Berliner Stimme 3|2020: Ein Gewinn für alle

Für Anne Klein-Hitpaß von der Denkfabrik „Agora Verkehrswende“ stehen gerade der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und die gerechte Verteilung von Verkehrsflächen im Fokus, damit eine Verkehrswende gelingen kann.

BERLINER STIMME: Frau Klein-Hitpaß, hat das Fahren mit dem Auto in Zeiten des Klimaschutzes ausgedient?

Anne Klein-Hitpaß: Nein, das Auto hat noch nicht ausgedient. An vielen Stellen brauchen wir es. Gleichwohl haben wir viel mehr Auto als wir benötigen: Die Anzahl der Autos steigt, während die Dauer ihrer Nutzung stagniert. Wir haben zu viele, zu schwere und zu schnelle Autos mit zu hohen CO2-Werten. Das gilt übrigens nicht nur für die Städte. Diese Entwicklung gehört dringend auf den Prüfstand.

Welche Alternativen sehen Sie zum Auto?

In der Stadt sind die Alternativen vielfältig: Da habe ich neben dem ÖPNV – also U-, S- und Straßenbahn – das Fahrrad, die eigenen Füße, Angebote für Car- und Bikesharing, Taxen, E-Scooter und E-Tretroller. Es existiert also ein großer Mobilitätsmix als Ersatz zum Auto. Dabei gilt: Je besser diese Angebote funktionieren, desto konkurrenzfähiger sind sie zum Auto.

Anne Klein-Hitpaß von der Denkfabrik "Agora Verkehrswende"Agora Verkehrswende
Anne Klein-Hitpaß Anne Klein-Hitpaß ist seit September 2016 bei Denkfabrik „Agora Verkehrswende“ tätig. Sie ist verantwortlich für das „Agora Netzwerk Urbane Verkehrswende“ und Themen der städtischen Mobilität. Aktuelle Arbeitsschwerpunkte bilden die Themen Öffentlicher Raum, Parkraummanagement sowie der notwendige Rechtsrahmen für eine Verkehrswende.

Wie kann der ÖPNV eine gute Möglichkeit werden, damit mehr Menschen in der Stadt vom Auto auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen?

Damit mehr Menschen umsteigen, muss der ÖPNV attraktiver werden. Dafür benötigen wir eine gute Taktung, die idealerweise so dicht ist, dass ich keinen Fahrplan mehr benötige. Außerdem muss der ÖPNV verlässlich, pünktlich und sicher sein. Gerade für Pendlerinnen und Pendler sind all diese Kriterien enorm wichtig.

Damit wir aber wirklich Menschen aus ihren Autos locken, brauchen wir gute, ergänzende automobile Angebote, eine Art Zwischenlösung zwischen ÖPNV und dem Auto: Damit meine ich sowohl Carsharing wie auch Ridepooling – also dass sich Menschen Fahrzeuge oder Fahrten teilen.

Das Fahrrad und das Auto haben eine nicht immer harmonische Beziehung: Wie, denken Sie, kann der Platzkonflikt dieser beiden Verkehrsmittel aufgelöst werden?

In erster Linie durch eine gute Fahrradinfrastruktur: breite, geschützte Radwege und Fahrradstraßen. Aber es geht nicht nur ums Fahrrad. Wir brauchen generell eine Umverteilung von Auto-Flächen zugunsten umweltfreundlicher Verkehrsmittel. Im Ergebnis sind diese Maßnahmen ein Gewinn für alle: weniger Lärm und Abgase, mehr grün, mehr Lebensqualität in den Innenstädten.

Ich finde, die Politik kann den Menschen in dieser Sache mehr zumuten. Viel zu oft richtet sich der Blick ängstlich auf die Autofahrerinnen und Autofahrer, anstatt mutig am Allgemeinwohl orientierte Alternativen voranzutreiben. Wichtig ist natürlich eine gute Kommunikation der Maßnahmen.

Mehr zur Denkfabrik: https://www.agora-verkehrswende.de

Autor:in

Sebastian Thomas

Redakteur der BERLINER STIMME und des vorwärtsBERLIN