Beschluss des SPD-Landesvorstands vom 2.10.2020:
Das verheerende Feuer im Flüchtlingslager Moria hat über 12.000 Menschen obdachlos werden lassen. Die Brände sind das letzte Zeichen des Scheiterns der Flüchtlings- und Migrationspolitik an den europäischen Außengrenzen. Völlig unzureichende hygienische Bedingungen und fehlende ärztliche Versorgung, Überbelegung und die schleppende Bearbeitung von Asylanträgen prägen die Situation seit Jahren. Der Schutz von vulnerablen Gruppen wie Kindern, Kranken oder Traumatisierten ist nicht gewährleistet. Rechtsbruch von nationalem und internationalem Recht durch die Behörden sind in dieser Situation bitterer Alltag. Diese sich immer weiter zuspitzende Situation ist für die Geflüchteten und die europäische Wertegemeinschaft unhaltbar.
Für uns ist die Unveräußerlichkeit von Menschenrechten aber die Grundlage des Zusammenlebens. Die Wiederherstellung dieser Grundlage wird von hunderttausenden Menschen auf unseren Straßen gefordert.
Fakt ist jedoch: eine europäische Lösung, die dies sicherstellen könnte, ist nicht in Sicht und wird auch nicht schnell erreichbar sein. Ein Bündnis der Solidarität muss vorangehen.
Die bisherigen Zusagen der Bundesregierung sind dabei ungenügend.
Daher fordern wir:
- Die Aufnahme durch die Bundesrepublik Deutschland muss substanziell erhöht werden. Dazu müssen die Zusagen aus dem Koalitionsvertrag der großen Koalition ausgeschöpft werden. Deutschland nimmt aktuell nicht einmal die im Koalitionsvertrag vorgesehenen 180.000-220.000 Menschen auf, die die Bundesregierung zusätzlich zu den Schutzberechtigten nach Genfer Flüchtlingskonvention und Grundgesetz aufnehmen würde. Die Aufnahmekapazitäten sind vorhanden.
- Unter den gegebenen Umständen und der atypischen Situation der Corona-Pandemie fordern wir die rasche und unbürokratische Familienzusammenführung für Geflüchtete in Moria, die bereits Angehörige in Deutschland haben.
- Neben der Bundesaufnahme dürfen aufnahmefähige Länder nicht länger ausgebremst werden. Landesaufnahmeprogramme sind Zeichen gelebter Solidarität und Ausdruck der Eigenstaatlichkeit der Länder nach Art. 30 des Grundgesetzes.
- Wir fordern, dass das Recht der Länder, gemäß § 23 Absatz 1 Satz 1 AufenthG, „Ausländer aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmte[n] Ausländergruppen“ aus „völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ mit Landesaufnahmeprogrammen aufnehmen zu dürfen, nicht länger in Frage gestellt wird. Soweit hierzu das Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern erforderlich ist, dient dieses Erfordernis lediglich dazu, dem BMI die Möglichkeit zur bundesweiten Koordinierung zu geben. Die willkürliche Verweigerung des Einvernehmens durch den aktuellen Minister Seehofer ist ein rechtsmissbräuchlicher Eingriff in die Eigenverantwortlichkeit der Länder. Seehofer muss daher seine Verweigerungs- und Verhinderungstaktik aufgeben.
- Auch der Klageweg muss beschritten werden.