Kultur ist für alle da!
Der Fachausschuss Kulturpolitik hat die Aufgabe, politische Rahmenbedingungen für die einmalige Kulturlandschaft Berlins im Sinne der sozialdemokratischen Kernthemen zu gestalten und mit den vorhandenen Potenzialen zukunftsgewandte Positionen und nachhaltige Konzepte zu erarbeiten.
Der Fachausschuss steht im versierten Dialog mit Experten und Expertinnen aus der Politik, kulturpolitisch Interessierten und den Akteurinnen und Akteuren aus Kunst und Kultur. Dazu bietet der Fachausschuss Diskussionsrunden und öffentliche Veranstaltungen an.
Neben den fachlich ausgewiesenen SPD-Mitgliedern und ExpertInnen aus der Stadtgesellschaft ist die Mitarbeit im Fachausschuss für interessierte und thematisch angebundene Nichtmitglieder offen.
Vorstand
Vorsitzende (Doppelspitze):
- Wibke Behrens
- Frank Jahnke
Stellvertretende Vorsitzende:
- Hella Dunger-Löper
- Nicole van Delft
Schriftführer:
- Bastian Follmann
Beisiter*innen:
- Moritz Brüggemeier
- Daniel Buchholz
- Tilmann Häußler
- Siegfried Heimann
- Kai Heinze
- Christian Johann
- Julian Kamphausen
- Karin Korte
- Melanie Kühnemann-Grunow
- Barbara Scheffer
Kontakt
Sitzungen und Termine
Informationen zu Sitzungen und Terminen des Fachausschusses erhalten Sie per E-Mail an zielgruppen.berlin@spd.de.
Protokolle
Berichte und Themen
Bund fördert Berliner Kultur
Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat in seiner
Bereinigungssitzung zusätzliche Mittel für die Hauptstadtkultur
beschlossen. Darauf weist der Berliner Haushaltsexperte Swen
Schulz (SPD) hin.
Kulturpolitik in Zeiten der Corona-Krise
Während der Corona-Krise geht es politisch auch darum, die einmalige Berliner Kunst- und Kulturszene zu unterstützen. Der SPD-Landesvorsitzende und Regierende Bürgermeister von Berlin hat dem Fachausschuss in einem Brief die Maßnahmen des Berliner Senats erläutert. Die SPD-Bundestagsfraktion führt in einem Papier die Unterstützung des Bundes für Kultur- und Medienschaffende auf.
Umfrage in den Bezirken zur Kulturarbeit
Kulturelle Mehrsprachigkeit in der Kulturarbeit
Müssen wir neue Weichen stellen?
Ein kulturpolitisches Fachgespräch mit Frau Professor Sigrid Weigel, Autorin der Studie „Transnationale Auswärtige Kulturpolitik. Jenseits der Nationalkultur. Voraussetzungen und Perspektiven der Verschränkung von Innen und Außen“.
19.02.2020 – im Kurt-Schumacher-Haus, SPD Berlin
„Ein Werk des Friedens inmitten des Krieges“ nannte der württembergische König Wilhelm II. das Deutsche Ausland-Institut bei dessen Eröffnung im Jahr 1917. Nach der späteren Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten wurde es schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg als Institut für Auslandsbeziehungen, kurz ifa, neu gegründet. Bundespräsident Theodor Heuss bezeichnete es als eine „Elementarschule für den Verkehr mit dem Ausland“. Heute agiert es als „Kompetenzzentrum der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik“ das „sich weltweit für ein friedliches und bereicherndes Zusammenleben von Menschen und Kulturen“ einsetzt, wie es auf der Instituts-Homepage heißt.
Die Studie „Transnationale Auswärtige Kulturpolitik – Jenseits der Nationalkultur“ ist ein Ergebnis dieses Engagements. Sie benennt „Voraussetzungen und Perspektiven der Verschränkung von Innen und Außen“ und war Grundlage eines Kulturpolitischen Fachgesprächs in der Berliner SPD-Landeszentrale. Barbara Anne Scheffer, Vorsitzende des SPD-Fachausschusses Kulturpolitik, begrüßte dort Prof. Dr. Sigrid Weigel. Die Germanistin und ehemalige Leiterin des Leibnitz-Zentrums für Literatur- und Kulturforschung ist die Autorin des Werks.
Weigel bezeichnet die Studie als Plädoyer für eine Aufwertung der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik (AKBP) und für ein ressortübergreifendes Handeln, das die Expertise äußerer und innerer Akteure gleichermaßen miteinbezieht. So wie sich Ziele und Aufgaben des Auftraggebers der Studie im Laufe der Zeit geändert haben, unterlag auch die AKBP einem ständigen Wandel. Galt sie in den 1970er Jahren – neben Diplomatie und Militär – als dritte Säule der Außenpolitik, als „Soft Power“, d. h. als „weiche Macht“, erfuhr sie im Zuge der Globalisierung eine Ausweitung ihres Auftrags. Diese, so Weigel, gelte es jedoch zu konkretisieren und dafür wiederum sei Weltoffenheit nötig.
Tatsächlich jedoch macht die Autorin einen Konflikt aus, zwischen den „heeren“ Zielen der AKBP auf der einen und den Wettbewerbsinteressen der deutschen Industrie auf der anderen Seite. Konkret verweist Weigel auf Auslands-Reisen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, bei denen es neben der oft genannten „Beseitigung von Fluchtursachen“ – z. B. um die Gewinnung von Lithium gehe. Letztere ist nicht selten mit der Zerstörung von Lebensgrundlagen der einheimischen Bevölkerung verbunden – Menschenrechte und immaterielle Werte, welche die AKBP vertreten soll, bleiben dagegen nicht selten auf der Strecke.
Weigel fordert deshalb einen „regelförmigen kulturpolitischen Check außenpolitischer Maßnahmen“ und das Anhören von AKBP-Akteuren z. B. bei der Einführung eines neuen Einwanderungsgesetzes. Vor dem Hintergrund ungleicher Bedingungen hält sie auch die als notwendig erachtete Wechselseitigkeit der Beziehungen mit dem Ausland für einen Widerspruch. Um diesen aufzulösen, fordert sie einen ergebnisoffenen Austausch auf Augenhöhe. „Center for Political Culture“, in denen z. B. über Sozialsysteme gesprochen werden könne, seien hierfür ebenso geeignet wie „Zentren für Restitutionsfragen“, die sich allerdings um mehr als nur die Rückführung von Kulturgütern in deren Herkunftsländer kümmern sollten. Es gelte das tief verwurzelte Überlegenheitsgefühl zu überwinden, mit dem Deutschland auswärtigen Partnern heute noch begegne, was auch im vordergründig so positiv klingenden Begriff „Kulturnation“ zum Ausdruck komme. Lege dieser doch schließlich indirekt nahe, dass andere Länder und Menschen aus anderen Ländern kulturell weniger zu bieten hätten. Doch auch Deutschland selbst müsse sich in der internationalen Diskussion über Kultur- und Bildungsfragen behaupten. Ein Wissenschaftsverlag, der fremdsprachige Übersetzungen deutscher Publikationen vertreibt, könne hierzu laut Weigel einen wichtigen Beitrag leisten. Schließlich seien derzeit Veröffentlichungen aus dem angloamerikanischen Raum tonangebend. Deutsche Denk-Traditionen hingegen fänden im weltweiten Wissenschaftsbetrieb hingegen kaum Berücksichtigung.
Auf europäischer Ebene, so Weigel, sei Kultur- und Bildungspolitik derzeit vor allem ein Mittel der Krisenkompensation. Je geringer der Zusammenhalt auf anderen Politikfeldern sei, desto stärker würden Gemeinsamkeiten in diesem Bereich betont – als kleinster gemeinsamer Nenner so zu sagen. Tatsächlich sei die europäische Kultur jedoch keineswegs homogen, sondern, ganz im Gegenteil, sehr vielfältig. Häuser für europäische Geschichte in jedem EU-Land könnten dazu beitragen, diese kulturelle Mehrsprachigkeit wiederzuentdecken.
Der Einladung zu dem Fachgespräch war eine ganze Reihe von Berliner Akteuren, allesamt Experten*innen des Kultur- und Bildungsbereichs sowie der Bundes- und Landesebene gefolgt. Im Verlauf des von der deutsch-pakistanischen Schriftstellerin Sarah Khan-Heise moderierten Abends wurden einige konkrete Handlungsfelder deutlich. In diesem Zusammenhang fiel u. a. der Begriff der „connected history“. Gemeint ist der Blick speziell auf diejenigen historischen Zeiträume und Begebenheiten, die Deutschland und seine auswärtigen Partner verbindet. Solche Verknüpfungen gebe es in großer Zahl und diese gelte es zu nutzen. Begriffe von „Leitkultur“ und „Unverhandelbarem“ denen sich Migranten zu unterwerfen hätten, würden einem unvoreingenommenen Austausch dagegen widersprechen. Wichtig sei, das Expertenwissen auswärtiger Akteureinnen auch dem Inland zu Gute kommen zu lassen. So könnten z. B. die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Goethe-Institute nach Beendigung ihrer Arbeit vor Ort an inländischen Stellen eingesetzt werden, die sich um das Verständnis der Kultur Hinzugezogener bemühen. Wie solche Bemühungen ganz konkret aussehen können, zeigt das Beispiel des syrischen Exilorchesters. Die Musikerinnen und Musiker des noch jungen, in Bremen gegründeten, Klangkörpers, gelten als ausgezeichnete Botschafter der Kultur ihres Heimatlandes.
In Berlin liegt der Gedanke an die Barenboim-Said-Akademie mit dem West-Eastern Diva Orchestra nahe. Auf solchen Prestige-Projekten mahnte Sigrid Weigel, dürfe man sich zwar nicht ausruhen, doch dass Musik ganz hervorragend als gemeinsame Sprache geeignet sei, darin war sie und die vielen Experten*innen sich einig.
Um in dieser Richtung nicht nur punktuell, sondern flächendeckend weiterzukommen, müssen aber wohl tatsächlich noch einige Weichen gestellt werden und noch mehr Akteure auf den Zug der kulturellen Mehrsprachigkeit aufspringen. Veranstaltungen, wie das kulturpolitische Fachgespräch auf hohem Niveau tragen dazu bei, kulturpolitische Zustände zu analysieren und Veränderungen anzustoßen und umzusetzen.
Präsentation / Informationen zur Club-Kultur
Kultur braucht Räume! – im wahrsten Sinne des Wortes
Es geht nicht um den abstrakten Raum, sondern um konkrete Räume/Häuser/ Ateliers für Künstler*innen in Berlin: Musik- und Clubszene, Bibliotheken, Musikschulen und Freie Szene u.a.m.
In den großen Städten und Agglomerationen – deren Entwicklung schon seit Jahren und weltweit durch starkes Bevölkerungswachstum und Verdichtung gekennzeichnet ist – erhöht sich nicht nur der Druck auf den Wohnungsmarkt. Auch die Verfügbarkeit von Räumen für Kulturschaffende aller Sparten wird immer geringer, der Zugang immer teurer.
Nicht erst durch die These Richard Floridas These, Kreative seien der entscheidende Schlüsselfaktor für wirtschaftliches Wachstum in post-industriellen Städten, sondern schon seit Jahrhunderten wird die Rolle von Kulturschaffenden für die gesellschaftliche Entwicklung, für die Qualität des Lebens in Städten – großen wie kleinen – im Sinne einer positiven Urbanität diskutiert worden. Ergebnis ist immer wieder die Bestätigung, dass Kultur und Stadt oder Kommune in einer vielschichtigen und intensiven Symbiose existieren, deren einseitige Verdrängung verheerende Auswirkungen hat.
Deshalb müssen Räume für Kultur gesichert und ausgebaut werden. Die Bedrohung des Rockhauses vor wenigen Monaten sollte auch für Berlin noch einmal ein Weckruf gewesen sein. Wäre die Erhaltung nicht gelungen, wäre eine Lücke an Probenräumen ist Berlin entstanden, die auch eine Millionenmetropole nicht hätte schließen können.
Der Landesmusikrat hat schon seit Jahren auf die schwierige Raumsituation hingewiesen und gefordert, daß Räume für Musik, und natürlich auch die anderen Kultursparten gesichert und auch neugeschaffen werden müssen, wenn z.B. neue schulische Infrastruktur entsteht.
Von der Notwendigkeit von Raumverbünden für Musikschulen bis zu intelligenter Mehrfachnutzung öffentlicher Immobilien muss die Debatte geführt werden. Die statistischen Grundlagen liegen vor.
Sei es unter dem Rubrum der „Urbanität“, sei es als eine besondere Form der „Daseinsvorsorge“ oder auch unter Stichworten wie „Der dritte Ort“, der derzeit sehr stark ausgerichtet auf Bibliotheken diskutiert wird, oder unter Begriffen wie „Stadtrendite“, das Thema muss bewegt werden! / HDL
Kulturelle Mehrsprachigkeit in der Kulturarbeit
Besuch der Spandauer Zitadelle des SPD-Fachausschusses Kulturpolitik am 15. Mai 2019
Der Fachausschuss XII. Kulturpolitik/ SPD-LV hat als Sommertermin zum 15. Mai 2019 in die Zitadelle Spandau eingeladen. Nach herzlicher Begrüßung durch die Vorsitzende Barbara Scheffer und dem Fachbereichsleiter Kultur im Bezirksamt Spandau, Herrn Dr. Ralf F. Hartmann, wurden wir durch Herrn Hartmann hoch professionell auf unserem Gang durch die wunderbaren Ausstellungen begleitet.
Die Zitadelle Spandau ist vollständig restauriert worden und es stehen für den Museumsbereich, wie für Ausstellungen, sehr viele neue Flächen zur Verfügung. Wir begannen mit der Ausstellung “Enthüllt! Berlin und seine Denkmäler”. Vom Aufstieg Preußens vor 1871 bis zum Mauerfall erstreckt sich die in fünf Zeitstufen gestaffelte Monumentalausstellung von rund 100 Berliner Denkmalen, die im Laufe der Zeit versetzt, umgestaltet, beschädigt, abgebaut und in Depots verbannt oder sogar vergraben wurden. Sie sollen die Geschichte der Stadt erzählen. Die folgende Skulpturenausstellung im Haus 8 der Zitadelle ist berlinweit einzigartig. Skulpturen von mehreren 100 Jahren sind dort ausgestellt. Eine besondere Attraktion ist der liegende Kopf des Ost-Berliner Lenin-Denkmals von Nikolai Tomski von 1970. Sehr beeindruckend.
Ergänzt wird die Dauerausstellung durch zwei Sonderausstellungen, einer Vertiefungsebene und einer zeitgenössischen Darstellung durch neun Künstlerinnen und Künstler aus Berlin und dem europäischen Ausland, u.a. die hervorragenden neuen Ausstellungen mit Malereien der Leipziger Schule (u.a. Bernhard Heisig und Neo Rauch) und die wunderbare Retrospektive “Clemens Gröszer-Die Portraits”. Es war ein lehrreicher und spannender Gang durch die Berliner Kulturgeschichte.
Nach einem abschließenden Besuch im Juliusturm mit einem hervorragenden Blick über Spandau bedankte sich der Vorsitzende der SPD-Fraktion Spandau und Mitglied im SPDFachausschuss Kultur Christian Haß bei Dr. Hartmann für die gute kulturpolitische Begehung. Anschließend zog sich der Fachausschuss zu einer lebhaften Diskussion in die zünftige Schänke der Zitadelle zurück.
Das Humboldt-Forum – so authentisch wie der Kölner Dom?
Der Fachausschuss XII Kulturpolitik hat am 9. Juli 2018 zu einer Besichtigung des Humboldt-Forums eingeladen. Unter der Führung von Herrn Wilhelm von Boddin, Geschäftsführer des Fördervereins für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses, erlebten wir einen Rundgang voller Geschichte mit Blick auf ein zukünftiges erstrangiges kulturelles Zentrum im Mittelpunkt Berlins.
Seit dreißig Jahren setzt sich Wilhelm von Boddien, ursprünglich Landmaschinenhändler aus Schleswig-Holstein, für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses ein. Nun steht er vor der mit von ihm aufgetriebenen Spendenmitteln finanzierten Schlossfassade voller Stolz über die Verwirklichung seines Lebenstraums und erläutert überaus sachkundig am 9. Juli 2018 dem Fachausschuss Kultur beim Landesvorstand der SPD, was hier völlig unberlinerisch termin- und kostengerecht der Fertigstellung im kommenden Jahr entgegen gebaut wird.
Den kritischen Blicken und Fragen entgegenarbeitend erläutert er die engen Bezüge zu den nach dem Schloss erbauten Umgebungsbauwerke wie den Dom, das Alte Museum, die Alte Nationalgalerie etc., die mit ihren Achsen kongenial auf den Schlossbau abgestimmt sind und in den Sichtachsen der Portale bzw. den Linden stehen. Erst durch den Wiederaufbau des Schlosses entstünde ein städtebauliches Ganzes, werde die Wunde des Weltkrieges und des Abrisses unter SED-Regie geheilt. Deshalb sei die Authentizität bei der Rekonstruktion der Fassade so entscheidend. Da liege der Vergleich zu den großen Kathedralen wie z.B. dem Kölner Dom nahe, wo die Fassadenelemente immer wieder neu eingebaut werden müssen, wenn der Zahn der Zeit und die Witterung den weichen Sandstein zernagt hätten. Der Unterschied läge allein darin, dass hier die ganze Fassade komplett nach dem originalen Vorbild neu geschaffen werden musste. Dabei galt es 400 künstlerische Schmuckelemente neu zu schaffen. Abgeformt von Originalteilen, die sich z. T. in öffentlichen Sammlungen, aber auch in privaten Gärten und Schuttdeponien gefunden haben, wurden sie mit 3-D-Druckern aus dem originalen sächsischen Sandstein zu 90 % herausgefräst und dann abschließend in der Bauhütte von Steinmetzen künstlerisch individualisiert fertiggestellt. Hilfreich war dabei auch eine Fotodokumentation vor der Sprengung, aus der per Computer die gesamte Fassade neu berechnet werden konnte, da keine bauzeitlichen Unterlagen mehr vorhanden waren. Später habe man allerdings Unterlagen der Steuerbehörde gefunden, die seinerzeit den Hebesatz aus der Grundfläche berechnete und daher genaue Vermessungen vorgenommen hatte. Diese Unterlagen ergaben, dass die Computerberechnungen mit diesen Erhebungen nahezu deckungsgleich waren. Die z. T. 10 t schweren Sandsteinblöcke, die bauzeitlich wie die Pyramidenbauteile auf Hölzern zur Elbe gerollt und dann per Schiff 14 Tage lang nach Berlin getreidelt wurden, wurden jetzt wieder so, wie sie aus dem Berg geschnitten wurden, in der ursprünglichen Ausrichtung eingebaut, damit es keine kapillaren Wasserwege innerhalb der Steine gibt, die deren Festigkeit beeinträchtigen könnten.
Nicht nur die Schmuckelemente des Bildhauer-Baumeisters Andreas Schlüter seien so quasi wie original, sondern auch die Fassadenfarbe. Deren Farbton sei einem von Margarete Kühn, der Verantwortlichen für den Wiederaufbau des Schlosses Charlottenburg, im dortigen Trümmerfeld und gut verwahrten Fassadenelement entnommen und würde nun die verputzte Klinkerfassade so schmücken, wie in der Bauzeit. Überhaupt handele es sich um einen Niedrigenergiebau wegen der dem Betonbau vorgesetzten Originalfassade, obwohl ein Drittel der Gebäudefläche von den u. a. für den Museumsbetrieb erforderlichen Technikeinbauten benötigt werde. Ursprünglich hatte der König in seinem Schloss, das vornehmlich im Winter genutzt wurde, sehr gefroren und deshalb die Fenster verkleinern lassen. In seinem Ohrensessel saß er dann mit dem Rücken zum Fenster vor dem Kamin, sodass die Strahlungswärme durch die Sesselform für den immer fröstelnden Herrscher eingefangen werden könnte.
Mit einiger Genugtuung verweist von Boddien darauf, dass das in das Staatsratsgebäude eingebaute Portal, von dem aus Karl Liebknecht die Republik ausgerufen haben soll, nicht das tatsächliche ist, weil das historische ein anderes war. In die neue Fassade sind aber zahlreiche Fassadenteile des alten Schlosses eingebaut und nicht bearbeitet worden, diese weisen teilweise noch Kriegsspuren auf. Er bedauert aber, dass die ursprünglich vorhandene Pferdetreppe, auf der der König zu seinen Gemächern heraufgeritten ist, nicht mit rekonstruiert wurde. Die Pferde wurden von der Schweizer Garde aus der preußischen Enklave in der Schweiz versorgt und bei Glatteis wurde der König von ihnen in einer Trage zu seinen Gemächern transportiert.
Entsetzt zeigte sich von Boddien von dem Plan des Landes Berlin, die moderne Ostfassade des Schlosses mit seinem Café mit einer Mauer am Spreeufer von der Aussicht auf den Fluss abzuschneiden. Diese Aussicht war Bestandteil des Architekturentwurfes von Franco Stella. Während z. B. bei den Bundestagsbauten Stufen direkt zur Spree hinab gehen ohne eine weitere Begrenzung, würde hier der Blick vom und zum Schloss verbaut werden. Ebenfalls bedauerlich findet von Boddien, dass der, leider nicht mehr originalgetreue Neptunbrunnen von Reinhold Begas als größte und bedeutendste Brunnenanlage Berlins, trotz in Aussicht gestellter Bundesfinanzierung, nicht restauriert an den Originalstandort auf den südlichen Schlossplatz zurückkehren soll. Die Berliner nannten den Brunnen seinerzeit übrigens „For(c)kenbecken“, in Anspielung auf den damaligen Bürgermeister Forckenbeck und die „Forke“ des Neptun. Anders als der rot-rot-grüne Senat sprechen sich nur 37% der Berliner*innen für den Verbleib am gegenwärtigen Standort aus. Die vier Frauengestalten auf dem Brunnenrand, die vier große deutsche Ströme (Rhein, Oder, Elbe, Weichsel) allegorisch darstellen, sind angeblich die einzigen Berlinerinnen, die im Berliner Volksmund „den Rand halten“ können. „Begas, Begas, hast een wahret Wunder vollbracht, hast de ersten Berlinerinnen jeschaffen, die den Rand halten!“
“Die Säule von Cape Cross – Koloniale Objekte und historische Gerechtigkeit“
Rückgabe als Versöhnung?
Am 7. Juni 2018 eröffnete das Symposium „Historische Urteilskraft“ im Deutschen Historischen Museum“, es war der Beginn einer neuen Veranstaltungsreihe über umstrittener Exponate in Museen. Beim Betreten des Deutschen Historischen Museums (DHM) fällt einem sofort eine Wappensäule aus Namibia ins Auge. Sie bildet das Hauptobjekt bei der Tagung, die Säule von Cape Cross. Sie ist aus dem 15.Jahrhundert, der Zeit der portugiesischen Herrschaft in Namibia und ging im 19.Jh. in deutschen Besitz über. Die Säule von Cape Cross wurde ins Deutsche Kaiserreich verfrachtet und ist heute in der DHM-Dauerausstellung zu sehen.
Mit der Tagung “Historische Urteilskraft im Deutschen Historischen Museum“ eröffnete DHM Direktor Raphael Gross eine Veranstaltungsreihe, die weitreichende kulturpolitische Folgen haben könnte. Staatsministerin für Kultur Monika Grütters (CDU) begrüßte seine Initiative als „eine neue Art historische Aufarbeitung für ganz Deutschland“. Die Frage von Verantwortung für historisches Leid und Ungerechtigkeit gelte auch für das neue Humboldt-Forum „und dem Anspruch, Berlin als eine „Hauptstadt der Weltkultur“ zu etablieren, fügte sie hinzu. Gross betonte die künftig größere Bedeutung von Provenienz-Forschung und befürwortet kontroverse Debatten über den Umgang mit Exponaten. Der namibische Botschafter Andreas Guibeb sprach in seiner Rede von der Notwendigkeit, einen Rahmen auf Staatsebene für die Rückgabe und Heimkehr von der Säule und anderen „historisch deplatzierte“ Objekten in deutschen Sammlungen zu entwickeln. „Wir wollen die Zukunft besser gestalten als die Vergangenheit,“ sagte er. Rückgabe wäre dabei eine „Geste der Versöhnung“.
Wie in vielen Museen und Orten in der ganzen Welt kamen zahlreiche Objekte nicht durch rechtmäßigen Ankauf oder Erwerb in deutsche Sammlungen. Koloniale Plünderungen, Kriegsbeute, Raubgut, Betrug und anderen Gewalttaten spielten oft eine wichtige Rolle. Die Leiterin der Bibliothek der Universität Namibia, Ellen Ndeshi Namhila, warnte auf der Tagung vor rassistischen Vorurteilen, etwa der Behauptung, dass Museen in ehemaligen Kolonien nicht fachgerecht mit wertvollen Kulturgüter umgehen könnten. Als Beispiel zitierte sie die Tagebücher von Hendrik Witbooi, eines Helden des namibischen Widerstandes gegen die deutsche Herrschaft 1904 -1905. Ellen Namhila beschrieb eindrucksvoll den Weg der Witbooi-Tagebücher in den früheren 20.Jh – vom kolonialen Raubgut zum UNESCO Weltdokumentenerbe.
In der abschließenden Diskussion wiesen Fachreferenten aus Namibia und Deutschland auf eine eher moralisch als völkerrechtliche Pflicht zum Handeln in Sache fragwürdiger Exponate hin, besonders angesichts der Schuld an dem Genozid an den Herero und Nama durch deutsche Kolonialtruppen in 1904-1905.
Bis heute hat Deutschland keine Kompensation an die Nachfahren der Ermordeten bezahlt.
Karen Margolis/ Barbara Anne Scheffer, Fachausschuss Kulturpolitik