Warum braucht es ein Paritätsgesetz? Für eine Antwort auf diese Frage schweift der Blick von Derya Çağlar, gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, über die Landesgrenzen Berlins hinweg nach Brandenburg. Dabei stellt sie die Frage, ob auch Parteistrukturen Frauen benachteiligen.
Bis heute werden politische Entscheidungen überwiegend von Männern getroffen. Die Forderung nach Parität will das ändern. Es geht um die gerechte Verteilung politischer Macht zwischen Frauen und Männern. Mehr als die Hälfte der Gesellschaft besteht aus Frauen. Diese gesellschaftliche Wirklichkeit soll sich künftig in den Parlamenten dieses Landes spiegeln.
Das Brandenburger Paritätsgesetz kann als Vorbild für Berlin dienen – es ist aber keine Blaupause.
Dazu braucht es ein Paritätsgesetz. Als erstes Bundesland hat Brandenburg ein solches Paritätsgesetz verabschiedet. Ich freue mich sehr darüber, dass dank dieses Vorstoßes das Thema Frauen in der Politik mehr in die Öffentlichkeit gerückt ist. Das Brandenburger Paritätsgesetz kann als Vorbild für Berlin dienen – es ist aber keine Blaupause.
Allein das Wahlrecht im Stadtstaat Berlin mit seinen zwölf Bezirken unterscheidet sich wesentlich vom Flächenland Brandenburg. Viele Besonderheiten sind zu beachten. Eine „Eins-zu-Eins“-Umsetzung des Brandenburger Vorbilds kann es im Land Berlin deshalb nicht geben. Im Hinblick auf ein Berliner Paritätsgesetz befinden wir uns derzeit in den Beratungen innerhalb der SPD-Fraktion und mit unseren Koalitionspartnerinnen und Koalitionspartnern.
Grundsätzlich müssen wir uns parallel die Frage stellen, ob vorhandene Parteistrukturen Frauen benachteiligen.
Die konkrete Detailarbeit und das Ausloten von Lösungen und Möglichkeiten ist auf der parlamentarischen Arbeitsebene in vollem Gange. Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt den Ergebnissen der laufenden Beratungen nicht vorgreifen. Die Gespräche in Brandenburg haben aber gezeigt, dass es ein langer und inhaltlich intensiver Prozess bis zur Verabschiedung des Gesetzes war.
Die Bedeutung des Themas „Parität in der Politik“ und die im Gesetzgebungsverfahren ebenfalls zu beachtenden Rechtsgüter und Normen gebieten, es sorgfältig zu arbeiten. Grundsätzlich müssen wir uns parallel die Frage stellen, ob vorhandene Parteistrukturen Frauen benachteiligen.
Wir sollten viel stärker die Vereinbarkeit von Beruf, Privatleben und parteipolitischem Engagement in den Fokus nehmen.
Es ist an der Zeit, eine neue Sitzungskultur in der Parteiarbeit einzuführen. Lange Abendsitzungen müssen der Vergangenheit angehören. Wir sollten viel stärker die Vereinbarkeit von Beruf, Privatleben und parteipolitischem Engagement in den Fokus nehmen. Auch digitale Beteiligung muss eine Selbstverständlichkeit werden.
Außerdem müssen wir Frauen ermutigen, Ämter und Mandate wahr-zunehmen. Parität heißt: „Die Hälfte des Himmels, die Hälfte der Erde, die Hälfte der Macht!“. Als gleichstellungspolitische Sprecherin kämpfe ich also nicht nur an der gesetzgebenden, sondern auch an der strukturellen Problematik.
Derya Çağlar
Gleichstellungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus