Lehrerin unterrichtet SchulklasseAdobe Stock/Herrndorf

Berliner Stimme 5|2019: Lehrkräfte verbeamten?

Seit Berlin 2004 die Lehrkräfteverbeamtung abgeschafft hat, entfaltet sich die Debatte, ob sie nicht wieder eingeführt werden sollte. Sandra Scheeres ist seit 2011 Berlins Bildungssenatorin und plädiert für eine Rückkehr zur Verbeamtung von Lehrkräften, damit die Stadt bei der Lehrkräftegewinnung wettbewerbsfähig bleibt.

Monika Buttgereit und Matthias Trenczek, SprecherInnen des Fachausschusses „Stadt des Wissens“ der SPD Berlin, argumentieren dagegen, dass Berlin den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen sollte.


PRO

Zurück zur Verbeamtung – weil Berlin die besten Lehrkräfte braucht

Das neue Schuljahr hat mit einer guten Nachricht begonnen: Berlin konnte erneut alle rund 2.700 offenen Lehrkräftestellen besetzen. Und mit einer schlechten: Auch in diesem Jahr sind nicht einmal die Hälfte der Neueinstellungen Lehramtsabsolventen. Ich bin dankbar für jeden Quer- und Seiteneinsteiger, der oder die in den Berliner Schuldienst und das begleitende Qualifizierungsprogramm startet. Doch auf Dauer muss Berlin wieder mehr Lehramtsabsolventen gewinnen können. Die Rückkehr zur Verbeamtung ist dafür eine unverzichtbare Bedingung.

Mir fällt diese Einsicht nicht leicht, da ringen Herz und Verstand miteinander. Und so geht es vielen in der SPD, deshalb ist es gut, dass uns der Parteitag im März Zeit für eine ausführliche Debatte und die Prüfung aller Alternativen gegeben hat.

Als Berlin 2004 die Lehrkräfteverbeamtung abgeschafft hat, war ich optimistisch, dass die restlichen Bundesländer diesem Schritt früher oder später folgen würden. Das Gegenteil ist eingetreten, heute ist Berlin das letzte Land, das neue Lehrkräfte nur anstellt. Auf einem bundesweiten Arbeitsmarkt mit konstantem Absolventenmangel ist diese Sonderrolle ein Nachteil, der uns jedes Jahr mehrere hundert Lehrkräfte kostet. Und seit auch Brandenburg mit dem Beamtenstatus lockt, findet jedes Jahr eine Abstimmung mit den Füßen oder der S-Bahn statt. Höhere Nettobezüge und Pensionen, Unkündbarkeit und berufliche Mobilität im Rest der Republik – das sind Vorteile, die eine Anstellung kaum bieten kann. Berlin bezahlt seine angestellten Lehrer heute hervorragend, bietet multiprofessionelle Teams an den Schulen, erstklassige Fortbildungen und die Brennpunktzulage für Schulen in schwieriger Lage. Aber im Wettbewerb um Lehramtsabsolventinnen und -absolventen reicht das nicht aus, da spricht die Praxis eine deutliche Sprache.

Natürlich ist die Verbeamtung kein Allheilmittel für die Lehrkräftegewinnung. Sie würde uns aber endlich Chancengleichheit mit den anderen Bundesländern bringen. Berlin muss seine Attraktivität auch im Kampf um die besten Lehrkräfte ausspielen können, das erwarten die Menschen von uns. Diese voll ausgebildeten Lehrkräfte kämen in Berlin auch den Brennpunktschulen zu Gute, an denen der Anteil an Quer- und Seiteneinsteigern derzeit noch besonders hoch ist. Auch wenn die Rückkehr zur Verbeamtung eher auf Pragmatismus als aus politischer Leidenschaft beruhen wird: Berlin sollte seine Kraft nicht in einem Kampf vergeuden, den es alleine nicht gewinnen kann. Das dankt uns keiner, und das schadet am Ende unserer Stadt.

Sandra Scheeres


CONTRA

„Weshalb verbeamtet ihr nicht?“

Es ist ein Ritual. Vor jedem Schuljahr Hiobsbotschaften, wie viele Lehrkräfte demnächst in Berlin fehlen würden. Nach Beginn des Schuljahres interessiert es schlicht nicht, dass die Stellen wieder alle besetzt wurden. Tatsächlich ein Anlass, von einer sozialdemokratischen Erfolgsgeschichte zu sprechen.

Aber wem ist präsent, dass die Berliner SPD die Anstrengungen zur qualitativen Verbesserung der Berliner Schulen immer wieder aktualisiert? Wer hat das Bekenntnis zum Leitbild des kombinierten Einsatzes des pädagogischen Personals an den Berliner Schulen gelesen (Antrag 117/I/2019)? Gute Beschäftigungsverhältnisse auch im Bildungsbereich sollen weiter realisiert werden? Also z. B. Gehaltssteigerungen und eine deutliche Reduzierung der Wochenarbeitsstunden für Lehrerinnen und Lehrer (Antrag 121/I/2019)?

Weshalb nicht einer ganzen Generation aktiver Lehrerinnen und Lehrer erklären, dass sie nicht bessergestellt werden, obwohl die SPD Ihnen genau das bei der Abschaffung der Verbeamtung versprochen hat? Weshalb nicht die Kollegien in verbeamtete Lehrkräfte und angestelltes übriges Personal spalten? Und was ist mit den Lehrkräften im Angestelltenverhältnis, die aus Altersgründen oder wegen Krankheit nicht verbeamtet werden können? Viele von ihnen haben in den letzten Jahren das Berliner Schulsystem maßgeblich mitgestaltet!

Die Wiedereinführung der Verbeamtung ist kein Wundermittel, sondern schafft neue  Ungerechtigkeiten. Tatsächlich führt sie nicht zu einer besseren Besetzung der Stellen, schon weil damit kein einziger Mensch mehr für den Beruf qualifiziert wird. Ein Blick auf die zahlreichen unbesetzten Stellen in Bundesländern, die sich nicht von der Verbeamtung gelöst haben, müsste reichen.

Aber gehen nicht jedes Jahr immer mehr aus Berlin weg? Und weshalb kommen im gleichen Zeitraum mehr Menschen, um hier an den Schulen den Beruf auszuüben? Wer unbedingt verbeamtet werden möchte, hat die Möglichkeiten in den anderen Bundesländern.

Und bitte, es gibt keine geringere finanzielle Belastung bei Verbeamtung. Und wir wollen für die privaten Krankenkassen keinen neuen Extramarkt schaffen.

Die Frage, warum mit den erheblichen Kosten für eine Verbeamtung das Land Berlin nicht für alle Beschäftigten eine verbesserte landeseigene Zusatzversorgung wieder einrichtet, wäre dann auch noch zu beantworten.

Wir wollen an einer Schulentwicklung arbeiten, die kein Kind zurücklässt, unabhängig vom finanziellen Spielraum der Eltern und mit allen, die dafür bereit sind, für Schulen mit einem gleichgestellten Lehrpersonal streiten, welches gerne und in guten Verhältnissen die Schule von morgen für die Kinder von morgen mitgestaltet. Lasst uns nicht auf ein scheinbares Wundermittel setzen.

Monika Buttgereit und Matthias Trenczek

Autor:in

Monika Buttgereit

Sprecherin des Fachausschusses „Stadt des Wissens“ der SPD Berlin und Landesvorsitzende der AfB Berlin

Monika Buttgereit
Autor:in

Matthias Trenczek

Sprecher des Fachausschusses „Stadt des Wissens“ der SPD Berlin

Matthias Trenczek