Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im AGHSPD Berlin/Sebastian Thomas

Berliner Stimme 3|2020: Von der Straße auf die Schiene

Wenn Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, über Mobilität spricht, steht für ihn eines fest: Sie muss gleichberechtigt, modern, klimaverträglich und zukunftsgerecht sein. Dabei hat er ein Verkehrsmittel des ÖPNV ganz besonders im Blick.

BERLINER STIMME: Lieber Tino, wenn vom Umstieg vom Auto auf die öffentlichen Verkehrsmittel die Rede ist: Was bedeutet das für die Hauptstadt?

Tino Schopf: Berlin wächst, das heißt die Mobilität auf den Straßen, insbesondere im Innenstadtbereich, nimmt stetig zu. Mit dem anhaltenden Wachstum der Stadt wandeln sich die Mobilitätsbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger. Studien zeigen, dass die Berlinerinnen und Berliner pro Tag ungefähr 20 Kilometer Wegstrecke zurücklegen.

Dieser Tatsache müssen wir mit einem zukunftsweisenden Verkehrskonzept gerecht werden. Wenn wir dabei die U-Bahn in Zeiten voller Kassen ausklammern, wäre dies fatal. Wir haben uns als SPD vorgenommen, den Anforderungen an eine gleichberechtigte, moderne, klimaverträgliche und zukunftsgerechte Mobilitätspolitik gerecht zu werden.

Daher verfolgen wir eine stringente Verkehrspolitik für die ganze Stadt: Wir wollen den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) deutlich stärken und mehr Verkehr von der Straße auf die Schiene holen.

Gibt es ein Verkehrsmittel, das in den derzeitigen verkehrspolitischen Überlegungen besonders im Fokus steht?

Weder kann und wird Berlin ausschließlich eine Auto- noch ausschließlich eine Fahrradstadt sein. Eher müssen wir darauf achten, die Bedürfnisse aller Berlinerinnen und Berliner, ob im Stadtzentrum oder den Außenbezirken, in Einklang zu bringen. Menschen haben ein Recht darauf, mobil zu sein. Eine gute Infrastruktur entscheidet über die Zukunftsfähigkeit einer Stadt.

Eine Umverteilung des Verkehrsaufkommens zugunsten des Nahverkehrs kann nur durch attraktive Verkehrsmittel erzielt werden. Dabei steht für mich neben der Beförderungsmenge vor allem auch die Reisezeit im Vordergrund. Wir müssen positive Anreize schaffen: gute Dienstleistung, hohe Geschwindigkeit, zum fairen Fahrpreis, mit guter Verfügbarkeit.

Das ist mein Credo. Ich bin der Meinung, um mehr Fahrgäste zu befördern und attraktiver für neue Kunden zu werden, benötigen wir neben einem Ausbau an Kapazitäten ebenso eine moderne und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur. Ein attraktiver Ö̈PNV ist der Schlüssel, um die Verkehrsprobleme zu lösen und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Du hast anfangs die U-Bahn erwähnt und gerade ihr Ausbau ist ja mittlerweile eine Gretchenfrage: Was hältst Du persönlich von diesen Überlegungen?

Mir ist bewusst, dass der Ausbau des U-Bahn-Netzes kontrovers diskutiert wird. Ein modernes System wie die U-Bahn kostet Geld. Doch wenn ich Menschen dazu bewegen möchte, ihr Auto stehen zu lassen und auf die Schiene zu setzen, ist es eine sinnvolle Investition in die Zukunft. Aus fachlicher Sicht gilt es festzuhalten: Eine Straßenbahn, die im Straßenverkehr mitfährt, steht vor dem Problem, dass sie spezielle Vorrangschaltungen benötigt, um nicht im Stau steckenzubleiben.

Ausbau der Berliner U-BahnAdobe Stock/Aleksander
Laut Tino Schopf eine sinnvolle Investition in die Zukunft: der Ausbau der Berliner U-Bahn.

Weil eine U-Bahn unterirdisch fährt, ist sie per se von diesen Zwängen ausgenommen. Verkehrspolitisch sollte es uns darum gehen, die Menschen möglichst schnell von A nach B zu bewegen. Eine S-Bahn ist nur deshalb so schnell, weil sie in der Regel Halteabstände von durchschnittlich rund zwei Kilometern hat.

Die U-Bahn ist etwas langsamer; sie hat in der Regel Halteabstände zwischen 500 und 1.000 Metern. Bei der Straßenbahn sind es 300 bis 400 Meter, weshalb dieses Verkehrsmittel noch langsamer ist. Wenn wir die Straßenbahn auf ein noch größeres Netz ausweiten, schaffen wir keine gesteigerte Effizienz und positive Effekte. Die Lösung liegt daher in einem intelligenten Ausbau des U-BahnNetzes in Kombination mit dem Ausbau von Straßenbahn-Linien.

Warum denkst Du, ist gerade der Ausbau des U-Bahnnetzes so wichtig für Berlin?

Berlin ist Messestadt, Touristenattraktion und Regierungssitz. Städte wie Paris, Barcelona, Wien, London als auch Stuttgart, Frankfurt, München und Hamburg bauen, in Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung, ihr U-Bahnnetz aus. Wenn andere europäische Städte auf den Ausbau der U-Bahn setzen, dürfen wir nicht hintenanstehen und einen Sonderweg gehen. Urbane Mobilität bedeutet mehr als nur Auto und Straßenbahn.

Zu einem mobilen und vor allem sauberen Berlin gehört auch das Fahrrad: Was soll im Hinblick auf das Radwegenetz geschehen?

Wenn der Umstieg auf das Fahrrad gelingen soll, müssen wir das Radfahren attraktiver machen. Dazu gehört für mich nicht nur ein intelligentes Leitsystem in der Innenstadt, sondern auch ein Radwegenetz, das den Namen verdient. So beginnen nun die ersten Planungen, ein Radwegeschnellsystem von Spandau bis nach Treptow-Köpenick zu errichten.

Tino Schopf, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im AGHSPD Berlin/Sebastian Thomaas
Setzt für ein Radwegenetz ein: Tino Schopf ist verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Unzählige Radwege werden auf Kosten jeweils einer Autospur geschaffen. Wir arbeiten hier an intelligenten Lösungen, die das Fahrrad neben den ÖPNV in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen. Vorbilder sind für uns Amsterdam, Kopenhagen und Münster. Es zeigt sich, wie attraktiv und klimafreundlich eine Stadt werden kann, wenn Politik die richtigen Prioritäten setzt.

Was erwiderst Du manchen Kritikerinnen und Kritikern, die der SPD vorwerfen, sie sei schon eine sehr lange Zeit in Berlin in Regierungsverantwortung und hätte schon längst die Verkehrswende vorantreiben können?

Ja gut, die Feststellung, dass wir in der Tat spät dran sind, sollte nicht den Blick nach vorne versperren. Jetzt nur die Vergangenheit zu bewältigen, schafft keine neue Infrastruktur für morgen. Und, so ist es häufig in der Politik: Man kann nie genug machen.

Info: Ausbau des U-Bahn-Netzes

Momentan werden für drei Berliner U-Bahn-Linien Machbarkeitsstudien durchgeführt: die Verlängerung der U6 bis zum Gelände des Flughafens Tegel, der U7 bis zur Heerstraße und zum Flughafen BER und der U8 bis ins Märkische Viertel. Die Verlängerung der Linie 8 von Wittenau ins Märkische Viertel hat bereits einen ersten Schritt auf dem Weg zur Realisierung gemacht.

Ergebnis der Machbarkeitsstudie zur U8-Verlängerung: positiv

Auf Drängen des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller hat Verkehrssenatorin Regine Günther (B’90/Grüne) die unlängst durchgeführte Machbarkeitsstudie am 17. März im Senat vorgestellt. Das Ergebnis: Positiv! Schon im Juni 2019 beschloss die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus einen Antrag mit dem Titel „Wachsende Stadt durch U-Bahn-Ausbau stärken“.

Darin wird ebenso die Verlängerung der U8 ins Märkische Viertel gefordert: Perspektivisch, so heißt es in dem Antrag, soll auch eine Verknüpfung der U8 mit der Heidekrautbahn zum Umsteigen angestrebt werden. Gleichermaßen soll die U2 nach Pankow Kirche verlängert werden. Im Detail sei der U-Bahn-Tunnel um ungefähr 600 bis 700 Meter zu verlängern und soll mit einer viergleisigen Abstellanlage in der Ossietzkystraße enden.

Mehr Bevölkerung – mehr Verkehr

Schließlich soll die U-Bahn-Linie 3 bis zum Mexikoplatz führen. Dieser Lückenschluss von ungefähr 600 Metern sei in oberflächennaher Bauweise zu realisieren. In der Begründung ihres Antrags verweisen die Mitglieder der SPD-Fraktion unter anderem auf den Bevölkerungszuwachs und die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung Berlins: „Mit Stand Dezember 2017 verzeichnete Berlin über 3,71 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Mehr Bevölkerung bedeutet mehr Verkehr.“

Im Nahverkehrsplan habe der Senat bereits ein wichtiges Signal für den Ausbau des ÖPNV gesetzt. Weitere Schritte in der Verkehrspolitik sind für die Autorinnen und Autoren jedoch unabdinglich. Als Grund nennen sie unter anderem die jährlich im Durchschnitt um 40.000 Neuberlinerinnen und -berliner anwachsende Stadtbevölkerung.

Die Mitglieder der SPD-Fraktion weisen zudem auf einen Vorteil der U-Bahn gegenüber der Straßenbahn hin: die vom Oberflächenverkehr unabhängige Verkehrsführung. Im Vergleich zur Straßenbahn seien außerdem die bei einem vergleichbaren Takt mehr als doppelt so hohe Fahrgastkapazität und kürzere Fahrzeit große Vorteile.

Autor:in

Sebastian Thomas

Redakteur der BERLINER STIMME und des vorwärtsBERLIN