Franziska Giffey & Frank ZanderSPD Berlin/Jonas Gebauer

BERLINER STIMME: Franziska Giffey trifft Frank Zander: „Der Markenkern von Berlin ist Freiheit“

„Wir wollten bewusst kein Wahlkampf-Gespräch im Studio“ sagt SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey. Sie hat in die Kleingartenkolonie „Am Buschkrug“ im Berliner Bezirk Neukölln eingeladen. Hier in einer Parzelle steht eine rote Gartenlaube – für die Zeit des Wahlkampfs ist es ist ihr Treffpunkt, um mit Berlinerinnen und Berlinern ins Gespräch zu kommen. Der Gast an diesem Tag ist kein Geringerer als der allseits bekannte Schlagersänger Frank Zander. Er und Franziska Giffey kennen sich schon lange, sie duzen sich.

Der 79-Jährige hat sie mehrmals zu seinen Weihnachtsessen für Obdachlose und Bedürftige eingeladen. Schon auf dem Weg vom Parkplatz zur Laube sind beide in ein Gespräch vertieft. Frank Zander macht aus seiner Wertschätzung für Franziska Giffey keinen Hehl: „Sie ist warmherzig, menschlich und hat einfach eine positive Ausstrahlung.“ Angekommen auf der Parzelle schauen sie sich kurz zusammen um. „Das ist doch toll“, sagt Frank Zander. Ein Tisch mitsamt Stühlen steht schon bereit, ebenso kühles Wasser und Kaffee.

BERLINER STIMME: Herr Zander, 2020 fiel ein Weihnachtsfest für Obdachlose und Bedürftige wie in vielen Jahren zuvor mit nahezu 3.000 Menschen leider aus. Sie waren spontan und haben Food-Trucks organisiert. Wie ist die Aktion bei den Menschen angekommen?

Frank Zander: Sehr gut. Es ging ja nichts, kein Hotel hatte auf. Als wir dann mit den Food-Trucks vorfuhren, war der Andrang groß. Jedoch waren die Leute, die wegen Essen anstanden, sehr diszipliniert, sie hielten Abstand. Wir haben die Mahlzeit in so kleinen kompostierbaren Schälchen ausgegeben. Neben Franziska hatte ich auch den Bundespräsidenten eingeladen. Das ging im ganzen Trubel ein bisschen unter. Er sagte sofort für die Food-Truck-Aktion zu. Am Anfang glaubte mir das keiner. Umso größer waren das Erstaunen und die Freude, als Frank-Walter Steinmeier zu der Aktion erschien.

Franziska, du hast bereits mehrmals beim besagten Weihnachtsfest für Obdachlose und Bedürftige mitgeholfen und du warst auch bei einer Food-Truck-Aktion im vergangenen Jahr dabei. Wie hast du die Aktion wahrgenommen?

Franziska Giffey: Es war einfach toll. Überhaupt die Überlegung, was man mitten in der Pandemie machen kann. So ist übrigens auch die Idee für das Gartenhaus entstanden. Drinnen treffen können wir uns nicht so gut, also müssen wir einen anderen Weg finden. So hat es Frank Zander und sein Team auch gemacht: Sie haben unter schwierigen Bedingungen versucht etwas möglich zu machen. Und die Menschen waren für die Aktion mit den Food-Trucks mehr als dankbar.

Frank Zander: Es ist auch eine ganz ehrliche Dankbarkeit. Die Menschen, denen wir durch diese Aktion helfen, wollen mich immer umarmen. Sie wissen selbst, dass sie es wegen der aktuellen Corona-Lage nicht tun dürfen, aber sie wollen ihre Dankbarkeit zum Ausdruck bringen.

Herr Zander, Sie sind Künstler. Gerade Kultur und Kunst gehören zu den besonders betroffenen Branchen der Corona-Pandemie. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Frank Zander: Die Musik ist von der Corona-Krise stark betroffen, da müssen wir uns nichts vormachen. Sie war auf einmal weg, einfach aus. Jedoch hielt sich das Mitleid für Sängerinnen und Sänger eher in Grenzen. Manche Leute sagten zu mir, dass sie mich doch dauernd im Radio hören. Da musste ich dann erst mal erklären, dass Konzerte für einen Künstler eine der Haupteinnahmequellen sind und nicht, ob ein Lied von mir im Radio läuft. Doch es gibt bereits Licht am Ende des Tunnels, es trudeln wieder erste Auftrittsanfragen ein.

Franziska Giffey: Mich bewegt momentan in diesem Zusammenhang die Frage: Wie machen wir im Herbst weiter? Gerade haben wir eine niedrigere Inzidenz, doch wir müssen abwarten, wie sich alles entwickelt, gerade wenn die Leute aus dem Urlaub zurückkehren. Wir müssen mit dem Impfen weiter vorankommen. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. Dann ist natürlich die Frage, wie wir Planungssicherheit für die Kultur erreichen. Aus meiner Sicht geht das nur mit den drei G’s: getestet, geimpft, genesen. Wenn eines davon zutrifft, können Besucherinnen und Besucher an einer Veranstaltung teilnehmen. Das kann man lange im Vorfeld festlegen und hat somit eine Perspektive.

„Restart“, also Neustart, ist ein Wort, was momentan oft gebraucht wird, um ein Leben nach der Corona-Krise zu beschreiben. Liebe Franziska, du hast ein Zukunftsprogramm mit dem Titel „Neustart Berlin“ angekündigt. Was steckt dahinter?

Franziska Giffey: Als mich meine Partei zur Spitzenkandidatin nominierte, habe ich gesagt, dass ich zwei große Zusagen mache. Die erste ist: Wohnungsneubau wird Chefinnensache. Wir brauchen dringend neuen Wohnraum in der Stadt. Das zweite Versprechen ist ein Zukunftsprogramm „Neustart Berlin“. Mit diesem Programm wollen wir den Branchen helfen, die besonders von der Krise betroffen sind – Einzelhandel, Kunst, Kultur sowie Tourismus und Gastronomie -, wieder auf die Beine zu kommen. Wir müssen wieder mehr Gäste in unsere Stadt holen, denn davon lebt insbesondere die Kulturszene Berlins.

Franziska Giffey und Frank Zander halten im Gespräch inne und schauen zum Gartentürchen. Dort ist gerade Peter Standfuß aufgetaucht. „Das ist Peter, er ist hier in der Anlage quasi der ‚Bürgermeister‘“, erklärt Franziska Giffey lächelnd. Der 74-Jährige ist seit über zehn Jahren Vereinsvorsitzender der Gartenkolonie. Unter seine Obhut fallen 420 Parzellen, der Verein umfasst, laut seiner Aussage, ungefähr 1.500 Mitglieder. 2017 bekam er zusammen mit Frank Zander und vier weiteren Preisträger:innen die Neuköllner Ehrennadel verliehen. Ein kurzer Plausch mit Franziska Giffey und Frank Zander, dann fährt Peter Standfuß auf seinem Elektroroller weiter.

Liebe Franziska, lieber Herr Zander, was fällt euch ein, wenn Ihr an Berlin denkt?

Franziska Giffey: Berlin ist Freiheit. Wenn man sich fragt, was der Markenkern von Berlin ist, dann ist es die Freiheit und die Möglichkeit hier so zu leben, wie man möchte.

Frank Zander: Ich bin einfach aus vielen Gründen stolz auf die Stadt. Der Berliner Humor ist einer davon, denn der ist einfach anders. Wenn man zum Beispiel bei Regenwetter irgendwo einen Motorschaden hat, sagt man: „Na toll, genau das habe ich mir gewünscht.“ Ein Anderer würde jetzt sicher fragen: „Wieso findest du das toll?“ Aber das ist Berliner Humor.

Franziska Giffey: Ich bin mir absolut sicher, dass die meisten Berlinerinnen und Berliner auch auf ihre Stadt stolz sein wollen, weil sie gerne an diesem Ort leben. Nach dem Motto: „Besser sein als Bayern.“ Das sind wir Berlinerinnen und Berliner nämlich ganz oft, nur reden wir zu selten darüber. Dabei haben die Menschen dieser Stadt nicht nur während der Corona-Pandemie bewiesen, dass sie das Beste aus einer Krise machen können. Das beweist allein ein Blick in die Geschichte.

Wie oft war in Berlin die Lage schon problematisch und viel schwieriger als jetzt. Reinhard Mey hat mal ein Lied mit dem Titel „Mein Berlin“ komponiert. Da gibt es auch einen Film dazu. Darin siehst man Berlin nach dem Krieg völlig zerstört, einfach schlimm. Es war eine katastrophale Lage. Trotzdem hat sich Berlin aufgerappelt und ist heute eine der attraktivsten Städte Europas und der Welt.

Frank Zander: Ich bin ein Mensch, der sehr stark auf sein Bauchgefühl hört. Deshalb denke ich, man fühlt Berlin. Es ist schwierig zu beschreiben, aber man muss nicht hier geboren sein, um Berlinerin oder Berliner zu sein.

Franziska Giffey: Das ist ein sehr schöner und wichtiger Gedanke. Menschen aus unterschiedlichen Teilen von Deutschland und der Welt kommen hierher und fühlen sich der Stadt verbunden. Deswegen haben wir von der SPD unser Programm unter ein Motto gestellt: Herzenssache Berlin. Also ich kenne unheimlich viele Menschen, die nicht hier geboren und vielleicht auch nicht hier aufgewachsen sind. Dennoch liegt ihnen Berlin am Herzen. Sie arbeiten, leben und engagieren sich hier und tragen dazu bei, dass Berlin nie einfach nur ist, sondern immer wird.

Autor:in

Sebastian Thomas

Redakteur der BERLINER STIMME und des vorwärtsBERLIN