Mit der Digitalisierung befinden wir uns mitten in der größten technologischen Revolution aller Zeiten. Trotzdem scheinen wir immer noch die Geschwindigkeit zu unterschätzen, wie schnell und unumkehrbar die Digitalisierung aktuell und zukünftig unser Leben verändert. Ganze Berufsgruppen verschwinden. Berufe mit leicht zu automatisierenden Tätigkeiten im Einzelhandel oder im Finanzsektor wird es sehr bald nicht mehr geben. Studien überschlagen sich damit, wie viele Jobs verloren gehen und wie viele gleichzeitig neu in anderen Berufsfeldern und Branchen entstehen – Jobs, von denen wir heute noch nicht einmal ihre Namen und Kompetenzbeschreibungen kennen. Fest steht auch: Gewohnte Hierarchien in der Arbeitswelt werden sich verändern. Der Wechsel und Austausch zwischen unterschiedlichen Berufen und Wissensfeldern wird zur Regel werden, und: Deutschland wird künftig nur über die Qualität von Jobs und nicht über die Quantität von Beschäftigten wachsen können.
Damit wird sich auch die Machtbalance zwischen Kapital und Arbeit verändern. Ein Ersetzen von menschlichen Tätigkeiten durch Maschinen bleibt nur ein Drohszenario. Denn das Gegenteil ist der Fall, der Mensch als Teil der Wertschöpfungskette wird wichtiger denn je. Für die SPD gilt dabei: Technologie muss den Menschen dienen und Grundrechte auf Datenschutz, Mitbestimmung und sozialer Teilhabe müssen stetig neu erkämpft werden.
Was wir brauchen ist eine neue Strategie für soziale Bürgerrechte und Bildungsrechte in einem flexibleren, digitalen Wirtschaften. Dazu müssen wir wie im Qualifizierungschancengesetz mehr Weiterbildung für alle durchsetzen. Das hat Arbeitsminister Hubertus Heil mit dem Vorschlag eines Arbeit-von-morgen-Gesetz getan: Weiterbildung und Umschulungen müssen über die Bundesagentur für Arbeit noch besser gefördert werden können, gerade auch dann, wenn sich die Unternehmen (und Beschäftigten) verändern müssen.
Digitalisierung wird zudem nur erfolgreich sein, wenn Menschen Vertrauen in neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz haben. Daher brauchen wir mehr Mitbestimmung bei der Einführung digitaler Techniken im Betrieb. Wir werden daher die Rechte des Betriebsrats bei der Einführung digitaler Technologien sichern. Denn der digitale Kapitalismus darf nicht zu mehr Ausbeutung und weniger Demokratie führen. Gerade die Plattformwirtschaft wird starker, gemeinwohlorientierter Antworten bedürfen: Wo Plattformen auf dem Rücken (selbständig) Beschäftigter ihren Profit suchen, muss sozialdemokratische Politik alles tun, damit öffentliche Güter wie Mobilität, Wohnen oder Arbeitsrechte gestärkt werden.
Deswegen werden Sozialdemokraten im digitalen Kapitalismus mehr und mehr die Fragen adressieren müssen, wem digitale Wertschöpfungsmodelle nützen (und wem nicht) und wie demokratische Regeln diese Wirtschaftsweise im europäischen Kontext einhegen kann. Denn am Ende geht es um eine soziale Datenwirtschaft, die das Primat der Politik achtet.
Björn Böhning
Ist Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales