Ute Evensen & Claudia Peiter von Evas HaltestelleSPD Berlin/Sebastian Thomas

Wohnungs- und obdachlose Frauen: „Kein Mensch sollte auf der Straße leben“

Claudia Peiter und Ute Evensen arbeiten als Sozialarbeiterinnen in Evas Haltestelle – eine Einrichtung des Sozialdienstes katholischer Frauen im Berliner Wedding. Beide kümmern sich um wohnungs- und obdachlose Frauen. Im Interview erklären sie, warum sich Betroffene meist unauffällig verhalten und welche Gründe speziell Frauen in die Wohnungslosigkeit treiben. In ihrer täglichen Arbeit haben beide bereits viel erlebt – auch Männer, die die Not der Frauen ausnutzen.

BERLINER STIMME: Liebe Claudia, liebe Ute, zum Anfang eine ganz grundlegende Frage: Was ist Evas Haltestelle?

Claudia Peiter: Eine Tagesstätte für wohnungslose Frauen und für Frauen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Sie gibt es seit 25 Jahren im Berliner Wedding. Vorher war Evas Haltestelle in der Bornemannstraße. Seit 2018 sind wir in der Müllerstraße zuhause. Sie befindet sich in Trägerschaft des Sozialdienst katholischer Frauen Berlin, ein Frauenverband, der sich der Hilfe für Kinder, Jugendliche, Frauen und Familien in besonderen Lebenslagen sowie der Teilhabe für Menschen mit Behinderungen in der Gemeinschaft widmet.

Wie genau helft ihr von Wohnungslosigkeit betroffenen Frauen?

Claudia Peiter: Das hängt im Wesentlichen davon ab, was die Frauen möchten, wenn sie zu uns kommen. Es fängt damit an, dass wir einen sicheren, trockenen und warmen Rückzugsraum zur Verfügung stellen sowie eine Grundversorgung gewährleisten. Das bedeutet, die Frauen können hier essen und trinken, Wäsche waschen, sich duschen sowie ihre Kleidung waschen und trocknen. Weiterhin können sie sich eine Postadresse einrichten und sich auch beraten lassen.

Alles hängt davon ab, was die Frauen wollen, wenn sie zu uns kommen. Manchmal ist genau das die Frage: Können sie schon was wollen? Wenn Frauen schon eine Weile mit dem im Kontext der Wohnungslosigkeit unterwegs sind, sind viele von ihnen schon ziemlich desillusioniert, wenn sie zu uns kommen. Es ist eher selten der Fall, dass eine Frau unsere Einrichtung betritt und sagt: „Guten Tag, ich bin Frau A., das sind meine Probleme und ich brauche ihre Unterstützung.“

Sehr viel häufiger ist es so, dass Frauen zu uns kommen, erst mal im Eingangsbereich stehen und ein bisschen ratlos in die Gegend schauen. Dann nehmen wir sie in Empfang und zeigen ihnen, was es hier so gibt und wer wir sind. Danach ziehen sich die Neuankömmlinge meist an den Rand der Einrichtung zurück und trinken eine Tasse Kaffee, um sich aufwärmen.

Sie wollen sich in unserer Einrichtung an erster Stelle orientieren. Dann gibt es tatsächlich eine ganze Reihe von Frauen, die über eine längere Zeit hinweg nichts weiter in Anspruch nehmen als die Angebote der Grundversorgung, also schlafen, essen und trinken, und dann wieder gehen.

Auf eurer Website sprecht ihr von Hilfe bei der Durchsetzung rechtlicher Ansprüche: Könnt ihr näher erläutern, was sich dahinter verbirgt?

Claudia Peiter: Viele der betroffenen Frauen haben einen grundlegenden Leistungsanspruch. Sie können Leistungen beantragen. Das kann ALG II sein, ergänzend vielleicht zu einer Rente, die sie auch beziehen. Viele Frauen machen es aber nicht oder haben keine Kenntnis über ihren Anspruch oder sind vielleicht auch mit der Antragstellung überfordert.

Außerdem verhält es sich so, dass betroffene Frauen, wenn sie obdachlos sind, die Stadt beziehungsweise Kommune verpflichtet ist, sie in entsprechenden Einrichtungen unterzubringen. Das sind in Berlin sogenannte ASOG-Einrichtungen (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz; Anm. d. Red.). Das sind in der Regel Wohnheime und das ist keine Kann-Leistung.

Aber viele Besucherinnen, die zu uns kommen, wissen das zu Beginn gar nicht, dass es diese Möglichkeit gibt, dass es ihnen im Prinzip zusteht und sie da auch ein Anrecht haben. Wir sehen es als eine wichtige Aufgabe an, die Frauen darüber aufzuklären und sie dabei zu unterstützen, diesen Anspruch geltend zu machen. Jedoch ist Beratung, wie anfangs erwähnt, eher selten der erste Wunsch von den Besucherinnen.

Oft stellt sich jedoch heraus, dass es vielleicht doch ganz sinnvoll ist. Wenn die Betroffenen nach einer gewissen Zeit Vertrauen gefasst haben, leiten wir sie an unsere Kolleginnen vom Projekt IwoF (Intensivberatung und Begleitung wohnungsloser Frauen; Anm. d. Red.) weiter, die auch bei uns in der Einrichtung sitzen und Sozial- sowie psychologische Beratung anbieten. Da ist es möglich, die betroffenen Frauen im länger dauernden Beratungsprozess von A bis Z zu begleiten und Anträge gemeinsam durchzusehen und umzusetzen.

Wie finanziert sich Evas Haltestelle?

Claudia Peiter: Inzwischen zum Glück zu einem großen Teil durch den Bezirk Mitte. Allerdings wurden uns die Gelder erst bewilligt, als die Existenz unserer Einrichtung auf Messers Schneide stand. Wir erhielten nach vielen Jahren der Finanzierung durch den Verein und durch Spenden die Kündigung der alten Räume. Auch als wir die neuen Räume in der Müllerstraße gefunden hatten, war klar, dass wir es nicht mehr mit Eigenmitteln finanzieren können.

Zuvor stellten wir immer Finanzierungsanträge beim Senat oder später, nachdem diese Aufgabe auf die Bezirke verlegt wurde, bei der Verwaltung in Mitte. Sie wurden stets abgelehnt. Erst in dem Moment, als wir darauf hinwiesen, dass Evas Haltestelle geschlossen werden muss, hatten wir das Glück, dass der Bezirk Mitte eine Finanzierungszusage machte.

Dennoch bleibt ein fünfstelliger, nicht ganz unerheblicher Betrag, den der Verein jährlich durch Spenden aufbringen muss. Doch zumindest die Grundfinanzierung durch den Bezirk ist seit Ende 2018 gesichert und wir hoffen, dass es auch nach den derzeit laufenden Haushaltsverhandlungen weiter so sein wird.

Worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen einer obdach- und wohnungslosen Frau?

Claudia Peiter: Die Wohnungslosigkeit geht der Obdachlosigkeit voraus. Bevor Frauen auf der Straße leben oder in Parks campieren, ist das eigentliche Problem schon da und das meist schon seit vielen Jahren.

Kommen denn auch Obdachlose in eure Einrichtung oder ist das eher weniger der Fall?

Claudia Peiter: Sowohl als auch. Momentan ist die Situation so, dass es über das Winterhalbjahr im Rahmen der Berliner Kältehilfe eine ganze Reihe von Notübernachtungsplätzen gibt. In den vergangenen Jahren haben vermehrt frauenspezifische Notübernachtungsplätze zugenommen. Wir in Evas Haltestelle bieten auch Notübernachtungen an, sodass im Moment viel mehr Frauen wohnungs-, aber nicht obdachlos sind.

Warum werden Frauen obdach- beziehungsweise wohnungslos?

Claudia Peiter: Die Gründe sind sehr vielfältig. Einen typischen Verlauf in der Form gibt es nicht. Oft fallen mehrere Faktoren zusammen: Schulden, Arbeitslosigkeit, Krankheit, eine persönliche Krise, ein Coming Out, oder gar häusliche Gewalt. Viele von ihnen haben vorher mit einem Partner zusammengewohnt, standen aber nicht im Mietvertrag und es kommt zu einer Trennung. Dann ist die Betroffene automatisch wohnungslos, ob sie will oder nicht.

Wohnungslose Frauen schaffen es relativ lang oder versuchen es zumindest, ihre Situation zu verbergen, weil es ein sehr schambesetztes Thema ist und weil sie sich natürlich auch sehr angreifbar machen. Betroffene Frauen haben keinen Schutzraum und keine eigene Wohnung mehr, in die sie sich bei Bedarf zurückziehen können. Wenn diese Frauen in unsere Einrichtung kommen, haben sie bereits eine lange Geschichte der Wohnungslosigkeit hinter sich.

Warum erkennt man wohnungslose Frauen teilweise nicht?

Claudia Peiter: Es ist Selbstschutz. Stellen wir uns die Situation nur einmal vor: Die Müllerstraße ist eine sehr belebte Strecke im Berliner Wedding. Ich glaube, wenn ich sie entlanglaufe, und man sieht mir an, dass ich obdachlos bin, mache ich mich sehr viel angreifbarer, als wenn ich einfach mit meinem Einkaufsbeutel schlendere, einen ganz normalen Anorak und ein paar vernünftige Schuhe oder Jacke und eine normale Frisur trage.

Sieht man mir hingegen meine Situation an, kann ich sehr schnell auch zum Opfer von Übergriffen werden. Frauen wollen sich auch ein gewisses Maß an Selbstwertgefühl erhalten, indem sie sich gepflegt und nach ihrem Geschmack kleiden und nicht verwahrlosen. Kurzum, wohnungslose Frauen sind unauffälliger, weil es ihnen zum einen für ihr eigenes Wohlbefinden wichtig ist. Zum anderen wollen sie nach außen ein sortiertes Bild abgeben und nicht sofort die absolute Bedürftigkeit offensichtlich werden lassen.

Wie muss man sich das vorstellen? Was machen wohnungslose Frauen, wenn sie am Tag unterwegs sind?

Claudia Peiter: Momentan ist das bei uns ziemlich gut gelöst. Evas Haltestelle ist täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet und die Notübernachtung von 18 bis 10 Uhr. Im Prinzip können sich Betroffene rund um die Uhr in der Einrichtung aufhalten. Das ist sonst bei Notübernachtungen selten der Fall. Da ist es eher so, dass sie abends kommen und relativ früh am Morgen die Einrichtung verlassen und sich dann zuerst einmal sortieren müssen.

Die Frage ist, wo sie den Tag einigermaßen sicher und geschützt verbringen. Wir sind im Moment fast die einzige frauenspezifische Einrichtung in der Wohnungslosenhilfe, die so ein umfassendes Angebot noch hat. Einzige Ausnahme ist eine von der Kältehilfe finanzierte Einrichtung am Halleschen Ufer. Das ist ein ehemaliges Hostel, das rund um die Uhr einen Aufenthalt für Frauen ermöglicht. Man darf sich das nun auch nicht zu paradiesisch vorstellen.

Unsere Einrichtung ist ein Schutzraum. Hier treffen viele unterschiedliche Frauen in sehr stressigen Lebenssituationen aufeinander. Das macht den Umgang nicht unbedingt leicht. Jede ist mit sich und ihrer privaten schwierigen Situation beschäftigt. Manch eine Betroffene behelligt auch eine andere mit ihren Problemen. Für einige Frauen ist die Atmosphäre auch schwer auszuhalten. Manche wollen auch gar nicht in eine Tagesstätte gehen, weil das für sie eine zu große soziale Herausforderung darstellt, die sie nicht bewältigen können.

Trotzdem nochmal die Nachfrage, wo halten sich die Frauen auf, die in keine Einrichtung gehen?

Claudia Peiter: Solche Frauen sieht man manchmal in Einkaufszentren, in Wartebereichen oder in Bibliotheken. Coronabedingt ist das viel eingeschränkter, als es vorher noch der Fall war. Einige Frauen fahren auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch die Gegend. Eher selten ist der Fall, dass man ihnen begegnet und sofort erkennt, in welchem Zustand, in welcher Situation sie sich befinden. Das ist einfach eine Frau mit einer Einkaufstüte oder einem Rucksack, die sich von A nach B bewegt oder irgendwo sitzt.

Warum ist Wohnungs- und Obdachlosigkeit für Frauen schlimmer als für Männer?

Claudia Peiter: Ich weiß gar nicht, ob ich das unterschreibe. Ich denke kein Mensch, der das nicht möchte, sollte auf der Straße leben. Ob Mann oder Frau spielt da keine Rolle. Für Frauen ist das Leben auf der Straße anders hart, ja, man kann schon sagen härter, weil sie oft schutzloser sind. Für sie ist das Risiko Opfer von körperlichen und sexuellen Übergriffen höher. Obdachlose Frauen sind im Straßenbild eher selten anzutreffen und noch viel weniger sieht man alleinlebende obdachlose Frauen.

Wenn das der Fall ist, spielt mitunter eine gravierende psychische Beeinträchtigung eine Rolle. Wenn eine betroffene Frau nicht allein ist, dann hat sie sich einer Gruppe angeschlossen. Das geschieht nicht immer aus dem Impuls heraus, dass das besonders großartige Menschen sind, mit denen sie da ihre Freizeit verbringen will, sondern dass sie sich einen gewissen Schutz verspricht. Man muss davon ausgehen, dass die Frau für den Schutz eine gewisse Gegenleistung erbringen muss.

Wie kann diese Gegenleistung aussehen?

Claudia Peiter: Frauen verdingen sich beispielsweise als Haushaltshilfe. Wir hatten auch schon alleinstehende ältere Männer, die mal vor der Einrichtung standen. Sie haben tatsächlich so ein Angebot formuliert, dass sie jemanden suchen, der ihnen ein bisschen zur Hand geht. Dem Angebot wohnten noch andere Gegenleistungen inne. Sie fanden es eine tolle Gelegenheit und konnten es gar nicht so richtig nachvollziehen, dass ich nicht in großen Jubel ausgebrochen bin und ihnen nicht die entsprechend gewünschte junge Frau zugeführt habe.

Gerade solche Angebote sind nicht so selten. Manchmal hat die Frau auch einen Bekannten, der sie für ein paar Tage bei sich wohnen lässt. Sie könnte auch noch ein paar Tage länger übernachten, wenn sie nett ist zu ihm. Frauen müssen häufig sexuelle Gegenleistung für die Unterkunft bieten! Diese Angebote bekommen Männer vermutlich eher weniger.

Das Problem der Periodenarmut: Welche Rolle spielt es in eurer täglichen Arbeit?

Claudia Peiter: In unserer täglichen Arbeit gehen wir auf die Frauen zu und fragen, ob wir ihnen mit Tampons und Binden aushelfen können. Wir bieten ihnen auch neue Kleidung an, wenn ihre alten Sachen verunreinigt sind. Es ist ein Thema, was zum einen lange tabuisiert war und zum anderen gar nicht im Fokus stand. Daran hat sich erst in den vergangenen Jahren etwas geändert, weil die Öffentlichkeit zunehmend sensibilisiert wurde.

Nun fragt man sich eher, was denn eigentlich eine Frau oder ein Mädchen macht, die vielleicht erstens kein Einkommen hat oder zweitens das Geld für andere Dinge aufwenden muss und drittens kein Bad zuhause hat und vielleicht auch kein Wohn- oder Schlafzimmer, in das sie sich zurückziehen kann, wenn es ihr während der Periode nicht gut geht. Frauen sind einfach froh, wenn sie sich in einer geschützten Atmosphäre gut versorgen können und es auch Angebote gibt.

In unserer Finanzierung ist es als solches nicht vorgesehen. Daher sind wir immer froh über Spenden. Es gibt inzwischen auch mehr Menschen, die das Thema auf dem Schirm haben und dann eben vielleicht nicht nur Duschbad und Shampoo vorbeibringen, sondern ein paar Binden, Tampons und Menstruationstassen.

Warum fristet dieses Thema so ein Nischendasein? Habt ihr dafür eine Erklärung?

Claudia Peiter: In meiner Elterngeneration ist das Thema lange tabuisiert worden. Meine Mutter ist mit dem Thema nicht besonders offen umgegangen. Ich vermute, das hat sich erst im Zuge der Emanzipation ein bisschen geändert. Man verleugnete es nicht mehr oder tat so, als gäbe es das nicht. Frauen stellen die Hälfte der Menschheit dar und im fortpflanzungsfähigen Alter haben sie pro Monat eine Woche lang ihre Periode. Das ist ganz natürlich.

Ute Evensen: Die Geschichte, die Frauen damit anhängt, ist natürlich von Unreinheit geprägt. Es gibt in der Geschichte der Menschheit Zivilisationen, Religionen, Epochen und gesellschaftliche Schichten, in denen Frauen, wenn sie menstruiert haben, für diese Zeit aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurden. Danach mussten sie sich speziell reinigen, um wieder in die Gesellschaft zurückzukehren. Das ist natürlich eine uralte Geschichte, die uns Frauen jedoch bis heute immer noch anhängt.

Außerdem ist es noch nicht allzu lange her, als in der TV-Werbung für Hygieneartikel das Menstruationsblut in blauer anstatt in roter Farbe dargestellt wurde. Ich denke wir sind mit der Enttabuisierung noch lange nicht durch. Das ist ein langer Prozess. Heutzutage gibt es viele junge Frauen, die ganz anders mit dem Thema umgehen.

Sie kommunizieren es viel selbstverständlicher nach außen und versuchen, wenn sie in einer heterosexuellen Beziehung leben ihren Partner zu sensibilisieren. Es ist enorm wichtig, dass sich auch der männliche Teil der Gesellschaft damit auseinandersetzt und keine Berührungsängste mit einer Frau hat, die gerade menstruiert. Da ist noch einiges nachzuholen.

Wir sprechen bei Periodenarmut von wohnungslosen Frauen. Das Problem betrifft jedoch auch junge Frauen, die zuhause bei ihren Eltern leben.

Ute Evensen: Viele junge Mädchen werden in Familien groß werden, die finanziell nicht gut aufgestellt sind. Sie haben genau die gleichen Probleme, nämlich dass sie sich Periodenprodukte nicht leisten können. Jedoch werden die Kosten für Periodenartikel in einem ALG-II-Leistungssatz nicht berücksichtigt.

Wohin kann man spenden, wenn man das möchte.

Claudia Peiter: Auf unserer Webseite gibt es ein Spendenkonto. Wer direkt etwas für Evas Haltestelle spenden will, gibt es einfach im Verwendungszweck an und dann wird der Geldbetrag auch uns zugeordnet.

Was wünscht ihr euch von der aktuellen Politik?

Ute Evensen: Wir wünschen uns eine ausreichende und durchgehende Finanzierung der notwendigen frauenspezifischen Wohnungslosenhilfe. Außerdem den Ausbau und ebenso auskömmliche Finanzierung von Housing First für Frauen. Darüber hinaus entsprechende Anlaufstellen für wohnungslose Menschen in jedem Bezirk, kostenfreie BVG-Tickets für alle Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind und kostenfreie öffentliche Toiletten für Frauen.

Claudia Peiter: Mehr frauenspezifische Tagesstätten wären wichtig. Wir wissen von vielen Frauen, dass sie aufgrund von Gewalterfahrungen in ihrer Biografie die gemischten Einrichtungen gar nicht oder nur sehr ungern und wenn dann nur im äußersten Notfall aufsuchen. Der Männeranteil liegt meist über 75 Prozent, sodass die Frauen eine Minderheit darstellen. Wir wünschen uns Wohnungen für wohnungslose Frauen, zum Beispiel könnten städtische Wohnungsbaugesellschaften gewisse Kontingente bereitstellen.

Ute Evensen: Bei den Tagesstätten wünschen wir uns außerdem strukturelle Standards. Neben dem finanziellen Aspekt müssten sie personell und sachlich so ausgestattet werden, damit überall die gleichen Angebote, Möglichkeiten und Ausstattungsmerkmale vorhanden sind. Natürlich unterstützen wir auch die Forderungen nach mehr und vor allem bezahlbaren Wohnraum, auch innerstädtisch und weitere niedrigschwellige Zugänge ins Hilfesystem, insbesondere der Wiedereingliederungshilfe.

Ein Wunsch besteht auch darin, dass bei drohendem Wohnungsverlust gerade Frauen, die in der Regel nicht im Mietvertrag stehen, die Wohnung behalten können, vor allem wenn Kinder da sind. In dem Fall könnten Jobcenter höhere Kostenübernahme bewilligen. Dies rechnet sich, wenn man die Folgekosten von Wohnungsverlust für Frauen und Kinder bedenkt.

Liebe Claudia, liebe Ute, ich danke euch für das Gespräch.

Autor:in

Sebastian Thomas

Redakteur der BERLINER STIMME und des vorwärtsBERLIN