SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und WBC-Projektmanager Tobias Pietsch

Berliner Stimme 4|2020: Begegnung auf Augenhöhe

Das Willy Brandt Center (WBC) in Jerusalem bringt Israelis, Palästinenser und Menschen aus der ganzen Welt zusammen. Häufig ist das für viele ein schwieriger Schritt: Groß sind Vorurteile und fehlendes Vertrauen. Nach knapp 25 Jahren seit der Gründung des WBC steht die Arbeit mit jungen Israelis und Palästinensern vor neuen Herausforderungen: Der seit Jahren erstarrte Friedensprozess führt zu Resignation. Auch in der Corona-Krise wünschen sie sich eine bessere, friedlichere Zukunft durch eine Friedenslösung.

Sieben Menschen blicken in die Kameras ihrer Laptops, da sie sich zurzeit nur digital austauschen können. Es sind diesmal nicht Checkpoints, Mauern und Zäune oder Verbote, die eine Begegnung von Israelis und Palästinensern verhindern. Das Coronavirus macht ein Zusammentreffen des Teams des WBC unmöglich.

WBC-Projektmanager Tobias PietschPetra Klose/WBC
Organisiert den Austausch zwischen jungen Israelis und Palästinensern: WBC-Projektmanager Tobias Pietsch

Die Ausgangssperren führen dazu, dass digitale Dienste Menschen in Jerusalem, Nablus und Tel Aviv zusammenbringen. Das Virus ist ein verbindendes Thema: Es unterscheidet nicht zwischen Juden, Christen und Muslimen und macht nicht an Grenzen halt. Das führt auf beiden Seiten zu großen Herausforderungen: Die Wirtschaft bricht zusammen, Menschen sind plötzlich von Armut betroffen oder können sich nicht mehr allein versorgen.

Sowohl in Israel als auch in Palästina sind in kurzer Zeit Hilfsinitiativen entstanden.

Die Aktivistinnen und Aktivisten des WBC tauschen sich aus, wie sie Freiwillige rekrutieren, die ältere Menschen mit Medikamenten versorgen und Essen oder Schutzausrüstung verteilen. Sowohl in Israel als auch in Palästina sind in kurzer Zeit Hilfsinitiativen entstanden. Doch nach dem Best Practice Austausch wird auch klar, worin sich die Situationen unterscheiden.

Austausch im WBCJost Weisenfeld/WBC
Austausch mit der israelischen Organisation „Standing Together“ zu sozialer Gerechtigkeit und gleichen Rechten im WBC.

Die Gleichheit vor dem Virus hört dort auf, wo die Realität der Besatzung anfängt. Die medizinische Versorgung in Palästina ist bei weitem nicht so gut, wie in Israel. Hilfsgüter werden häufig aufgehalten oder nicht ausreichend zur Verfügung gestellt. Spätestens jetzt ist der israelisch-palästinensische Konflikt auch in diesem virtuellen Treffen angekommen.

Regierungsbildung in Israel ist Diskussionsthema

Es wird über die Regierungsbildung in Israel diskutiert, die eine Verlängerung der Amtszeit von Netanjahu bedeutet. Die israelische Linke hat bei den vergangenen Wahlen so schlecht abgeschnitten wie noch nie. Alle fragen sich, wie es mit so wenig Einfluss politisch weitergehen soll. Vor allem auch mit Blick auf die geplante Annektierung des Jordantals und weiterer Teile des von Israel besetzten Westjordanlandes.

Projektmanagerin Petra Klose (v. l.), Projektmanager Tobias Pietsch und SPD-Generalsekretär Lars KlingbeilJost Weisenfeld/WBC
Projektmanagerin Petra Klose (v. l.), Projektmanager Tobias Pietsch und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil mit Blick auf die Altstadt von Jerusalem.

Die Ankündigung lässt die Zweifel für eine Annäherung zwischen Israelis und Palästinensern weiterwachsen. Am Ende sind sich alle einig: Es gibt viel und gemeinsam zu tun. Dazu gehört unter anderem eine Kampagne gegen die Annektierung sowie eine Aktion, um Arbeitnehmerrechte und Gewerkschaften in der Krise zu stärken.

Darüber hinaus soll eine Solidaritätskampagne über die Grenzen hinweg organisiert werden. Allen Hürden zum Trotz arbeiten die Partner des WBC auch in diesen Krisenzeiten weiter.

Autor:in

Tobias Pietsch

Projektmanager des Willy Brandt Centers (WBC) in Jerusalem.

WBC-Projektmanager Tobias Pietsch