und der Eingliederungshilfe gearbeitet wird.
- Pia Witthöft, Diplompsychologin, arbeitet in der Beratungsstelle Mut, einer Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt der Lebenshilfe Berlin e.V.., die sowohl von SenIAS als auch Sen WGPG finanziert wird. Beraten werden Menschen mit sogenannten „Lernschwierigkeiten“, die sexualisierte Gewalt erlebt haben. Beraten werden auch Fachkräfte wie z.B. Betreuer*innen, Polizist*innen und Ärzt*innen. Einrichtungen werden bei der Entwicklung von Schutzkonzepten unterstützt und z.B. Frauenbeauftragte in Werkstätten geschult. Innovativ ist die Zusammenarbeit mit Peer-Expertinnen: Frauen mit Behinderungen sollen selbst sagen, wie sie sich die Prävention und den Schutz vor Gewalt vorstellen, u.a. wenn es um barrierefreie Frauenhäuser geht.
- Janet Lennig ist Frauenbeauftragte in einer Werkstatt der Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung GmbH (BWB) und möchte frühzeitig in die Konzeptentwicklung einbezogen werden.
- Mechthild Rawert ist die Landesvorsitzende der AG Selbst Aktiv Berlin – Menschen mit Behinderungen in der SPD Berlin. Hier engagieren sich Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen, mit und ohne SPD-Parteibuch für gleiche Rechte, gleiche Chancen und gleichen Respekt für alle Berliner*innen.
Mit Nachdruck wies Ursula Engelen-Kefer in ihrer Einführung darauf hin, dass Mädchen und Frauen mit Behinderungen einem noch höheren Risiko ausgesetzt sind, Opfer von Gewalt und Missbrauch zu werden, als Frauen ohne Behinderungen. Die meiste Gewalt passiert da, wo frau wohnt oder arbeitet. Die Täter*innen kommen häufig aus dem Nahumfeld. Sie nutzen die besonderen Abhängigkeit(en) von Frauen mit Behinderungen gezielt aus, wollen Macht und Kontrolle haben. Für diese Mädchen und Frauen ist es aber besonders schwer, Hilfe und Schutz zu finden.
Den Gewaltschutz insbesondere für Frauen und Mädchen ausbauen
Im Berliner Koalitionsvertrag steht „Die Koalition sichert den Schutz vor Gewalt und Missbrauch, insbesondere für Frauen und Mädchen in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Bausteine sind eine unabhängige Überwachung, die konsequente Umsetzung des Wohnteilhabegesetzes und Gewaltschutz als Prüfung der Heimaufsicht. Vor Ort werden unter Beteiligung der Bewohner*innen hochwertige Konzepte der Prävention von und Intervention bei Gewalt entwickelt.“
Damit die Verpflichtungen der UN-Behindertenrechtskonvention zum Gewaltschutz vollständig umgesetzt werden, muss das Thema entsprechend wichtig gemacht werden. Gewaltschutz muss eine Priorität sein. Damit Prävention und Gewaltschutz wirkungsvoll greifen kann, fordern die Diskutantinnen:
- Eine bessere Gewaltprävention in Einrichtungen durch Schutzkonzepte und Schutzpflicht, dazu gehören auch Fortbildungen, Präventionsangebote, Partizipation, die Festlegung auf einen Verhaltenskodex in der Einrichtung, sexualpädagogische Konzepte und eine zentrale Ansprechstelle,
- Eine tatsächliche Mitwirkung der Frauenbeauftragten in Einrichtungen und Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und ein stärkeres Empowerment der Bewohner*innen.
- Es braucht mehr Intervention und Opferschutz: Dringend erforderlich ist eine Öffnung der Einrichtungen in den Sozialraum und eine stärkere Vernetzung mit dem externen Unterstützungssystem wie zum Beispiel Fachberatungsstellen, Polizei und Justiz. Der Sozialraum, z.B. Frauenhäuser oder Beratungsangebote, muss natürlich barrierefrei sein. Gemeint ist sowohl die bauliche als auch die kommunikative Barrierefreiheit. Dringendst geboten sind dauerhafte „Runde Tische“. Die Betroffenen und/oder auch die Assistent*innen müssen mehr über ihre eigenen Rechte erfahren. Es braucht mehr externe, barrierefreie Beschwerdestellen. Unter Berücksichtigung der besonderen Verletzlichkeit dieser Mädchen und Frauen gilt es bei der Entwicklung von Konzepten darauf zu achten, dass Frauen*/Mädchen* mit Behinderungen nicht nur verstärkt als „Opfer“ gesehen werden, sondern auch als handlungsstarke Menschen.
- Die Überwachung des Gewaltschutzes durch die Aufsichtsbehörden muss verpflichtend sein: Gewaltschutz ist eine Querschnittsaufgabe – die verschiedenen Verwaltungsressorts müssen lernen, dass dafür nicht alle nur im eigenen Zuständigkeitsbereich bleiben dürfen. Es ist positiv, dass das 2021 in Kraft getretene Berliner Heimrecht erstmals konkrete Regelungen zum Schutz vor Missbrauch, Gewalt und Diskriminierung und auch konkrete Anforderungen und Pflichten der Leistungsanbieter*innen enthält. Es braucht aber auch ein neues Selbstverständnis der Heimaufsicht.
Einig sind sich zudem alle Diskutantinnen, dass es
- mehr Sensibilisierung im Bereich Selbsthilfe und politische Interessenvertretung in Berliner Gremien für dieses Thema geben muss,
- mehr Geld für die Finanzierung von Hilfe und Unterstützung, insbesondere für ein genug Personal geben muss,
- dringend in allen Einrichtungen geschulte Frauenbeauftragte geben muss.
Pressemitteilung: Unser Leitbild ist die inklusive Stadt
Am 5. Mai findet der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung zum 30. Mal statt. Zum Aktionstag erklären:
Franziska Giffey, Landesvorsitzende der SPD Berlin: „Unser Leitbild ist die inklusive Stadt. Kein Mensch darf aus unserer Gesellschaft ausgegrenzt oder an den Rand gedrängt werden. Alle Menschen in unserer Stadt haben das Recht auf eine selbstbestimmte und eigenständige Lebensführung. Um gleichwertige Lebensverhältnisse für die rund 630.000 Berlinerinnen und Berliner mit Beeinträchtigungen zu schaffen, arbeiten wir für eine ungehinderte Teilhabe in allen Lebensbereichen. Der Koalitionsvertrag bekennt sich ausdrücklich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und versteht Inklusion und Barrierefreiheit als Querschnittsaufgaben für alle Politikbereiche.“
Raed Saleh, Landesvorsitzender der SPD Berlin: „Die SPD Berlin steht für eine Politik der offenen und solidarischen Stadt, in der alle von Anfang an gleichberechtigt dazu gehören. Ein wesentlicher Aspekt ist der ungehinderte Zugang in allen Lebensbereichen, insbesondere zur Mobilität. Ihn stellen wir durch barrierefreie Angebote wie die stufenweise stadtweite Ausdehnung der Alternativen Barrierefreien Beförderung und eine barrierefreie Weiterentwicklung des Öffentlichen Personennahverkehr inklusiver barrierefreier Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten sicher. Zudem folgt die SPD Berlin dem Grundsatz: „Nicht über uns ohne uns.“ Deshalb setzen wir uns weiter aktiv dafür ein, Menschen mit Behinderungen und ihre Selbst- als auch Vertretungsorganisationen gleichberechtigt einzubeziehen.“
Mechthild Rawert, Vorsitzende der AG Selbst Aktiv – Menschen mit Behinderungen in der SPD Berlin: „Die Berliner Koalition will den Schutz vor Gewalt und Missbrauch, insbesondere für Frauen und Mädchen, in Einrichtungen der Eingliederungshilfe sichern. Frauen mit Behinderungen erleben doppelt so häufig wie Frauen ohne Beeinträchtigungen Gewalt. Nötig sind Schutz- und Präventionskonzepte unter anderem für alle Wohnformen, Frauenbeauftragte in den Werkstätten sind frühzeitig einzubinden. Es braucht dauerhafte „Runde Tische“ zwischen der Eingliederungshilfe und externen – barrierefreien – Unterstützungssystemen, wie z.B. Fachberatungsstellen, Polizei und Justiz. In jeder Verwaltung ist die behördliche Kompetenz für die Querschnittsaufgaben Gewaltprävention und -schutz zu stärken, zum Beispiel bei der Heimaufsicht.“
In der Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv engagieren sich Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen für gleiche Rechte und gleiche Chancen für alle in Berlin.
Der Aktionstag wurde 1992 von den Interessenvertretungen Selbstbestimmt Leben Deutschland (ISL) initiiert und wird jährlich begangen. In diesem Jahr stehen Barrierefreiheit, Mobilität und Gewaltschutz im Fokus.
4. Mai 2022: Die AG Selbst Aktiv Berlin hat gewählt
Am 4. Mai 2022 fand im Willy-Brandt-Haus die Landesvollversammlung der AG Selbst Aktiv Berlin mit Wahlen statt. Gedankt sei den Mitgliedern für ihre Anwesenheit und ihre Beteiligung an den Wahlen. Wählen gehen bedeutet innerhalb und außerhalb der SPD, sich an der politischen Willensbildung aktiv zu beteiligen. Zu danken ist auch den Mitarbeiter:innen aus dem Kurt-Schumacher-Haus, den Gebärdensprachdolmetscher:innen und der Schriftsprachdolmetscherin, unserer kompetenten Versammlungsleiterin Henriette Wunderlich, ASF-Kreisvorsitzende Friedrichshain-Kreuzberg, und den Mitgliedern der Mandats- und Zählkommissionen.
Unsere Landesvollversammlung hatte drei Schwerpunkte
- die Grußworte
- die Impulse zum Thema „Barrierefreiheit als Qualitätsstandard einer modernen Infrastruktur“
- die verschiedenen Wahlgänge.
GRUSSWORTE
Raed Saleh, Berliner SPD- Landes- und Fraktionsvorsitzender
Raed Saleh, Berliner SPD- Landes- und Fraktionsvorsitzender erinnert sich in seinem Grußwort u.a. an „diese verdammten Blicke“, die er als Kind eines Vaters mit einer sichtbaren Schwerbehinderung in der Öffentlichkeit spürte. Er fragt sich und die Anwesenden „wer ist bemitleidenswert? Diejenigen, die die Blicke senden oder diejenigen, die sie auf sich gerichtet fühlen?
Für die SPD haben alle Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, mit und ohne Zuwanderungsgeschichte die gleiche Würde. Raed begrüßt es nachdrücklich, dass die AG Selbst Aktiv in vielen Lebens- und Politikfeldern die Finger in die Wunden legt, bei Soziales, Wohnen und Bauen ebenso wie bei der Bauordnung, bei der Mobilität und der Bildung. Es half, dass die SPD die inklusive Teilhabe 2021 als große Querschnittsaufgabe in ihr Wahlprogramm als auch in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat.
Er bedankt sich bei der AG Selbst Aktiv für ihr hartnäckiges Streiten. „Fortschritt bekommt man nicht umsonst“. Als Junge aus Spandau Nord möchte er „Danke sagen, dass ihr für soziale Gerechtigkeit kämpft. Vielen Dank, vielen Dank“.
Stephan Neumann, Stellvertretender Landesvorsitzender der AG Selbst Aktiv Brandenburg
Auch Stephan Neumann wird herzlich begrüßt, war er doch jahrelang Mitglied des Berliner Landesvorstandes, bevor er Mobilitätsgründen nach Brandenburg wechselte. Der ebenfalls neugewählte Landesvorstand Brandenburg freue sich schon auf die Zusammenarbeit im Interesse der Menschen mit Beeinträchtigungen in Berlin und Brandenburg.
BARRIEREFREITHEIT ALS QUALITÄTSSTANDARD EINER MODERNEN INFRASTRUKTUR
„Wir wollen den Anteil an barrierefreien und barrierearmen Wohnungen in Berlin im Neubau und im Bestand deutlich erhöhen. Eine Investitionsoffensive für barrierefreie und inklusive Wohnangebote im Bestand wird geprüft“, zitiert Mechthild im Rahmen der Begrüßung aus dem aktuellen Koalitionsvertrag 2021 – 2026 und dankt Ülker für ihre Anwesenheit. Ülker leite eine der drei Arbeitsgruppen im „Berliner Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“, dem Vertreter*innen des Senats sowie Verantwortliche der Bezirke, Akteur*innen der Wohnungs- und Bauwirtschaft, des Mietervereins, der Sozialverbände sowie der Gewerkschaften angehören – trotz Landesgleichberechtigungsgesetzes (LGBG) allerdings leider niemand aus der behindertenpolitischen Community. Am 15.6.22 wird das Bündnis eine gemeinsame Erklärung abgeben, Aussagen zur Barrierefreiheit sind angekündigt.
Impuls von Ülker Radziwill, Staatssekretärin für Mieterschutz und Quartiersentwicklung in der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
„Die SPD ist zur Wahl angetreten, um Probleme zu lösen“, so Ülker. Dazu gehört auch die Schaffung von umfassender Barrierefreiheit. Nur eine inklusive Gesellschaft ermögliche Teilhabe für alle. Das Land Berlin strebe mehr barrierefreie öffentliche Räume und Wohnungen an. Aktuell wird die Bauordnung als wichtiges Instrument novelliert und befindet sich im Gesetzgebungsverfahren im Berliner Abgeordnetenhaus. Die Verpflichtung zum Bau barrierefreier Wohnungen solle von derzeit 50% der Wohnungen auf „dreiviertel“ heraufgesetzt werden. Das bedeutet, dass Barrierefreiheit in allen Bauvorhaben hergestellt werde, was mehr soziale Teilhabe bedeutet.
Gemeinsam wollen wir auch daran arbeiten, einen Umzug im Alter zu vermeiden. Hinsichtlich des Zieles Barrierefreiheit von öffentlichen Gebäude muss noch einiges umgesteuert werden.
Die Architektenkammer Berlin und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen haben in Kooperation eine Beratungsstelle für barrierefreies Bauen eingerichtet. Das kostenfreie Beratungsangebot bezieht sich auf Wohnungsneubauten, öffentlich zugängliche Gebäude und auf die Freiflächen bzw. Außenräume der Baugrundstücke und kann nachgefragt werden von den Senatsverwaltungen, der Wohnungswirtschaft oder auch Vertreter*innen öffentlicher Einrichtungen wie zum Beispiel die Kirchen. Zu Verkehrsbauwerken und öffentlichen Verkehrsflächen findet keine Beratung statt.
Das Stichwort heißt „Design for all“. Ausgehend von der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) sollen Planer*innen befähigt werden, barrierefreies Bauen als Selbstverständlichkeit zu begreifen, um so einen Beitrag zu mehr Zugänglichkeit und Teilhabe in allen Lebensbereichen zu leisten. In die Planungsprozesse einzuführen sind Maßgaben zu flexiblen Nutzungen, zu einfacher und intuitiver Nutzung, zum Mehr-Sinne-Prinzip, zu mehr Bewegungs- und Begegnungsflächen.
Die Herstellung von Barrierefreiheit sei ein diskursiver Prozess, da hier viele Bedürfnisse aufeinandertreffen: Was für die rollstuhlfahrende Personen gut ist, stellt für eine blinde Person ggf. eine Barriere dar. Es braucht dringend einen stärkeren Austausch von Verwaltungsmitarbeiter*innen und Expert*innen in eigener Sache.
Impuls von Kevin Kühnert, MdB, Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen und SPD-Generalsekretär
Kevin begrüßt uns als Hausherr hier in der SPD-Parteizentrale.
Schon der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gebe ein Bekenntnis zum barrierefreien Bauen ab und mache mit der Aussage, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 im sozialen Wohnungsbau, bauen zu wollen, eine „offensive Ansage“. Dafür sind wirksame Maßnahmen zu erarbeiten. Als Abgeordneter habe er mit dafür Sorge zu tragen, dass dieses bedarfsgerecht – und das ist ja in der Politik kein ungefährer Begriff – auch geschehe. Es gäbe viele Anforderungen an Wohnraum: er soll bezahlbar sein für kleine und mittlere Einkommen und auch die Anforderungen an ein barrierearmes Miteinander in der Gesellschaft erfüllen.
Kevin informiert uns, dass er Mitglied des von Bauministerin Klara Geywitz am 26.4.2022 ins Leben gerufene „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ ist. An diesem sind neben vielen anderen auch Jürgen Dusel, Bundesbehindertenbeauftragter, und die VdK-Vorsitzende Verena Bentele beteiligt. Das barrierearme Bauen spiele eine große Rolle. Hierfür seien die Qualitätsstandards bis zum Herbst gemeinsam zu beschließen.
Das immer wieder zu hörende Argument der durch Barrierefreiheit entsehenden Kosten lässt Kevin nicht gelten. Gefragt werden müsse auch danach, was es kostet, „wenn wir nichts tun, wenn Menschen immer wieder umziehen müssen oder zwangsweise in besonderen Wohnformen leben (müssen)“, etc. Wir alle kennen die Preise auf dem Wohnungsmarkt. Wir müssen Wohnen stärker als eine Frage des Gemeinwohls sehen. Dazu gehören Genossenschaften aber auch durch notwendige Standards für Bauherr*innen.
Wichtig sei auch immer die Stadtentwicklungspolitik. Wir dürfen die Verantwortung für klimagerechtes Wohnen nicht auf einzelne Bauherr*innen abwälzen. Klimagerechtes Wohnen habe viel zu tun mit dem Wohnumfeld, den Nahverkehrsanschlüssen, den Nachbarschaftstreffs usw. . Entschieden werden muss auch über einen riesigen Bestand an zu ertüchtigenden Wohnraum, über steuerliche Förderungen aber auch über haushaltsnahe Dienstleistungen.
Kevin bietet uns an, mit Dialog Teil des Gestaltungsprozesses zu werden. Wir sollen unsere Anforderungen an barrierefreies Wohnen einbringen. Noch seien die Papiere nicht fertig. Wir können die Ministerin, die Staatssekretär*innen und auch ihn selbst als unsere Sprachrohre verstehen.
Diskussion mit Ülker und Kevin
Sehr gut aufgenommen wird das Angebot zum Dialog und dass im „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ Selbstvertretungsexpert:innen aus der behindertenpolitischen Community dabei sind – im Gegensatz zum „Berliner Bündnis für Wohnungsneubau und bezahlbares Wohnen“. Hingewiesen wird auf die digitale Veranstaltung mit Bauministerin Klara Geywitz am 20. Juni 2022 zum Thema „Stadtplanung der Zukunft – feministisch & inklusiv“.
Diskussionsbeiträge der Selbst Aktiven:
- Selbstvertretungsorganisationen müssen in diesen Bündnissen und Entscheidungsgremien von Anfang an dabei sein. Wir müssen den Rückstand aufholen, bundesweit fehlen 3 Millionen barrierefreie Wohnungen.
- Der Qualitätsstandard Barrierefreiheit ist von Behörden genauso streng zu kontrollieren wie der Brandschutz.
- Die AG Selbst Aktiv muss in der Partei Stimmrecht bekommen.
- In Berlin fehlen schon seit langem rund 130.000 barrierefreie Wohnungen. Unverständlich ist vielen, dass Vermieter*innen die Auflage machen können, dass auch mit Geldern im Rahmen der Wohnraumanpassung der Pflegekassen hergestellter barrierefreier Wohnraum oftmals rückgebaut werden muss.
- Wir sind eine alternde Gesellschaft. Barrierefreiheit tut not.
- Barrierearm ist kritisch zu sehen. Barrierearm gibt es nicht. „Barrierearm ist wie ein bisschen schwanger.“
- Es braucht mehr Wohnraum für psychisch erkrankte Menschen. Es ist schäbig, dass diese „überall so wenig gesehen werden“.
- Auch in Gebäuden unter Denkmalschutz muss Barrierefreiheit ermöglicht werden.
- Es sind mehr Förderprogramme aufzulegen, die sowohl Klimaschutz als auch Barrierefreiheit umfassen. Wir können uns Wien als Vorbild nehmen, dort gibt es nachhaltige Bauordnungen.
- Kritisiert wird, dass Taubblinde mit ihren Bedürfnissen nicht erwähnt wurden. Verwiesen wird auf eine Universität in Amerika: Die Architektur ist auf die Ansprüche von gehörlosen und taubblinden Menschen abgestimmt – die Planung und Gestaltung der Architektur erfolgte gemeinsam „von Gehörlosen für Gehörlose“.
- Es braucht eine taskforce für Menschen mit Behinderungen, die obdachlos sind.
- Sozialer Wohnungsbau verdient seinen Namen nur, wenn er zu 100 % für barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum sorgt. Selbst Aktive fordern: Wir wollen beim Neubau 100% Barrierefreiheit.
- Viele der Themen werden dank unserer Anträge auf dem SPD-Landesparteitag am 19.6.2022 weiter debattiert.
Ülker Radziwill bedankt sich für die zahlreichen Anregungen. Darüber sollten wir noch weiter intensiv diskutieren. Sie nimmt vor allem mit:
- Barrierefreiheit ist nicht Barrierearmut.
Auch Kevin Kühnert bedankt sich für die Hinweise und nimmt Stellung:
- Zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit soll ein Aktionsplan entwickelt werden. Ziel ist die Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beseitigen, Er möchte gerne, dass die SPD und viele Partner*innen diesen Somme eine Klausurtagung in der Berliner Stadtmission durchführen. Themen werden nicht nur Housing first, sondern auch Fragen der Prävention sein.
- Neubau soll mit Klimaschutz zusammengedacht werden.
- Niemand soll zurückbauen müssen. Das ist Verschwendung von Ressourcen. Darüber werde im Ausschuss bereits debattiert.
- Begriffe barrierefrei und barrierearm: In Fachwerkhäusern ist Barrierefreiheit kaum zu erreichen. Für den Neubau dürfe es aber nichts ohne Barrierefreiheit geben. Mitzudenken sind von Anfang an Umwandlungen und sich ändernde Nutzungsanforderungen.
- Hoffentlich gibt es bald wieder das Vorkaufsrecht im Milieuschutz. Aufzüge wurden gebaut, um die Miete zu erhöhen. Es braucht mehr konkrete Hilfen für den Alltag.
- In der Vergangenheit wurden nur etwa 20.000 Sozialwohnungen in Deutschland gebaut, die meisten sind mittlerweile aus der Bindung gefallen. Deshalb soll es künftig die Wohnungsgemeinnützigkeit geben.
- Auch die SPD lernt: Im Hamburger Grundsatzprogramm steht noch nicht viel zur Barrierefreiheit. Hinsichtlich des Stimmrechts für die AG finden Diskussionen bereits statt.
WAHL- UND NOMINIERUNGSERGEBNISSE
Selbstverständlich ist ein Jahresbericht vorgelegt und der Vorstand entlastet worden. Wir danken den ausscheidenden Selbst Aktiv-Landesvorstandsmitgliedern Britta Ballhause und Diana Giannone.
Neu bzw. wiedergewählte Landesvorstandsmitglieder
- Vorsitzende: Mechthild Rawert
- Stellv. Vorsitzende: Torsten Aue, Janis Hantke, Thomas Koch
- Schriftführerin: Antje Szardning
- 10 Beisitzer*innen: Alexander Michael Boster, Petra Cardinal, Michael Chilla-Jung, Andreas Domann, Sieghard Gummelt, Jan Hofmann, Regine Laroche, Rainer-Michael Lehmann, Constanze Meyer, Anne Wening
Wir haben uns entschieden, dass bis zu 12 Beisitzer*innen gewählt werden können. Für die zwei noch fehlenden Beisitzer*innen-Positionen suchen wir u.a. gezielt nach Personen für den Bereich Migration/Flucht und Behinderung.
AG-Vertretung im SPD-Landesvorstand
- Mechthild Rawert vertritt die AG Selbst Aktiv Berlin im SPD Landesvorstand Berlin.
Mitgliederbeauftragte*r
- Mitgliederbeauftragter unserer AG ist Alexander Michael Boster.
Delegierte für die Selbst Aktiv-Bundeskonferenz
- Volldelegierte für die Selbst Aktiv Bundeskonferenz sind Janis Hantke, Mechthild Rawert und Thomas Koch, Ersatzdelegierte sind Petra Cardinal, Anne Wening, Sieghart Gummelt, Michael Chilla Jung und Torsten Aue.
Delegierte für den Bundesausschuss
- Volldelegierte sind Janis Hantke und Mechthild Rawert, Ersatzdelegierte sind Thomas Koch und Torsten Aue.
Neugründung des „Arbeitskreis Selbst Aktiv für gehörlose und schwerhörige Menschen (AK Selbst Aktiv – DGS )
DGS steht für Deutsche Gebärdensprache. Ziel dieses am Landesvorstand der AG Selbst Aktiv Berlin angedockten Arbeitskreises ist die Beratung des Landesvorstandes insbesondere in Bezug auf die Überwindung von Barrieren für die tauben, gehörlosen und schwerhörigen Community- Mitglieder. Teilnehmer*innen sind bisher u.a. Patrick Seifert und Kilian Knörzer, Thomas Koch und Mechthild Rawert vom Landesvorstand, Britta Ballhause, die Kreisvorsitzende der AG Selbst Aktiv Tempelhof-Schöneberg, und Dennis Behnke aus Friedrichshain-Kreuzberg. Der Arbeitskreis ist offen für Mitglieder der AG Selbst Aktiv, die selbst taub, gehörlos oder schwerhörig sind, und für entsprechende Angehörige. Interessierte melden sich bitte unter: info@mechthild-rawert.de . Wir wollen gemeinsam voneinander lernen. So sollen hörende Selbst Aktive (mehr) Wissen erwerben über bestehende Barrieren, die gehörlosen oder schwerhörigen Menschen eine volle gesellschaftliche Teilhabe erschweren. Bei Bedarf werden wir mit externen Fachreferent*innen zusammenarbeiten. Aus unseren Erkenntnissen werden wir Anträge und ggf. auch Aktionen ableiten zum Abbau von Barrieren in und außerhalb der SPD.
MV mit Lars Düsterhöft, MdA, Sprecher für Menschen mit Behinderungen am 28.4.22
Unsere Mitgliederversammlung (MV) am 28. April 2022 fand als Jitzi-Videokonferenz statt. Im Mittelpunkt stand der Austausch mit Lars Düsterhöft, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses (MdA). Lars ist für die SPD-Fraktion Mitglied im Ausschuss für Integration, Arbeit und Soziales, im Ausschuss für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und im Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Darüber hinaus ist er der arbeitsmarktpolitische Sprecher sowie Sprecher für Menschen mit Behinderungen.
Im Rahmen einer Gedenkminute gedachten wir der vier 31 bis 56 Jahre alten Bewohnerinnen des Thusnelda-von-Saldern-Hauses, einer Wohnstätte für Körper- und Mehrfachbehinderte in Potsdam. Diese Menschen wurden am 28.4.2021 – heute vor einem Jahr – durch eine langjährige Pflegemitarbeiterin ermordet.
Aktuelle Haushaltsberatungen führten dazu, dass Lars sich verspäten musste. So haben wir einige Tagesordnungspunkte vorgezogen, u.a.:
- Wir haben zum Thema „Mobilität von Menschen mit Beeinträchtigungen in Berlin verbessern“ unseren sechsten Antrag für den SPD-Landesparteitag am 19.6.2022 beschlossen. Unsere Forderungen sind u.a., die gesamte Berliner Mobilitätsinfrastruktur barrierefrei auszubauen. Dazu gehört auch von Angang an eine barrierefrei gestaltete Digitalisierung. Immer häufiger werden Menschen die Taxis per App bestellen. Auch die Sonderfahrdienste haben unterschiedliche Bestellmöglichkeiten an. Sicherzustellen ist, dass von Anfang an Selbstvertreter*innen an den Planungen beteiligt werden.
- Wir sprachen über die anstehende Landesvollversammlung am 4.5.2022 im Willy-Brandt-Haus. Schwerpunkte werden das Thema „Barrierefreies Bauen als Qualitätsstandard einer modernen Infrastruktur“ und verschiedene Wahlen sein.
- Geklärt wurden Absprachen hinsichtlich der Demonstration und der Kundgebung am Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5.5.2022.
Am 25.6.2022 findet der SoVDInklusionslauf auf dem Tempelhofer Feld statt. Hingewiesen wird auf die gemeinsame Aktion der AG Selbst Aktiv Berlin und den RotRunners Mitte. Wir danken dem SPD-Landesverband für das Sponsoring eines T-Shirts und der Anmeldegebühren für die ersten 10 sich anmeldenden Läufer*innen. - Stefan Schenk, Landesbehindertenbeirat, erinnert an die offene Forderung, in den RBB Rundfunkrat eine*n Menschen mit Behinderungen zu entsenden. Er bittet um Unterstützung.
- Mit der AG Selbst Aktiv Brandenburg wurde ein gemeinsames Treffen der Landesvorstände Berlin und Brandenburg in der 2. Jahreshälfte vereinbart.
WIR SELBST AKTIVE SIND EIN BUNTER HAUFEN
Dieses Mal konnten wir eine ausführliche Kennenlern-Runde machen. Es ist toll, welch bunter Haufen wir sind. So können wir leichter mit den anderen Arbeitsgemeinschaften und Fachausschüssen der SPD kooperieren als auch mit den SPD-Kreisen und externen Gruppen.
Wir sind Gründungsmitglieder und frisch Eingetretene, sind sehr altersgemischt und leben in unterschiedlichen Lebenslagen, einige sind erwerbstätig, andere sind Rentner*innen bzw. leben von ihrer Erwerbsunfähigkeitsrente. Wir haben sichtbare und/oder unsichtbare Beeinträchtigungen oder noch keine, leben schon seit längerem mit unseren Handicaps oder sind erst seit kurzem betroffen. Wir kommen aus zahlreichen Bezirken, vertreten Einrichtungen wie z.B. den Integrationsfachdienst oder kommen aus Selbstvertretungsorganisationen. Wir wollen in vielen Bereichen vieles erreichen, u.a. im Behindertensport oder bei den digitalen Möglichkeiten. Einige von uns haben politische Funktionen in der SPD inne, sind Mitglieder des Selbst Aktiv-Landesvorstandes oder z.B. Kreisvorsitzende*r der AG Selbst Aktiv, sind Bezirksabgeordnete und sogar Vorsitzende eines Ausschusses in der Bezirksverordnetenversammlung, sind Fachausschussvorsitzende der Berliner SPD. Wir wollen
- ein Empfinden entwickeln, was jemand braucht, um gut voran zu kommen im Leben,
- die Barrieren in den Köpfen bekämpfen,
- für mehr Sensibilisierung und gegen den defizitären Blick auf Menschen mit Beeinträchtigung kämpfen,
- wollen die AG Selbst Aktiv bundesweit für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen offen halten.
INPULSE VON LARS DÜSTERHÖFT
Obwohl es auch aktuell bei den laufenden Haushaltsberatungen knirscht, ist Lars froh, dass der Landeshaushalt erst jetzt beraten wird. In 2022 besteht die Möglichkeit einen Haushalt zu verabschieden, „der weit entfernt von dem ist, was wir vor einem Jahr befürchtet haben“.
- Umsetzung des Landesgleichberechtigungsgesetzes (LGBG)
Hierzu ist er im steten Gespräch mit der Landesbehindertenbeauftragten, mit dem Landesbehindertenbeirat und mit der Monitoring-Stelle. Er hat Änderungsanträge eingebracht, u.a. um die Schiedsstelle ordentlich aufzubauen, um die Erstellung des Berliner Teilhabebericht mit ausreichend Ressourcen sprich Fachpersonal auszustatten, um für das Personal der beim Deutschen Institut für Menschenrechte angesiedelten Monitoring-Stelle Berlin langfristige Arbeitsverträge zu erwirken.
- Mobilität – Inklusionstaxi
Gekämpft wird um eine erneute Förderung des Inklusionstaxi als Baustein hin zu mehr barrierefreie Mobilität in Berlin. Sein Ziel sei, die Förderung des Inklusionstaxis demnächst bei der Wirtschaftsförderung anzusiedeln. Dort können mehrere Taxiorientierte Förderprogramme sinnvoll mit den Inklusionstaxis verknüpft werden. Hilfreich waren die im August 2021 in Kraft getretenen umfassenden Änderungen des Personenbeförderungsrechts. Das Interesse an Inklusionstaxis steigt auch, da das Gesetz besagt, dass bei 20 Fahrzeugen 5 % der Fahrzeuge barrierefrei sein müssen. Diese 5 % sind auf Initiative des Landes Berlin ins Gesetz aufgenommen. Unbestreitbar wäre es besser, wenn alle Taxen barrierefrei sind, wie z.B. in London. Im Berliner Abgeordnetenhaus wird noch verhandelt, ob es nicht bereits bei 10 Taxen ein Inklusionstaxi geben muss.
- Mobilität – Sonderfahrdienst
Der Sonderfahrdienst war vormittags Thema einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss Integration, Arbeit und Soziales. Seit einigen Monaten bietet der BerlMobil-Fahrdienst im Auftrag des Landes Berlin einen Sonderfahrdienst für Menschen mit Behinderungen an. Seitdem sind die Beschwerden gesunken und die Anzahl der Nutzer*innen scheint nach einem Coronabedingtem Einbruch wieder hochzugehen. Die Menschen mit Behinderungen fühlen sich dort mitgenommen. Lars will sich noch um offene Probleme kümmern, u.a. die noch nicht zufriedenstellende Nutzung von Treppensteigern für die rollstuhlnutzenden Menschen.
Stefan Schenk merkt an, dass die geplante evidenzbasierte Befragung von (potentiellen) Nutzer*innen des Sonderfahrdienstes von Anfang an unter Einbeziehung des Landesbehindertenbeirates, etc. erfolgen muss.
- Umsetzung des Bundesteilhabegesetz (BTHG)
Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes war schon vor der Pandemie ins Stocken geraten und während der Pandemie erst recht. In den Haushaltsberatungen sind nun Mittel für mehr für Schulungen bereitgestellt. Lars verspricht durch Anfragen auf der Fachebene wieder mehr Druck zu machen.
- Special Olympics World Games 2023 und in 2022 die Special Olympics Nationalen Spiele
Stefan Schenk: Berlin freut sich nicht nur auf die Weltspiele 2023, sondern auch über die Special Olympics Nationalen Spiele. Bis zu 5.000 Athlet*innen werden vom 19. bis 24. Juni 2022 in Berlin sein und in mehr als 20 Sportarten antreten. Für dieses große Sportevent werden noch freiwillige Helfer*innen gesucht.
- Inklusive Bildung
Nach Aussagen von Lars muss den Parlamentarier*innen, aber auch Staatssekretär*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen bei Sen BJF die inklusive Bildung noch näher zu bringen. Er berichtet von einem Gespräch mit einem leitenden Mitarbeiter der Senatsbildungsverwaltung, der ihm „sehr gut darlegen konnte, dass eine gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Beeinträchtigungen nicht geht“. Es gibt leider auch innerhalb der SPD erhebliche Widerstände bei der Förderung der Inklusiven Schwerpunktschulen anstelle einer Ausweitung der Sonderpädagogischen Förderschulen. Seiner Meinung nach sollen Schüler*innen bereits in der Grundschule sensibilisiert werden für die Situation, wie es ist, gehörlos und/oder erblindet und/oder körperlich eingeschränkt zu sein. Kinder lernen so, dass es selbstverständlich ist, verschieden zu sein. Lars schlägt hier eine Veranstaltung mit Marcel Hopp, dem neuen bildungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion vor.
Stefan Schenk unterstützt diese Haltung. Für Inklusion sind inklusive Schwerpunktschulen eine erhaltenswerte und vor allem notwendig auszubauende Form des Lehrens und Lernens,
Mechthild Rawert: Lars hat Recht. Leider war das Bewusstsein für die Chancen von inklusiver Bildung in der SPD schon mal größer. Aufklärende Bildung in der SPD tut not. Es gibt strukturelle Ungleichheiten: Einige der Förderschulen sind besser ausgestattet als die inklusiven Schwerpunktschulen, die meisten der Referendar*innen arbeiten in den Förderschulen anstelle der inklusiven Schwerpunktschulen. Es ist notwendig, dass sich viele in der SPD diesem Thema zuwenden.
Gerhard Muff betont, dass es sehr wichtig ist, Menschen darüber zu informieren, warum ein Mensch „geistig behindert“ sein kann, wie es zu Entwicklungsverzögerungen und Beeinträchtigungen kommen kann.
- Übergang Schule – Beruf
Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass wir dringendst eine inklusive Öffnung der Jugendberufsagentur und der Jobcenter brauchen. Menschen mit so genannter geistiger Behinderung erhalten in Berlin keinen Schulabschluss – und ohne Schulabschluss keine Ausbildung. Lars verspricht, sich dem Thema Schulabschluss intensiv zuzuwenden.
Stefan Schenk findet es einen Skandal, dass 99 % der Menschen mit geistiger Behinderung quasi automatisch in Werkstätten für Menschen mit Behinderung tätig sind. Letztlich auch, wenn gerade die jungen Menschen hier gar nicht arbeiten wollen.
- Gebärdensprache
Auch bei dem Einsatz von Gebärdensprache, u.a. in Form eines Wahlpflichtfaches, in Schulen habe es keine Unterstützung seitens der Verwaltung gegeben. So werde es in den USA gemacht: Gebärdensprache wird nicht nur angeboten, wenn tatsächlich ein gehörloses Kind in der Klasse ist. Mit dem Angebot eines Wahlpflichtfaches hätten mehr Kinder die Möglichkeit, die Deutsche Gebärdensprache zu erlernen. Der positive Nebeneffekt wäre, dass wir dann ggf. mehr Gebärdensprachdolmetscher*innen hätten.
Kommunikation ist Voraussetzung für Teilhabe. Wichtig wäre es, dass u.a. regionale Nachrichten wie die Berliner Abendschau, Nachrichten aus Berlin-Brandenburg in Gebärde übertragen werden. Auch gehörlose bzw. schwerhörige Menschen zahlen häufig Rundfunkgebühren – haben aber nichts davon. Wichtig wäre es auch, dass die Plenarsitzungen im Abgeordnetenhaus von Berlin komplett gedolmetscht wird. Lars bemüht sich zusammen mit Stefanie Fuchs von den Linken sehr darum. „Aber natürlich ist es eine Geld- und eine Kapazitätsfrage.“ Fachdolmetscher*innen sind leider Mangelware. „Aber da bin ich dran, weil mir das ein sehr wichtiges Anliegen ist.“
Janis Hantke erzählt von den Herausforderungen für die SPD, um einem in Tempelhof-Schöneberg eingetretenen Genossen die mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte zu ermöglichen.
- Wohnraum für Menschen mit Behinderungen
Lars plädiert auch hier dringend dafür, die Fachpolitiker*innen einzuladen, u.a. um mit ihnen über die Novellierung der Bauordnung zu reden. Die Fachpolitiker*innen und Sprecher*innen brauchen das Wissen, brauchen den Input. Es gilt aufzupassen, dass bisher Erreichtes in Bezug auf Barrierefreiheit bleibt und weiterausgebaut und „nicht verwässert wird“. So muss gesichert werden, dass die Pflicht zum Einbau eines Aufzuges bei Aufstockungen erhalten bleibt. Erwähnt wird das Beispiel der degewo in Oberschöneweide, die Aufstockungen (5. und 6. Etage) vornimmt – aber ohne Aufzug. Das ist für viele Berliner*innen jetzt und in Zukunft verlorener Wohnraum.
Mechthild Rawert berichtet von der AG Selbst Aktiv-Forderung: Neubau muss zu 100 % barrierefrei gebaut werden. Sonst verliert der Fach- und Politikbegriff „sozialer Wohnungsbau“ seine Berechtigung. Sie kritisiert, dass keine Selbstvertreter*innen im „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Wohnungsbau“ vertreten sind. Der Gedanke der Partizipation, der gesetzlich festgeschriebenen Teilhabe, wird von uns beim Bauen nicht eingehalten. Die AG Selbst Aktiv Berlin hat einen entsprechenden Antrag für den SPD-Landesparteitag beschlossen. Dieser braucht dringendst Unterstützung und Wortmeldungen, sonst ist der Antrag für die Katz.
- Barrierefreiheit, Inklusion und Partizipation als Querschnittsaufgabe
Lars Düsterhöft weist darauf hin, dass Barrierefreiheit und Inklusion ein Querschnittsthema ist. Das bedeutet: Alle in der SPD, jede*r einzelne Parlamentarier*in in jedem einzelnen Fachbereich muss sich verantwortlich fühlen. Barrierefreiheit darf nicht bei der/dem Sprecher*in für Menschen mit Behinderung abgeladen werden. Seine Empfehlung: „Holt euch die entsprechenden Fachpolitiker*innen. Nicht nur, weil sie fachlich versierter sind, sondern auch, weil sie den Input brauchen. Jede*r muss inklusiv denken.“ „Im Sportbereich wird da ganz gut mitgedacht. Im Bildungsbereich nicht so sehr.“
DISKUSSION
Roswitha Kramer verweist auf Missstände im Märkischen Viertel. Dort gibt es 12-geschossige Häuser. Oftmals sind die Fahrstühle kaputt und die Leute kommen nicht aus der Wohnung heraus. Es ist ein Skandal, dass mensch dort eingesperrt ist. Inklusion hat auch mit Barrierefreiheit zu tun. Leute mit Rollator können keine 12 Treppen hoch und runter laufen. Der BerlMobil funktioniert nicht so reibungslos wie dargestellt, es gab schon Wartezeiten von zwei Stunden.
Antwort Lars: Fahrstühle sind ein Dauerproblem, zumal einige ein kritisches Alter in Bezug auf die Sicherheit erreicht haben. In einem der ursprünglich zu DDR-Zeiten für mobilitätseingeschränkte Menschen gebauten Häuser in Oberschöneweide funktionierte über eine Woche der Fahrstuhl nicht funktionierte – ein Riesenproblem für die Bewohner*innen und die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land. Es braucht grundsätzliche Sanierungen, eine Verkürzung des Austausches von Ersatzteilen für Fahrstühle, etc. Hinsichtlich des Sonderfahrdienstes nimmt er die Hinweise auf. Ziel der Geschäftsführung ist es auf jeden Fall, dass die zu befördernde Person an der Wohnungstür abgeholt wird. Derzeit finden zahlreiche Schulungen der Fahrer*innen statt.
Sascha Lucke merkt an, dass seit Jahren die Anzahl der Personen in den Hausverwaltungen zurückgehe, so dass es für Menschen mit Behinderungen immer schwieriger wird, eine*n Ansprechpartner*in zu finden. Er fordert, dass die Förderhöhe der Pflegekassen für Wohnraumanpassungsmaßnahmen – derzeit bis zu 4.000 € – erhöht werden. Alles wird teurer und mensch kann damit immer weniger umbauen.
Antwort Lars: Leider fallen immer wieder auch notwendige Förderprogramme weg bzw. sie werden nicht angehoben.
Petra Cardinal: Laut Zeitungsbericht will die BVV Friedrichshain-Kreuzberg für den Graefekiez mit seinen 20.000 Anwohner*innen ein wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt initiieren mit dem Ziel, alle privaten Parkplätze im öffentlichen Straßenraum wegfallen zu lassen. Autos sollen für 30 Euro/Monat in einem Parkhaus parken. Parkmöglichkeiten sollen nur noch für Menschen mit Behinderungen sowie für Sharing- Fahrzeuge wie Autos, Elektroroller, Fahr- oder Lastenräder bestehen.
Antwort Lars: Zu diesem BVV-Projekt könne er nichts sagen. Beim Projekt von Bettina Jarrasch, Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, zur Herausnahem des Verkehrs aus der Friedrichstraße wird sich der Verkehr in die Parallelstraßen erstrecken – und das sei problematisch, denn auch hier wohnen Menschen mit Behinderungen.
Rolle und Aufgabe der AG Selbst Aktiv Berlin
Wir sehen: Die politische Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv ist immens – sowohl hinsichtlich jeden Lebensbereiches sprich jeden Politikfeldes. Wir müssen die Partizipation in der eigenen Partei stärken, müssen verstärkt Mandatsträger*innen mit Bürger*innen mit Behinderungen und entsprechende Selbstvertretungsorganisationen vernetzen. Wir Selbst Aktive werden weiter an der Schaffung von Bündnissen arbeiten.
Wir danken Susanne Döhler, unsere diesmalige Schriftdolmetscherin, für ihre gute Verschriftlichung der gesprochenen Aussagen der Teilnehmenden. Auch den vielen Selbst Aktiven danke ich, schließlich braucht es viel Konzentration, an einer zweistündigen digitalen Sitzung telefonisch oder digital teilzunehmen. Danke.
Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB): „Eine für Alle“
Bundesweit unterstützt und berät die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) alle Menschen mit Behinderungen, von Behinderung bedrohte Menschen, aber auch ihre Angehörigen kostenlos in allen Fragen zur Rehabilitation und Teilhabe – und dies unabhängig von der Art Ihrer Teilhabebeeinträchtigung. „Eine für Alle“ ist das Leitprinzip jeder der bundesweit rund 500 EUTB-Beratungsstellen. Hier werden ratsuchende Menschen niedrigschwellig u.a. über die ihnen zustehende Teilhabe-Leistungen informiert und ihnen wird bei der Beantragung dieser Leistungen geholfen.
Die Berater*innen in den EUTB®-Angeboten beraten auf „Augenhöhe“, insbesondere durch die besondere Berücksichtigung der Beratungsmethode des Peer Counselings (Beratung von Betroffenen für Betroffene). Ziel einer Beratung ist vor allem die Stärkung der selbstbestimmten Entscheidungs- und Handlungskompetenz von Menschen mit drohenden Behinderungen (Empowerment). Auch in Berlin gibt es zahlreiche EUTB-Angebote.
Die Grundlagen für das Recht auf eine ergänzende und von den Leistungserbringern und -trägern unabhängige Teilhabeberatung wurde mit dem 2016 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Bundesteilhabegesetz (BTHG) geschaffen. In Folge des BTHG wurde das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), also das Recht der Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, neu gefasst. § 32 SGB IX regelt die „Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung; Verordnungsermächtigung“.
EUTB: Vom Modell zur Regelstruktur
Von 2018 bis Ende 2022 fördert(e) das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) die EUTB-Angebote jährlich mit 58 Millionen Euro im Rahmen modellhafter Projektförderungen. Die Sicherung der dauerhaften Weiterfinanzierung der EUTB-Angebote über 2022 hinaus erfolgte durch Bundestag und Bundesrat bereits 2019 mit dem Angehörigen-Entlastungsgesetz. Ab 2023 stellt der Bund 65 Millionen Euro jährlich für die unabhängigen niedrigschwelligen EUTB-Angebote zur Verfügung.
Wie jedes andere Modellprogramm auch wurden/werden die zwischen 2018 und 2022 erfolgten Projektförderungen zusammen mit den Beteiligten ausführlich evaluiert. Dafür wurde die Fachstelle Teilhabeberatung gegründet. Eine ihrer Evaluationen wurde als Drucksache 19/31168 am 21. Juni 2021 vom Deutschen Bundestag veröffentlicht. Dieser sehr lesenswerte „Zwischenbericht 2021 zur Evaluation der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung“ klärt über Akteure der EUTB, ob Trägervereine, Berater*innen oder Förderer*innen, über die Organisation und Umsetzung, über die Entwicklung von Beratungsstandards aus unterschiedlichen Perspektiven auf.
Die Fachstelle Teilhabeberatung unterstützt im Namen des BMAS die EUTB-Angebote fachlich und organisatorisch. Sie trägt zu einer guten Beratungsqualität und zur Förderung der Zusammenarbeit der Beratungsangebote bei. Die EUTB-Berater*innen werden durch Wissensvermittlung, Austausch und Diskussionen gestärkt. Dies geschieht u.a. durch Schulungen und einer jährlichen mehrtägigen Konferenz, deren Dokumentation auch öffentlich zugänglich ist.
Für die am 1. Januar 2023 beginnende neue Förderphase wird in den Evaluationen deutlich, dass es Änderungen bei den künftigen Förderbedingungen geben muss: Insbesondere die kleineren Trägerorganisationen brauchen finanzielle Verbesserungen und verfahrensrechtliche Erleichterungen.
Wie weiter nach Beendigung der Modellförderungsphase?
Damit es mit den Beratungsangeboten nahtlos weitergehen kann, hat das BMAS im Zusammenwirken mit den Beteiligten für den Zeitraum 2023 bis 2029 eine neue „Rechtsverordnung zur Weiterführung der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTBV)“ entwickelt, die am 14. Juni 2021 veröffentlicht wurde.
Gesetzliche Zielstellung ist eine flächendeckende wohnortnahe Beratungsangebots-Struktur über alle Bundesländer, Regionen und Kommunen hinweg. Damit die Verteilung der Personal- und Sachkosten auch gerecht zugeht, wurde für ein Vollzeitäquivalent (eine Stelle mit 39 Arbeitsstunden) pro Bundesland ein länderspezifischer Referenzwert entwickelt, der die Einwohner*innenzahl des betreffenden Landkreises, der betreffenden kreisfreien Stadt oder des Bezirkes der Stadtstaaten und die Fläche eines Bundeslandes ausgewogen berücksichtigt. So werden Nachteile für Flächenländer aber auch vermeintlich attraktivere und unattraktivere städtische Lagen ausgeglichen. Nur ein Beispiel: Auf dem Land sind u.U. lange, zeitintensive Strecken zu überwinden, wenn es gilt, eine aufsuchende Beratung im häuslichen Umfeld der ratsuchenden Person zu erbringen. Menschen mit (drohender) Behinderung wohnen überall in Deutschland. Grundgedanke der EUTB-Angebote ist es schließlich, überall in Deutschland allen Menschen mit (drohender) Behinderung und ihren Angehörigen die tatsächliche Nutzung ihres Rechts auf eine unabhängige Beratung so wohnortnah wie möglich zur ermöglichen.
Die EUTBV stellt grundsätzlich und insbesondere für kleinere Trägervereine eine Verbesserung im Vergleich zur bisherigen zuwendungsrechtlichen Modellprojektförderung dar: So wurden die Gesamtmittel für die EUTB von 58 Millionen Euro auf 65 Millionen Euro ab 2023 erhöht. Dadurch, dass die Fördermittel jetzt auch fest im SGB IX verankert sind, sind sie „sicher“, da sie nicht mehr in Konkurrenz um knappe Mittel anderer Fördervorhaben stehen. Die Planungssicherheit wird erhöht, da die Zuschüsse für einen Zeitraum von bis zu 7 Jahren bewilligt werden, im Gegensatz zu den bisher dreijährigen Zuwendungen. Künftig müssen die Träger auch keinen Eigenanteil mehr in die EUTB-Angebote einbringen, im Gegensatz zur bisherigen Aufteilung 95 Prozent Fördermittel und fünf Prozent Eigenmittel.
Bundesweit können nun 610 sogenannte Vollzeitäquivalente mit einem Zuschuss von maximal 95.000 Euro pro Jahr/VZÄ – bisher 90.000 Euro – gefördert werden. Mit der Erhöhung der 5.000 Euro sind auch die nach dem TVöD tariflich gebotenen Einkommensverbesserungen für bisherige Mitarbeiter*innen zu finanzieren. Da der Förderbetrag in Höhe von 65 Millionen Euro ein festes und kein dynamisierendes Budget darstellt, führen Tariferhöhungen in allen Bundesländern zu einer Reduzierung der zu fördernden Stellen nach Ablauf der modellhaften Erprobung der EUTB.
Mit der EUTBV sind außerdem viele qualitative Verbesserungen für die EUTB-Angebote verbunden: Die jährliche Sachkostenpauschale steigt von 7.600 auf 10.750 Euro, es wird eine einmalige Erstausstattungspauschale von 1000 Euro gewährt, Ausgaben für Fremdsprachendolmetscher*innen können ebenso wie Ausgaben bis zu 1000 Euro pro Kalenderjahr/VZÄ für Öffentlichkeitsarbeit abgerechnet werden. Auch die Ausgabengrenze für aufsuchende Beratung wurde erhöht.
31. März 2022: Noch laufende Antragsphase für 2023 – 2029
Noch bis zum 31. März 2022 können sich Organisationen auf der Grundlage der am 14. Juni 2021 veröffentlichten EUTBV darum bewerben, für den Zeitraum 2023 bis 2029 ein EUTB-Beratungsangebot zu etablieren. Interessierte Trägerorganisationen können sich ab dem 1. Januar 2022 für ihre Antragstellung auch Unterstützung bei der gsub mbH holen.
EUTBV in Berlin
Auch für Berlin gibt es einen Mittelzuwachs: Statt der bisherigen 1,64 Millionen Euro jährlich können ab 2023 für EUTB-Angebote in Berlin Zuschüsse in Höhe von 1,95 Millionen Euro bewilligt werden – rund 300.000 Euro mehr als bisher. Aufgrund der tariflichen Einkommenserhöhungen kann die Anzahl der zu bewilligen Vollzeitäquivalente (VZÄ) von derzeit 25 auf 20,5 absinken.
Wie relevant die damit verbundene Verteilungsfrage letztlich in Berlin wird, kann vor Ablauf der Antragsfrist nicht gesagt werden. Derzeit ist noch nicht bekannt, wie viele der bisherigen und ggf. wie viele neue Organisationen sich für die Etablierung eines EUTB-Beratungsangebotes bewerben.
Für die einzelnen Berliner Bezirke wurde bezüglich der Vollzeitäquivalenz-Stellen (VZÄ) errechnet:
Bezirk VZÄ bis
Pankow 2,23
Mitte 2,08
Tempelhof-Schöneberg 1,90
Charlottenburg-Wilmersdorf 1,85
Neukölln 1,78
Steglitz-Zehlendorf 1,68
Lichtenberg 1,61
Friedrichshain-Kreuzberg 1,57
Treptow-Köpenick 1,50
Marzahn-Hellersdorf 1,49
Reinickendorf 1,44
Spandau 1,33
insgesamt Berlin 20,50
Beratungsangebote, die eine besondere Expertise für spezielle Zielgruppen aufweisen, können weiterhin im Rahmen des VZÄ-Kontingents bezuschusst werden, das für einen Bezirk möglich ist. EUTB-Beratungsstellen müssen aber – wie auch bisher schon – ein allgemeines, behinderungsübergreifendes Beratungsangebot vorhalten. Schließlich lautet das Leitprinzip für die EUTB-Beratungsangebote von Anfang an „Eine für alle“.
Mitgliederversammlung der AG Selbst Aktiv am 24.3.2022
Thema unserer Mitgliederversammlung am 24. März 2022 war die bundesweite Beratungsstruktur „Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB)“ für Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohten Menschen. Im Mittelpunkt standen die beruflichen Erfahrungen einer Teilhabeberaterin. Wir danken unserer Referentin Frau Dorothée Reinert, Teilhabeberaterin in der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e. V. (ABSV) sehr.
Allen Mitgliedern ist im Vorfeld der Mitgliederveranstaltung unser März-Newsletter zugegangen. Dieser enthält einen Artikel (vgl. Anhang), der über Ziele, Strukturen und Förderbedingungen dieses niedrigschwelligen Beratungsangeboten auch für Berlin informiert: Ab dem 1.1.2023 stellt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) insgesamt jährlich 65 Millionen Euro (davon Zuschüsse für Berlin in Höhe von 1,95 Millionen Euro) zur Verfügung, z.B. für Personal und Sachkosten wie Verwaltung, Vernetzung, Qualitätssicherung und Öffentlichkeitsarbeit. In den EUTB´s informieren und beraten Betroffene andere Betroffene im Vorfeld der Beantragung konkreter Rehabilitations- und Teilhabeleistungen nach dem SGB IX.
In dieser Mitgliederversammlung wurden weiterhin drei Anträge u.a. für den SPD-Landesparteitag am 19. Juni 2022 beschlossen:
- Bedarfe von Flüchtenden und Geflüchteten mit Beeinträchtigungen sichern
- Stärkung der politischen Partizipation und Repräsentanz von Menschen mit Beeinträchtigungen in und durch die SPD
- Kampagne starten: Selbstbestimmung stärken – Vorsorgeinstrumente nutzen
- Planen und Bauen für eine inklusive (Stadt-)Gesellschaft
Hinweis: Die nächste digitale Mitgliederversammlung findet am 28. April 2022, 16.30 Uhr mit Lars Düsterhöft (MdA, Sprecher für Menschen mit Behinderungen, Sprecher für Soziales und Pflege) statt. Es erfolgt noch eine separate Einladung.
EUTB = Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
Dieses niedrigschwellige und wohnortnahe Beratungsangebot ist ein großer Erfolg der Behindertenbewegung. Die Beratungsstruktur nach dem Prinzip des Peer Counseling (Beratung von Behinderten – für Behinderte) orientiert sich an der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, insbesondere am Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention: „durch Peer Support Menschen mit Behinderungen in die Lage zu versetzen, ein Höchstmaß an Selbstbestimmung, umfassende körperliche, geistige, soziale und berufliche Fähigkeiten sowie die volle Einbeziehung in alle Aspekte des Lebens und die volle Teilhabe an allen Aspekten des Lebens zu erreichen und zu bewahren“ (Artikel 26 BRK – Habilitation und Rehabilitation).
Allgemeiner Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e. V. (ABSV)
Der in Berlin sehr bekannte Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin gegr. 1874 e. V. (ABSV) hat in Charlottenburg-Wilmersdorf ein wunderschönes Gelände mit einem auch für Veranstaltungen gut nutzbarem barrierefreiem Haus. Hier ist auch die ABSV- Geschäftsstelle angesiedelt. Über den Sozialdienst werden blinde und sehbehinderte Menschen, deren Familien, Freund*innen und Arbeitgeber*innen zu sozialrechtlichen Fragen sowie zu praktischen Hilfsmitteln beraten. Angeboten wird auch ein umfangreiches Kultur- und Freizeitangebot.
Frau Reinert (ABSV): Aus dem beruflichen Alltag einer EUTB-Teilhabeberaterin
Frau Reinert ist langjährige Mitarbeiterin beim ABSV. Bevor sie Teilhabeberaterin wurde, arbeitete sie viele Jahre im Sozialdienst des ABSV. Von diesen Erfahrungen profitiert sie im Interesse der Unterstützung suchenden Menschen sehr.
In die EUTB kommen sowohl Menschen, die eine Behinderung oder Einschränkung haben oder von diesen bedroht sind als auch Angehörige. Jeder ratsuchenden Person wird unabhängig von der Art der Behinderung Unterstützung gegeben, wobei der Begriff „Behinderung“ auch nicht eng gesehen wird: Alle Menschen, die in irgendeiner Art und Weise darin be-hindert werden, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, können sich an die EUTB wenden. Geholfen wird bei allen Fragen, egal, ob es sich um Rehabilitation, Hilfsmittel, persönliche Assistenz oder um Probleme im Freizeitbereich handelt. Die EUTB beim ABSV verfügt aufgrund ihrer Trägerstruktur über besondere Kompetenzen in der Beratung blinder und sehbehinderter Menschen – es kommen auch zumeist Menschen, die Probleme mit dem Sehen haben. Dadurch unterscheidet sie sich auch von den anderen 16 Berliner Beratungsstellen.
Anlaufstelle, Beratung und Unterstützung
Die Themen, zu denen Beratung und Hilfe bei der Antragsstellung gesucht wird, sind vielfältig: Schwerbehindertenausweis, Eingliederungshilfe, Hilfsmittel, Assistenz zur sozialen Teilhabe oder manchmal auch Schul- oder Arbeits-Assistenz, einkommens-unabhängige finanzielle Leistungen, Pflegemöglichkeiten, arbeitsplatzbezogene Leistungen des Integrationsamtes, etc. Geholfen wird auch Menschen, die schon Leistungen geziehen, wenn z.B. Verlängerungsanträge für die Grundsicherung zu stellen sind. Oder es kommen Arbeitssuchende, die Unterstützung bei den vielen Formularen des Jobcenters suchen. Es kommen Ältere, die Hilfe bei ihren Rentenanträgen suchen. Für Menschen, die gar nichts mehr sehen, werden auch Übersetzungen in Braille-Schrift vorgenommen.
Derzeit laufen – zögerlich – die Präsenz-Beratungen wieder an, welche coronabedingt längere Zeit ausgesetzt waren, auch weil die Ratsuchenden sich nicht durch die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln gefährden wollten.
Coronabedingt wurden die Angebote zur Telefonberatung ausgebaut, was schwierig und zeitaufwendig war und ist. Zumeist erfolgt nach der Beratung eine Antragstellung auf Leistungen. Für diesen Prozess wurden – auch abhängig vom noch vorhandenen Sehvermögen der Ratsuchenden – zwei Verfahren entwickelt: Einige können ggf. mit Vergrößerungsglas Texte noch erkennen und sind auch willig, die Anträge zusammen mit Angehörigen, Nachbar*innen, etc. auszufüllen.
Dann gibt es diejenigen, die nicht möchten, dass personenbezogene Informationen wie z.B. Kontonummern, Einkommensnachweise oder der Bezug von Sozialhilfebezug Dritten bekannt wird. Hier fungieren die Berater*innen als „Schreibkräfte“: sie füllen die Anträge nach telefonischer Auskunft im Büro aus, verschicken die Anträge und markieren die Stelle, wo es noch der Unterschrift bedarf. In jedem Fall bedarf es mehrmaliger telephonischer Beratungsgespräche für einen Vorgang.
Es gibt das Angebot von Hausbesuchen. Dieses wird nun wieder zögerlich in Anspruch genommen.
Lotsen-Funktion
Wenn der Rat anderer EUTB-Beratungsstellen für die Menschen mit Behinderungen hilfreicher sein kann, da diese über mehr Spezialwissen verfügen, werden Ratsuchende weitervermittelt. Eine EUTB-Beratungsstelle ist eine Anlaufstelle für alle. Es ist in der Realität aber nicht möglich, zu allen Behinderungsarten die Feinheiten zu kennen, so dass die Lotsen-Funktion auch wichtig ist.
Diskussion
Die erste Frage bezog sich auf die Evaluation während der Modellphase und auf die Wettbewerbssituation hinsichtlich der aktuellen Bewerbungen für die neue Förderphase ab 1.1.2023. Während der Modellprogramm-Phase fanden Evaluierungen durch die Fachstelle Teilhabeberatung statt, so muss beispielsweise jede Beratung dokumentiert werden. Es gibt auch regelmäßig (digitale) Treffen aller Mitarbeiter*innen der Berliner EUTB-Beratungsstellen. Zum Stand der Neu- bzw. Weiterbewilligungen der EUTB-Träger kann Frau Reinert nichts sagen, da sie als Beraterin mit der Beantragung nichts zu tun hat.
Bekräftigt wird die Notwendigkeit einer wohnortnahen Beratung in jedem Bezirk, u.a. da Mobilität gerade für Menschen mit schwerst- oder schwerstmehrfacher Behinderung bedeutungsvoll ist.
Nicht immer erfährt Frau Reinert, warum eine ratsuchende Person ihre EUTB- und keine andere EUTB-Beratungsstelle oder sogar eine Beratungsstelle anderer (Wohlfahrts)Träger aufsuche. Sie begrüßt es sehr, dass Ratsuchende Wahlmöglichkeiten haben. Es kommen auch taubblinde Menschen oder Rollstuhlfahrer*innen. Eine Rolle spielt sicherlich die Barrierefreiheit des Hauses.
Pressemitteilung: AG Selbst Aktiv Berlin fordert Disability Mainstreaming in Bund, Ländern und Kommunen
Auch 13 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) am 26. März 2009 ist Deutschland noch weit von einer inklusiven Gesellschaft entfernt. „In vielen Politikfeldern wird die Situation von Menschen mit Behinderungen zumeist nur unzureichend mitgedacht.
Um Selbstbestimmung als auch Schutz, gleichberechtigte Partizipation und Teilhabe für alle Lebenslagen u.a. beim Wohnen und der Mobilität, im Bildungs- und Gesundheitswesen, auf dem Arbeitsmarkt wie auch in der Freizeit von Anfang einer jeden Planung an sicherzustellen, braucht es ein konsequentes ressortübergreifendes Disability Mainstreaming in Bund, Ländern und Bezirken“, fordert Mechthild Rawert, Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv – Menschen mit Behinderung in der SPD Berlin.
Im Deutschen Bundestag, im Berliner Abgeordnetenhaus, in den Berliner Bezirksverordnetenversammlungen sollen nicht nur die Sozialausschüsse, sondern auch alle anderen Ausschüsse die Umsetzung der UN-BRK als ihre originäre Aufgabe begreifen. Die Interessen, Bedarfe und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen sind in jedem Politikfeld zu berücksichtigen.
Alle Politiker:innen vertreten unabhängig von ihrer fachlichen Spezialisierung immer alle Bürger:innen ihres Wahlkreises. Sie vertreten das ganze Volk – und Menschen mit Beeinträchtigungen sind rund ein Fünftel dieses Volkes“, betont Rawert. „Es geht nicht an, dass Themen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, vorrangig beim Sozialressort verortet sind. Behindertenpolitik ist Teilhabepolitik – und Teilhabepolitik geht uns alle an.“
Die AG Selbst Aktiv ist Teil der Berliner SPD. Hier engagieren sich Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen, mit und ohne SPD-Parteibuch für eine solidarische und respektvolle Politik. Wir verstehen uns als Plattform für Menschen, die sich in den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereichen in und außerhalb der SPD für Partizipation, Inklusion, Barrierefreiheit und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in ihrer Vielfalt engagieren. Dafür arbeiten wir mit vielen gesellschaftlichen Gruppen zusammen.
Pressemitteilung zum Internationalen Frauentag am 8. März 2022
Die Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv nimmt den Internationalen Frauentag am 08. März zum Anlass, um auf die besondere Lage von Frauen mit Behinderungen aufmerksam zu machen.
Immer noch sind sie im Arbeitsleben nicht so präsent wie sie sein könnten und haben deshalb häufig kleinere Rentenansprüche.
Oft haben sie auch Probleme, ihre Familienarbeit mit Unterstützung erledigen zu können und für ihre Kinder angemessen zu sorgen.
Wir fordern Politik, Arbeitgeber und Gesellschaft auf, Frauen mit Behinderungen verstärkt in den Blick zu nehmen und sich für ihre verbrieften Rechte auf allen Ebenen einzusetzen.
Es muss dringend ein Bewusstseinswechsel erfolgen, denn es geht nicht um Mitleid und Almosen, sondern um verbriefte Rechte, wie sie die UN-Behindertenrechtskonvention im Artikel 6 vorsieht. Häufig sind Mädchen und Frauen mit Behinderungen mehrfacher Diskriminierung ausgesetzt.
„Wir sind die Lobby für Menschen mit Behinderungen, lenken aber heute den Blick insbesondere auf die Frauen mit Behinderungen“, so Anne Kleinschnieder, stellvertretende Bundesvorsitzende der AG Selbst Aktiv.
Mitgliederversammlung der AG Selbst Aktiv am 24.2.2022
Demokratie braucht Inklusion. Demokratie beruht auf der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen mit und ohne Behinderungen. Als Sozialdemokrat*innen wollen wir eine aktive demokratiefördernde und demokratiestärkende Kraft für alle sein – in der Politik, im Verwaltungshandeln, im zivilgesellschaftlichem und (partei-)politischem Engagement. Als AG Selbst Aktiv engagieren wir uns deshalb in und außerhalb der SPD für Partizipation, Inklusion, Barrierefreiheit und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in ihrer Vielfalt.
In unserer gut besuchten digitalen Selbst Aktiv-Mitgliederversammlung am 24. Februar 2022 haben wir uns mit dem Berliner Koalitionsvertrag und dem Landesgleichberechtigungsgesetz befasst. Referentin war Dr. Catharina Hübner, Projektleiterin der Monitoring-Stelle UN-BRK beim Deutschen Institut für Menschenrechte.
Koalitionsvertrag 2021 – 2026. Zukunftshauptstadt Berlin. Sozial. Ökologisch. Vielfältig. Wirtschaftsstark.
Frau Hübner lobte den Koalitionsvertrag, da dieser sich ausdrücklich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bekennt und Inklusion und Barrierefreiheit als Querschnittsaufgaben für alle Politikbereiche versteht. In der Diskussion wurde herausgestellt, dass wir Selbst Aktive es bedauern, dass der schrittweise Abbau von Sonderstrukturen zu wenig betont werde. Dieser Mangel zeigt, dass in unseren (politischen) Köpfen Inklusion noch nicht weit genug im Sinne von einer Gesellschaft für alle gedacht werde: selbstbestimmtes Wohnen anstatt fremdbestimmter besonderer Wohnformen, inklusive Schule anstatt von Förderschulen, ein inklusiver Arbeitsmarkt anstatt Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfbM). Von äußerster Wichtigkeit ist der parlamentarische Prozess zur Novellierung der Bauordnung: Wird diese dafür sorgen, dass die mit öffentlichen Geldern geförderten Neubauten alle barrierefrei sein werden? Angesichts des bereits bestehenden sehr hohen Mangels an bezahlbarem und barrierefreiem Wohnraum in Berlin ist dieses einfach zwingend. Auch müsse die vereinbarte Offensive für politische Bildung u.a. auch bei der Ausgestaltung des Jugenddemokratiefonds junge Menschen mit Behinderungen von Anfang an mit einbeziehen und diese für zivilgesellschaftliches Engagement und politische Beteiligungsprozesse empowern.
Landes-Gleich-Berechtigungs-Gesetz (LGBG)
Am 16. September 2021 hat das Berliner Abgeordnetenhaus das Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) neu beschlossen. Das LGBG ist die rechtliche Grundlage der Politik für Menschen mit Behinderungen in Berlin und dient dazu, die UN-Behindertenrechtskonvention hier umzusetzen. Das Gesetz selbst und die damit vorgeschriebene notwendige Bereitstellung von Ressourcen (Geld, Personal, etc.) ist aus inklusionspolitischer Sicht von zentraler Bedeutung: Der Berliner Senat und alle öffentlichen Stellen sind verpflichtet, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Rechte durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten.
Das LGBG regelt gemäß der Devise „Nichts über uns ohne uns“ die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an Entscheidungsprozessen und ihre Einflussnahme auf das politische und/oder verwaltungstechnische Ergebnisse (Partizipation). Mit Hilfe ihrer Präsentation „Partizipation im Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) Berlin – normative Grundlagen und praktische Erfahrungen“ verdeutlicht Frau Hübner die Grundsätze der Teilhabe und Partizipation u.a. in Gremien und Beiräten auf Landes- und Bezirksebene. Deutlich werden viele notwendige Verbesserungen.
Bisher sind die Menschen mit Behinderungen mit der politischen Partizipation in Berlin nicht sehr zufrieden. Das haben zahlreiche Befragungen ergeben, die für den 2021 veröffentlichten Bericht „Politische Partizipation von Menschen mit Behinderungen in Berlin. Erfahrungen, Herausforderungen und Handlungsempfehlungen“ (PDF-Download) durchgeführt wurden. Es ist die Aufgabe aller verantwortlichen Politiker*innen unser aller Aufgabe, bei der Umsetzung des LGBG die ernst gemeinte – über eine alibimäßige Beteiligung hinausgehende – Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in politische Entscheidungsprozesse besonders zu stärken. Damit Mitwirkung und Partizipation auf Augenhöhe gelingt, braucht es mehr finanzielle Ressourcen und mehr Barrierefreiheit – auch in den Köpfen von uns SPDler*innen.
Bessere Beteiligung von Menschen mit Behinderungen
Die Berliner AG Selbst Aktiv gratuliert der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Tempelhof-Schöneberg zur Stärkung der Beteiligungsrechte des bezirklichen Beirats von und für Menschen mit Behinderungen. Damit wird die Partizipation, Inklusion, Barrierefreiheit und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in ihrer Vielfalt auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) gestärkt. Besonderer Dank gebührt Janis Hantke, SPD-Bezirksverordnete und Vorsitzende des Ausschusses für Frauen-, Queer- und Inklusionspolitik, auf deren Initiative es zur Ergänzung der BVV-Geschäftsordnung gekommen ist. „Die neue Geschäftsordnung ist ein Vorbild für andere Bezirke“, betont Mechthild Rawert, Landesvorsitzende der AG Selbst Aktiv – Menschen mit Behinderungen in der SPD Berlin. „Die intensiven Bemühungen in Tempelhof-Schöneberg zeigen aber auch auf, wofür wir uns als AG Selbst Aktiv noch stark einsetzen müssen: Auch bezirkliche Beiräte von und für Menschen mit Behinderungen müssen in Zukunft durch Wahlen demokratisch legitimiert werden. Wir Selbst Aktive freuen uns auf die künftigen Diskussionen in den Berliner BVVen. Wir freuen uns auch auf eine diesbezügliche Beratung durch die Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
Wir haben einen „Inklusionsplan der SPD 2017 – 2023“
Unser Antrag zur Erstellung eines innerparteilichen Berliner SPD-Inklusionsplanes wurde auf dem Landesparteitag am 20.05.2017 beschlossenen und die damit verbundenen 11 Ziele wurden in der „Berliner Stimme“ am 18.11.2017 erläutert. Grundlegende Ziele sind dafür zu sorgen, dass SPDler*innen mit und ohne Beeinträchtigungen gleiche Chancen bei politischen Entscheidungsprozessen und für ein aktives Parteileben haben und dass die Behindertenpolitik als Querschnittsaufgabe ihren menschenrechtlich gebotenen Stellenwert in Politik und Verwaltungshandeln erhält. Mitarbeiter*innen des Kurt-Schumacher-Hauses haben dankenswerterweise die damit verbundene Aufgaben für alle Gliederungen operationalisiert.
Aus der „Allianz der Willigen“ muss eine „Allianz der zur Umsetzung Entschlossenen“ werden. Eine hohe Verantwortung für ein zügig zu implementierendes Disability Mainstreaming trägt u.a. der SPD- und der Selbst Aktiv-Landesvorstand sowie die entsprechenden SPD-Leitungsgremien auf Kreis- und Abteilungsebene.
Gedenken der Opfer der „Euthanasie“-Morde am 27.1.2022
Kranzniederlegung und Rede am Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde am 27.Januar 2022 durch Mechthild Rawert, Landesvorsitzende
Liebe Berlinerinnen und Berliner mit und ohne Beeinträchtigungen,
liebe Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Selbst Aktiv – Menschen mit Behinderungen in der SPD,
Holocaust-Gedenktag
am heutigen Holocaust-Gedenktag erinnern wir an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee vor 77 Jahren. Wir gedenken der weltweiten Opfer des nationalsozialistischen Unrechtsregimes. Wir schämen uns für die in der Vergangenheit existierende gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, schämen uns für den Antisemitismus und den Rassismus – die leider auch heute noch in verschiedensten Ausprägungen ihre Fratze zeigen.
Wir gedenken.
Wir trauern.
Wir mahnen.
Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ muss für uns alle kompromisslose Richtschnur unseres Handelns sein und bleiben. Wir dürfen nie wieder zuzulassen, dass Menschen ausgegrenzt, verfolgt und in ihrem Lebensrecht beschnitten werden“.
Wir Selbst Aktive fordern Inklusion von Anfang an. Denn Inklusion ist Demokratie. Unsere Politik und Gesellschaft müssen sich überall und zu jeder Zeit für eine diskriminierungsfreie Partizipation, Inklusion, Barrierefreiheit und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen mit Beeinträchtigungen in ihrer Vielfalt stark machen. So haben menschenverachtende Ideologien wie jene der Euthanasie heute und in Zukunft keine Chance.
Erinnerung und Wachsamkeit
Hier an diesem Ort in der Tiergartenstraße 4 befand sich ab April 1940 die Zentrale für die Organisation, die unter dem Decknamen „T4“ den Massenmord initiierte, koordinierte und durchführte. Die sogenannte Euthanasie war das erste systematische Massenverbrechen der Nazis. Sie gilt als Vorstufe zur Vernichtung der europäischen Juden.
Adolf Hitler gab mit einem auf den 1. September 1939 – dem Tag des Überfalls auf Polen, mit dem der Zweite Weltkrieg begann – zurückdatierten Schreiben unter dem Codenamen „Aktion T4“ die Ermächtigung zum systematischen Massenmord und Zwangssterilationen an Menschen, deren Leben die Nationalsozialisten als nicht lebenswert betrachteten.
Bereits bis 1941 wurden 70.000 Menschen in Anstalten vergast oder durch Medikamente und Giftspritzen getötet. Die sogenannte Euthanasie war das erste systematische Massenverbrechen der Nazis. Sie gilt als Vorstufe zur Vernichtung der europäischen Juden. Zwischen 1939 und 1945 wurden im Deutschen Reich und im deutsch besetzen Europa rund 300.000 Patient*ìnnen aus öffentlichen Heil- und Pflegeanstalten und ihren extra eingerichteten „Hungerhäusern“ sowie „rassisch“ und sozial unerwünschte Menschen als „lebensunwert“ perfide ermordet.
Die Täter*innen lebten unter uns Deutschen, waren Ärzte, waren Pflegekräfte. Viele lebten auch nach der NS-Zeit als geachtete Bürger*innen weiter unter uns.
Dunkle Schatten der Vergangenheit
Lange wurden die NS-„Euthanasie“-Verbrechen an Kindern und Erwachsenen mit Beeinträchtigungen oder unheilbaren Krankheiten an verschiedenen Orten Deutschlands und Europas verharmlost und verschwiegen. Die Ermordung von Menschen mit Behinderungen gehört mit zu den dunkelsten Geschichten Deutschlands. Es ist unser aller Aufgabe, zu gedenken, zu erinnern und zu mahnen. Nur mit der Erinnerung und Wachsamkeit ist es möglich, dass sich so unfassbare, so abscheuliche Verbrechen an der Menschheit und an der Menschlichkeit nicht wiederholen.
Wie lang die Schatten der Vergangenheit dauern, möchte ich an zwei Aspekten deutlich machen:
Erstens: Während der NS-Diktatur wurden rund 400 000 Menschen von den Nationalsozialist*innen zwangssterilisiert. Die Zwangssterilisation wurde aus „rassenhygienischen“ Gründen durchgeführt. Dieser Zwangseingriff prägte das Leben der Überlebenden ein Leben lang. Sie haben lange für eine angemessene Entschädigung sprich höhere Rente gekämpft. Als NS-Verfolgte anerkannt wurden sie nicht.
Erst 2007 hat der Deutsche Bundestag das Zwangssterilisationsgesetz des NS-Regimes geächtet. Und erst mit der Reform des Vormundschafts- und Betreuungsgesetzes 2021 gilt: Eine Betreuerin darf nur dann einer Sterilisation zustimmen, wenn die betreute Person das will, wenn er* oder sie* hierzu ausdrücklich Ja sagt.
Zweitens: Nach 1945 zählten die Opfer der Patient*innenmordaktion und Zwangssterilisation lange zu den vergessenen Opfern des Nationalsozialismus, die von der historischen Forschung kaum beachtet wurden. Die öffentliche Erinnerung an diese Massenmorde begann in Deutschland erst in den 1980-er Jahren. Erinnerung passiert nicht einfach so. Viele engagierte Menschen haben diese bewahrt und vermittelt. Auch Dank des Einsatzes vieler Bürger*innen beschlossen Bundesregierung und Bundestag 2011 die Einrichtung dieses öffentlichen Denkmals für die Opfer der Euthanasie und Zwangssterilisationen. Dieser Gedenk- und Informationsort für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde wurde am 2. September 2014 eröffnet.
Ich möchte einige der ermordeten Berliner*innen vorstellen und Ihnen somit ein Gesicht geben. Die Informationen entstammen dem 2011 geschaffenen virtuellen Gedenk- und Informationsort www.gedenkort-t4.eu:
I. Siegfried Gatzke wurde 10 Jahre alt
Siegfried Gatzke wurde am 12. August 1930 in Berlin geboren und am 11. Juni 1940 in der T4-Tötungsanstalt Brandenburg/Havel ermordet.
In diesem Juni 1940 wurden mit ihm insgesamt 1.431 Menschen ermordet. Die Tötung der Menschen erfolgte mit Kohlenstoffmonoxid. Die Gaskammern waren als Duschen getarnt. Die Bedienung des Gashahns war den vorgesetzten Ärzten vorbehalten, im Laufe der Aktion wurde er jedoch auch häufig von nichtärztlichem Personal bedient.
Gedenken: Ein Stolperstein für Siegfried Gatzke wurde 2004 in der Courbierestraße 15 in Berlin-Schöneberg verlegt. Weitere Informationen
II. Herta Martha Wieland (geb. Ostwald) wurde 35 Jahre alt
Herta Martha Wieland (geb. Ostwald) wurde am 22.03.1909 in Berlin geboren und wurde am 25.03.1944 in Teupitz (Brandenburg) ermordet.
Herta Martha Ostwald hatte drei Geschwister. Sie heiratete am 7. März 1936 den Schlosser Helmut Hermann Karl Wieland. Sie zogen nach Treuenbrietzen und bekamen vier Kinder. Ihr Mann Helmut war seit 1941 im Krieg an der belgischen Front. Zusammen mit den Kindern zog sie erst nach Stahnsdorf, dann nach Potsdam um.
Am 19. März 1944 erfolgte aus heute unbekannten Gründen eine Einweisung in die Heil- und Pflegeanstalt Teupitz, 3 Kinder kamen ins Kinderheim, die Jüngste blieb bei ihr. In der Familie wurde später von epileptischen Anfällen gesprochen. In der Sie starb wenige Tage später, am 25.3.1944 um 8.45 Uhr Tod in der Heil- und Pflegeanstalt Teupitz. Ihr Mann war auf Fronturlaub und besuchte gegen Mittag noch einmal die Klinik: Da wird ihm nur ihr Tod und als Todesursache: „Entkräftung bei Geisteskrankheit“ mitgeteilt. Herta Martha Wieland war am Tag ihrer Einweisung 6 Tage vorher körperlich vollkommen gesund und bei Kräften. Die tatsächliche Todesursache war vermutlich eine Luminol- oder Luftspritze. Der Ehemann sagte später: „Die haben sie gespritzt“, wie sich eine Tochter erinnerte. Weitere Informationen
III. Walter Keiner wurde 26 Jahre alt
Walter Keiner wurde am 15. Juli 1904 in Berlin geboren und am 15.07.1940 in Brandenburg/Havel (Brandenburg) vergast.
Walter Keiner erkrankte im Alter von anderthalb Jahren an Hirnhautentzündung. Als Folge dieser Erkrankung wurde ihm ein Hirnschaden attestiert und er litt er seit früher Kindheit unter Epilepsie. Er war auf dem linken Ohr taub und auf dem rechten schwerhörig. Anlässlich seiner Aufnahme in die Wittenauer Heilstätte 1940 wurde die Intelligenz und sein Wissen bewertet. Dem 26-jährigen wurde das „Wissen und Intelligenz eines Neunjährigen“ bescheinigt.
Seit seinem fünften Lebensjahr war Walter Keiner (mit mehreren Unterbrechungen) in Anstalten untergebracht. Im Laufe seiner gesamten „Anstaltskarriere“ kam es immer wieder zu Beschwerden der Eltern über die Behandlung von Walter in den diversen Einrichtungen. Sie führten einen Kampf gegen Anstaltsleitungen, Pflegepersonal und Behörden, u.a. weil sie sich dagegen stellten, dass Walter geschlagen oder misshandelt wurde, darauf hinwiesen, dass Walter kein Fürsorgezögling sei, was ihnen die Einstufung „einsichtslose, querulantische Eltern“ einbrachte. Das Pflegepersonal beschrieb Walter als schwierigen, sehr reizbaren und jähzornigen Patienten. Die Eltern holten Walter in den 1930er-Jahren wiederholt für einige Tage nach Hause, zumeist an Feiertagen wie Weihnachten, Ostern oder Pfingsten. Ein Versuch, Walter ganz nach Hause zu holen, scheiterte im Jahr 1929.
Walter Keiner wurde als einer von mehr als 70.000 psychisch kranken und geistig behinderten Menschen vergast. Weitere Informationen
IV. Sigrid Röhling wurde 2 Jahre alt
Sigrid Röhling wurde am 03.04.1941 in Berlin geboren und am 21.07.1943 in Berlin ermordet. Sie hatte eine Schwester, die Mutter war mit dem dritten Kind schwanger, als sie für ihre letzten acht Monate ihres Lebens in die Städtischen Nervenklinik für Kinder „Wiesengrund“ gebracht wurde, wo sie auch starb.
Ihr erstes Lebensjahr verlebte Sigrid bei der Familie. Die Eltern beobachteten schon kurz nach ihrer Geburt Krampfanfälle, die ab dem fünften Lebensmonat zunehmend stärker und häufiger auftraten. Mit fünf Monaten kam sie deshalb zur Beobachtung ins Säuglingsheim Weißensee, wo eine geistige Behinderung (Debilitas) und Krampfanfälle festgestellt wurden. Mit zehn Monaten wurde sie in der Kinderpoliklinik der Charité vorgestellt. Hier lautete die Diagnose „Idiotie“.
Sigrid wurde dem „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“ gemeldet. Wenig später wurde sie einem der drei Gutachter, die für den „Reichsausschuss“ Kinder hinsichtlich ihres „Lebenswerts“ begutachteten; „lebensunwerte“ Kinder wurden in eigens eingerichtete „Kinderfachabteilungen“ zur Tötung eingewiesen.
Der Pflegebericht beschreibt Sigrids letzte Monate: Von Anfang an war sie ein sehr unruhiges und weinendes Kind. Sie hatte Häufig Fieberschübe und musste sich erbrechen. Es traten sich steigernde Krampfanfälle auf. Zwei Monate nach der Aufnahme in der Klinik wurde Sigrid auf den Heimkostensatz gesetzt, der viel geringer als der normale Kliniksatz war.
Sigrid gehörte im „Wiesengrund“ zu den Kindern, an denen ein neuer Tuberkuloseimpfstoff erprobt wurde. Dazu wurden Kinder mit abgetöteten Tuberkelbazillen geimpft, um die Reaktion auf die Impfung zu beobachten. Die Impfstellen entwickelten sich zu stark eiternden Geschwüren, die den Kindern unsägliche Qualen bereitet haben müssen. Außerdem wurden bei Sigrid Luftencephalografien vorgenommen, eine schmerzhafte und gefährliche Untersuchungsmethode, die dazu diente, Röntgenaufnahmen des Gehirns machen zu können. Nach der zweiten Encephalografie erlitt Sigrid einen schweren Krampfanfall, an dem sie verstarb.
Nach ihrem Tode wurde ihr Körper obduziert. Der Mutter, die Informationen über das Sektionsergebnis wünschte, wurde mit entschuldigenden Worten mitgeteilt, dass der Bericht noch nicht vorliege, jedoch kein erbliches Leiden bestanden habe.
Gedenken: Für Sigrid Röhling wurde ein Stolperstein vor dem Ort ihrer Ermordung am Eichborndamm 240 verlegt. Weitere Informationen
V. Wolfgang Götz Zerban wurde 3 Jahre als
Wolfgang Götz Zerban wurde am 26.01.1941 in Berlin geboren und am 23.07.1944 in Starogard Gdański (Pomorskie) ermordet.
Wolfgang Götz Zerban war das zweite von insgesamt 6 Kindern. Er wurde mit dem Down Syndrom geboren und wuchs die ersten beiden Lebensjahre im Elternhaus in Berlin Schmargendorf auf. Im Sommer 1943 wurde die Mutter mit ihren drei Kindern nach Tolkemit (Landkreis Elbing Westpreussen) evakuiert. Der Vater, ein Oberregierungsrat im Reichsarbeitsministerium, blieb in Berlin und besuchte seine Familie nur zeitweilig.
Mit dem vierten Kind schwanger ersuchte Wolfgangs Mutter im Herbst 1943 um seine Aufnahme in einer Anstalt, da sie offenkundig mit der Betreuung des Kindes in der prekären Situation und unsicheren Wohnsituation überfordert war und sich um das Wohl des ungeborenen Geschwisterkindes sorgte. Wolfgang kam in die sog. „Kinderfachabteilung“ der Heil- und Pflegeanstalt Konradstein in Preußisch Stargard.
Die Krankenakte beschreibt das zweijährige Kind als „boshaft“, „widerspenstig“ und „zerstörungswütig“. Für Wolfgang begann ein Martyrium mit mehreren Infekten, Hinweise auf eine medizinische Behandlung oder Linderung von Beschwerden finden sich nicht.
Auch Wolfgang Götz Zerban sollte ein Opfer der menschenverachtenden NS-Ideologie werden, die Behinderte für „lebensunwert“ hielt, die es aus rassenhygienischen Gründen „auszumerzen“ gelte. Er wurde zu einem sogenannten „Reichsauschusskind“: In einem Bericht an den „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ vom 31.3.1944 konstatierte der Anstaltsdirektor eine „Erziehungsunfähigkeit“ und schließt lapidar mit „Diagnose: Mongolismus, Prognose: Aussichtslos.“ Solche Meldebögen wurden In der Unterabteilung IIb der Kanzlei des Führers bearbeitet und dann an die drei vom Reichsausschuss bestellten Gutachter weitergegeben. Diese entschieden über jeden einzelnen Fall aufgrund der Meldebögen: Wolfgang Zerban wurde mit dem Merkzeichen „+“ als Euthanasiefall zur „Behandlung“ und damit Ermordung „freigegeben“.
Im Juni 1944 spricht die Krankenakte von „zunehmender Verschlechterung des Gesamtzustandes, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust.“ Als Todesursache findet sich in der Krankenakte Drüsentuberkulose.
Zur Erläuterung: Der „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“ war praktisch eine 1939 eingerichtete Tarnorganisation zur Durchführung zunächst der Kinder- und später auch der Erwachsenen-Euthanasie. Er war streng geheim und direkt bei der Kanzlei des Führers angesiedelt. Ab August 1939 war es für Ärzte und Hebammen Pflicht, „missgestaltete usw. Neugeborene“ und Kinder zu melden, angeblich zur „Klärung wissenschaftlicher Fragen“. Anhand der Meldebogen, ohne Kind oder Krankenakte gesehen zu haben, wurde in der Führer-Kanzlei von drei „Gutachtern“ des „Reichsausschusses“ entschieden, wer zur Tötung bestimmt war. Dazu wurden ab Oktober 1939 „Kinderfachabteilungen“ in bestehenden Anstalten eingerichtet. Weitere Informationen
VI. Marie Beuster (geb. Kersten) wurde 66 Jahre alt
Marie Beuster (geb. Kersten) wurde am 18.02.1878 in Berlin geboren und am 13.04.1943 in Meseritz (Międzyrzecz) (Województwo Lubuskie) ermordet.
Marie Kersten besuchte die Volksschule und erlernte den Beruf einer Zuschneiderin. 1901 heiratete sie und bekam 1904 einen Sohn. Nach Aussagen des Ehemannes ist die Ehe glücklich gewesen.
Am 18. Mai 1907 wurde die 29-jährige Marie Beuster das erste Mal in dien Wittenauer Heilstätten (heute Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik) aufgenommen. Die Diagnose des Arztes lautete: „Schizophrenie“. Sie wurde nach 278 Tagen „mit gebessertem Zustand“ entlassen. Die zweite Einweisung erfolgte erst mehr als 30 Jahre später, am 11. November 1939. Im Aufnahmebericht heißt es: „Wurde zwei Tage vor der Einweisung auffällig. Sprach sehr viel.“ Von August bis November 1940 war Marie Beuster wieder zu Hause, wurde dann aber erneut eingewiesen, da die Pflege durch den Ehemann nicht mehr gewährleistet werden konnte. In Wittenau wurde sie anfänglich mit Hausarbeiten, später mit dem Zupfen von Lumpen beschäftigt. Das Krankheitsbild von Marie Beuster wurde am 15. Januar 1943 wie folgt beschrieben: „Verschlechtert sich mehr und mehr, leistet kaum noch Arbeit. Vorgeschlagen zur Verlegung in die Provinz.“
Am 29. Januar 1943 wurde Marie Beuster in die Heil- und Pflegeanstalt Obrawalde bei Meseritz (rund 150 Kilometer östlich von Berlin, heute in Polen gelegen) deportiert. Die Anstalt Obrawalde war unter den Nationalsozialisten eine Tötungsanstalt, in der mehrere Tausend psychisch kranke Menschen ermordet wurden.
Die Umstände ihres Todes lassen darauf schließen, dass die nicht mehr arbeitsfähige, alte und kranke Frau kurz nach ihrer Ankunft in Obrawalde mit einer Überdosis Medikamenten vergiftet wurde. Weitere Informationen
VII. Helmut Deutschmann wurde 21 Jahre alt
Helmut Deutschmann wurde am 01.01.1921 in Berlin geboren und am 27.04.1944 in Meseritz (Międzyrzecz) (Województwo Lubuskie) ermordet.
Er hatte keinen Beruf und wohnte in der Feurigstraße 23 bei seinen Eltern. Am 9.1.1943 wurde er in Rahnsdorf von einem Straßenbahnschaffner aufgegriffen, als er ohne Geld die Straßenbahn bestieg. Der Schaffner übergab ihn der Polizei. Im Polizeigefängnis wurde er auf seinen Geisteszustand hin untersucht, das Ergebnis – „gemeingefährliche Geisteskrankheit“ – führte zur Überweisung in die Wittenauer Heilanstalten. Der Aufnahmearzt stellte fest, dass Helmut Deutschmann taubstumm war und weder lesen noch schreiben konnte. Seine Mutter setzte schließlich durch, dass er am 9.2.1943 entlassen wurde und wieder zu Hause wohnen konnte.
Nach ihrem baldigen Tod konnte sein Vater nicht mehr für ihn sorgen. Er wurde erneut nach Wittenau gebracht. Helmut Deutschmann galt als „schwieriger“ Patient, da er nicht lautsprachlich kommunizieren konnte. So wurde er am 11.3.1944 zur Verlegung nach Meseritz-Obrawalde vorgeschlagen, was am 26.4.1944 auch geschah. Nur einen Tag später starb er dort. Vermutlich wurde Helmut Deutschmann Opfer der in Meseritz-Obrawalde verübten Morde durch die Gabe von Überdosen von Medikamenten. Weitere Informationen
VIII. Dagmar Ullrich wurde 1 1/2 Jahre alt
Dagmar Ullrich wurde als uneheliches Kind am 26.10.1941 in Berlin geboren und starb am 10.01.1943 in Berlin.
Dagmar kam in der Landesfrauenklinik Neukölln im Mariendorfer Weg in einer normalen Geburt zur Welt. Das mehrfach behinderte Kind wurde zumeist privat betreut, war aber auch einige Wochen im Waisenhaus in der Alten Jakobstraße in Berlin-Kreuzberg. Auf Veranlassung des „Reichsausschusses zur Erfassung erb- und anlagebedingter schwerer Leiden“ wurde Dagmar Im Juni 1942 in die Städtische Nervenklinik für Kinder in Berlin-Wittenau aufgenommen.
Im Aufnahmebefund wurde Dagmar als geistig und körperlich nicht altersgemäß entwickeltes Kind mit einer auffallenden Mikrocephalie beschrieben. Auf die Ärztin der Städtischen Nervenklinik machte die Mutter „einen ganz geweckten, sympathischen Eindruck“, die im Aufnahmegespräch die Hoffnungslosigkeit des Falles einsah und wünschte, dass das Kind lieber nicht am Leben bliebe.
An Dagmar wurden im November 1942 drei Mal eine Luftencephalografie vorgenommen. Der Austausch des Gehirnliquors mit Luft diente der Herstellung möglichst kontrastreicher Röntgenbilder des Schädels. Dieser bei Kindern häufig vorgenommene Eingriff war für die Kinder nicht ohne Risiko, sehr schmerzhaft und oft mit mehrtägiger Übelkeit verbunden.
Am 29. Dezember 1942 wurde Dagmar, wie viele ihrer Leidensgenossen, mit abgetöteten TBC-Bakterien geimpft. Nach dieser Impfung war sie laut Pflegedokumentation mehrere Tage hintereinander sehr unruhig, was sich in stundenlangem Schreien und Weinen äußerte. Eine Nahrungsaufnahme verweigerte sie. Aufgrund der Unruhe erhielt sie mehrere Tage hintereinander Luminaletten (Schlafmittel).
Am 10. Januar 1943 um 16:30 Uhr verstarb Dagmar Ullrich in der Nervenklinik „Wiesengrund“. Weitere Informationen
Verantwortung: Wer ist ein Zeitzeuge? Wer ist eine Zeitzeugin?
Es ist unsere Aufgabe als Demokrat*innen, als Sozialdemokrat*innen wachsam gegenüber Unmenschlichkeit zu sein und uns aktiv gegen Ausgrenzung, Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu stellen.
Es gilt, jedem Menschen ein Gesicht zu geben, niemanden aufgrund von Behinderung, Geschlecht, Herkunft, Glauben, sexueller Identität zu diskriminieren. Wir lehnen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ab.
Jeder Einzelne ist ein Zeitzeuge, jede Einzelne ist eine Zeitzeugin.
Die überlebenden Opfer und Täter aus den Zeiten der NS-Diktatur sterben aus. Nicht aber die Verantwortung gegen eine nationalsozialistische Indoktrin anzukämpfen. Wir stehen in der Verantwortung, den Schrecken der Nazi-Zeit nicht dem Vergessen anheim gehen zu lassen. Wir alle stehen in der Verantwortung für das „Nie wieder“.
PM zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen 2021
AG Selbst Aktiv in der SPD Berlin: „Partizipation von Anfang an“
Politische Entscheidungsprozesse betreffen Menschen mit und ohne Behinderungen – allerdings häufig mit sehr unterschiedlichen Wirkungen. Damit tatsächlich alle Bürger*innen die gleichen Chancen auf Selbstbestimmung und soziale Teilhabe, auf Verwirklichung von Lebensträumen haben, müssen Verantwortliche in Politik und Verwaltung ressortübergreifend diese unterschiedlichen Wirkungen bei allen Entscheidungsprozessen im Blick haben.
Für uns Sozialdemokrat*innen sind Inklusion und Barrierefreiheit aktiv umzusetzende Querschnittsaufgaben in allen politischen Bereichen. Wir übernehmen Verantwortung dafür, dass vorhandene Benachteiligungen, Diskriminierungen und Barrieren für Menschen mit Behinderungen u.a. beim Wohnen und in der Mobilität, in Wirtschaft und Arbeit, im Gesundheitswesen, in Bildung und Digitalisierung zügig abgebaut und neue verhindert werden.
Als AG Selbst Aktiv – Menschen mit Behinderungen in der SPD Berlin setzen wir uns in unserer Partei, in Politik und Gesellschaft aktiv für Inklusion und eine umfassende Barrierefreiheit ein. Wir unterstützen Menschen und Organisationen, sich politisch einzubringen und somit Lebensbedingungen politisch selbst mitzugestalten. Wir stehen im kontinuierlichen Austausch mit politischen Entscheidungsträger*innen, um zu erfahren, wie diese das Partizipationsgebot der UN-Behindertenkonvention und des Landesgleichberechtigungsgesetzes in ihrer politisch-fachlichen Arbeit umsetzen.
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